Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr.Sie Bedeutung der Presse für die Kultur der Erde im Guten wie im Bösen, im Großen wie im Kleinen, ihr Denken und Es ist heute kein Wagnis mehr, was es vor einer nicht sehr langen Die wirkungsreichste! Das klingt vielleicht anmaßend, überschätzend, über¬ Sie Bedeutung der Presse für die Kultur der Erde im Guten wie im Bösen, im Großen wie im Kleinen, ihr Denken und Es ist heute kein Wagnis mehr, was es vor einer nicht sehr langen Die wirkungsreichste! Das klingt vielleicht anmaßend, überschätzend, über¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0643" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/296654"/> <fw type="header" place="top"> Sie Bedeutung der Presse für die Kultur</fw><lb/> <p xml:id="ID_3312" prev="#ID_3311"> der Erde im Guten wie im Bösen, im Großen wie im Kleinen, ihr Denken und<lb/> Empfinden, ihr Wollen und Handeln täglich von neuem als führende geistige<lb/> Macht durchdringt und beeinflußt.</p><lb/> <p xml:id="ID_3313"> Es ist heute kein Wagnis mehr, was es vor einer nicht sehr langen<lb/> Reihe von Jahren noch gewesen wäre, einen solchen Satz in den Räumen einer<lb/> deutschen Hochschule und in einer wissenschaftlichen Vereinigung auszusprechen.<lb/> In Deutschland mehr als in irgendeinem andern Lande hat sich die Wissen¬<lb/> schaft lange Zeit fast systematisch von der Tagespresse ferngehalten — Aus¬<lb/> nahmen bestätigen die Regel —, hat sie als minderbürtig angesehen, und die<lb/> Beschäftigung mit der Journalistik als des deutschen Gelehrten von Beruf nicht<lb/> ganz für würdig erachtet. Allmählich aber hat sich doch auch an unsern deutschen<lb/> Hochschulen die Überzeugung durchgerungen, daß die Presse mehr ist als ein<lb/> geschäftliches Unternehmen zur Befriedigung der Neugier; daß sie in der Ge¬<lb/> samtheit ihrer Bedeutung und ihrer Beziehungen zu Staat und Volk, wenn<lb/> nicht selbst eine Wissenschaft, so doch wenigstens ein Problem ist, das der wissen¬<lb/> schaftlichen Erforschung und Durchleuchtung nicht nur in hohem Maße würdig<lb/> ist, sondern ihrer im öffentlichen Interesse bedarf. Damit ist denn auch der Zeit¬<lb/> punkt eingetreten, der wissenschaftlichen Lehre von der Presse nur für die Presse<lb/> einen Platz in den Disziplinen unsrer Universitäten einzuräumen. Aber immerhin<lb/> ist die Presse von der Wissenschaft als hoffähig erst anerkannt worden, als sie<lb/> sich auf dem geistigen Felde der Ehre den Adel längst selbst erworben und sich<lb/> der von ihr gewonnenen Führung auch im Kulturvormarsch unsers deutschen<lb/> Volkes längst würdig erwiesen hatte. Unsre alten Zeitungen, die auf eine hundert¬<lb/> jährige Vergangenheit und weit darüber zurückschauen, weisen in den Stamm¬<lb/> bäumen ihrer Redaktionen viele hochgeachtet und hochgeehrt fortlebende Namen<lb/> auf, deren Träger einst mit ehrenvollen Narben aus den Geisteskümpfen ihrer<lb/> Zeit heimgegangen sind, und die Wissenschaft am allerwenigste» vermag sich auf<lb/> die Dauer der Tatsache zu verschließen, daß in der Kulturgeschichte eines Volkes,<lb/> zumal in unserm zwanzigsten Jahrhundert, die Geschichte seiner Presse und ihrer<lb/> Entwicklung mit in der ersten Reihe sieht. Dank einem einsichtigen Verständnis<lb/> für die wirklichen Aufgaben der Zeit beginnt nunmehr die Lehre von der Presse<lb/> Bürgerrecht in der deutschen Gelehrtenwelt zu finden, und die wissenschaftliche<lb/> Forschung versagt sich einer Institution nicht länger, die einen so wertvollen<lb/> Spiegel der Vergangenheit, die wirkungsreichste geistige Potenz der Gegenwart<lb/> und die bahnbrechende Führerin in die Zukunft ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_3314" next="#ID_3315"> Die wirkungsreichste! Das klingt vielleicht anmaßend, überschätzend, über¬<lb/> treibend, aber jeder Einfluß, der heute und fortan unser öffentliches Leben zum<lb/> Ziel hat, kann seine Zwecke doch nur durch Publizität erreichen, und es gibt<lb/> — wie Emil Lobt in Wien in seinem geistvollen Buche zu annähernd demselben<lb/> Thema zutreffend geäußert hat — heute keine Publizität ohne die Publi¬<lb/> zistik. Die Großmacht Presse ist durch eine hochgespannte, intelligente Aus¬<lb/> nutzung der andern Kulturmittel sowie der technischen Erfindungen: der Post,<lb/> des Eisenbahnwesens, des Telegraphen und des Telephons, der Stenographie,<lb/> sodann nicht zum wenigsten durch die großartige Vervollkommnung des tech¬<lb/> nischen Druckereibetriebs in hohem Maße zur Trägerin, zum bahnbrechenden</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0643]
Sie Bedeutung der Presse für die Kultur
der Erde im Guten wie im Bösen, im Großen wie im Kleinen, ihr Denken und
Empfinden, ihr Wollen und Handeln täglich von neuem als führende geistige
Macht durchdringt und beeinflußt.
Es ist heute kein Wagnis mehr, was es vor einer nicht sehr langen
Reihe von Jahren noch gewesen wäre, einen solchen Satz in den Räumen einer
deutschen Hochschule und in einer wissenschaftlichen Vereinigung auszusprechen.
In Deutschland mehr als in irgendeinem andern Lande hat sich die Wissen¬
schaft lange Zeit fast systematisch von der Tagespresse ferngehalten — Aus¬
nahmen bestätigen die Regel —, hat sie als minderbürtig angesehen, und die
Beschäftigung mit der Journalistik als des deutschen Gelehrten von Beruf nicht
ganz für würdig erachtet. Allmählich aber hat sich doch auch an unsern deutschen
Hochschulen die Überzeugung durchgerungen, daß die Presse mehr ist als ein
geschäftliches Unternehmen zur Befriedigung der Neugier; daß sie in der Ge¬
samtheit ihrer Bedeutung und ihrer Beziehungen zu Staat und Volk, wenn
nicht selbst eine Wissenschaft, so doch wenigstens ein Problem ist, das der wissen¬
schaftlichen Erforschung und Durchleuchtung nicht nur in hohem Maße würdig
ist, sondern ihrer im öffentlichen Interesse bedarf. Damit ist denn auch der Zeit¬
punkt eingetreten, der wissenschaftlichen Lehre von der Presse nur für die Presse
einen Platz in den Disziplinen unsrer Universitäten einzuräumen. Aber immerhin
ist die Presse von der Wissenschaft als hoffähig erst anerkannt worden, als sie
sich auf dem geistigen Felde der Ehre den Adel längst selbst erworben und sich
der von ihr gewonnenen Führung auch im Kulturvormarsch unsers deutschen
Volkes längst würdig erwiesen hatte. Unsre alten Zeitungen, die auf eine hundert¬
jährige Vergangenheit und weit darüber zurückschauen, weisen in den Stamm¬
bäumen ihrer Redaktionen viele hochgeachtet und hochgeehrt fortlebende Namen
auf, deren Träger einst mit ehrenvollen Narben aus den Geisteskümpfen ihrer
Zeit heimgegangen sind, und die Wissenschaft am allerwenigste» vermag sich auf
die Dauer der Tatsache zu verschließen, daß in der Kulturgeschichte eines Volkes,
zumal in unserm zwanzigsten Jahrhundert, die Geschichte seiner Presse und ihrer
Entwicklung mit in der ersten Reihe sieht. Dank einem einsichtigen Verständnis
für die wirklichen Aufgaben der Zeit beginnt nunmehr die Lehre von der Presse
Bürgerrecht in der deutschen Gelehrtenwelt zu finden, und die wissenschaftliche
Forschung versagt sich einer Institution nicht länger, die einen so wertvollen
Spiegel der Vergangenheit, die wirkungsreichste geistige Potenz der Gegenwart
und die bahnbrechende Führerin in die Zukunft ist.
Die wirkungsreichste! Das klingt vielleicht anmaßend, überschätzend, über¬
treibend, aber jeder Einfluß, der heute und fortan unser öffentliches Leben zum
Ziel hat, kann seine Zwecke doch nur durch Publizität erreichen, und es gibt
— wie Emil Lobt in Wien in seinem geistvollen Buche zu annähernd demselben
Thema zutreffend geäußert hat — heute keine Publizität ohne die Publi¬
zistik. Die Großmacht Presse ist durch eine hochgespannte, intelligente Aus¬
nutzung der andern Kulturmittel sowie der technischen Erfindungen: der Post,
des Eisenbahnwesens, des Telegraphen und des Telephons, der Stenographie,
sodann nicht zum wenigsten durch die großartige Vervollkommnung des tech¬
nischen Druckereibetriebs in hohem Maße zur Trägerin, zum bahnbrechenden
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