Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr.in Nordschleswig mächtigen deutschen Einflüssen sein. Dieser nationale Charakter Seit Gründlings erster Anregung sind jetzt reichlich siebzig Jahre ver¬ Der hervorstechendste Zug der dänischen Volkshochschule ist noch heute in Nordschleswig mächtigen deutschen Einflüssen sein. Dieser nationale Charakter Seit Gründlings erster Anregung sind jetzt reichlich siebzig Jahre ver¬ Der hervorstechendste Zug der dänischen Volkshochschule ist noch heute <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0589" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/296600"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_3006" prev="#ID_3005"> in Nordschleswig mächtigen deutschen Einflüssen sein. Dieser nationale Charakter<lb/> hat im Verein mit der volkstümlichen Vortragsweise und der gleichmüßigen<lb/> Berücksichtigung der Geistes- und Gemütsbildung sowie der Körperpflege den<lb/> Volkshochschulen in der spätern Zeit viele Freunde erworben und ihnen dadurch<lb/> einen bleibenden Platz unter den Bildungsstätten Dänemarks und Schwedens<lb/> gesichert.</p><lb/> <p xml:id="ID_3007"> Seit Gründlings erster Anregung sind jetzt reichlich siebzig Jahre ver¬<lb/> flossen. In dieser Zeit hat sich das Volkshochschulwesen besonders in Däne¬<lb/> mark mächtig entwickelt. Zurzeit dürfte es in diesem kleinen Lande etwa<lb/> siebzig solcher Anstalten mit annähernd dreitausend männlichen und fast ebenso<lb/> vielen weiblichen Besuchern geben. Die dänische Regierung trügt einen nam¬<lb/> haften Teil der Ausgaben für Lehrmittel, Gehülter, Verzinsung usw. in der<lb/> Form von finanziellen Unterstützungen, die den einzelnen Anstalten gewährt<lb/> werden; ferner erhalten bedürftige Schüler Zuwendungen, die ihnen den Besuch<lb/> erleichtern. Zu diesen Förderungsmitteln kommt noch als ein andrer, jeden¬<lb/> falls nicht unwichtiger Vorteil der billige Lebensunterhalt in Dänemark. Die<lb/> verhältnismäßig geringen Kosten ermöglichen es gerade den Angehörigen der<lb/> sonst nicht sehr wohlhabenden Schichten der Bevölkerung, die für den Unter¬<lb/> halt auf der Volkshochschule nötigen Geldmittel ohne allzugroße Schwierig¬<lb/> keiten aufzubringen, zumal da der Kursus in der Regel nur wenig Monate<lb/> dauert.</p><lb/> <p xml:id="ID_3008" next="#ID_3009"> Der hervorstechendste Zug der dänischen Volkshochschule ist noch heute<lb/> ihr streng nationaler Charakter. Im Mittelpunkte des Unterrichts, den man<lb/> möglichst interessant und anregend zu machen sucht, steht die engere Heimat<lb/> mit ihrer Sprache, ihrer Geschichte und ihrer Literatur. Was die jungen<lb/> Leute in der Naturgeschichte kennen lernen, ist die dänische Erde, ist die<lb/> dänische Pflanzen- und Tierwelt. Der Unterricht in den heimatlichen Fächern<lb/> soll die Liebe zum Vaterlande, das Gefühl der Zugehörigkeit zum dänischen<lb/> Volksstamme beleben und stärken. Man erreicht dadurch, daß jeder ehemalige<lb/> Volkshochschüler klar die Gefahren erkennt, die dem dänischen Volke in seiner<lb/> Eigenschaft als Träger einer bestimmten Sprache und einer sich durch ganz<lb/> bestimmte Eigentümlichkeiten auszeichnenden Kultur drohe«. Die führenden<lb/> Männer wissen sehr wohl, daß die dünische Sprache nur ein kleines Gebiet<lb/> beherrscht, und daß sie von allen Seiten von dem immer mächtiger von Süden<lb/> her andrängenden Deutschtum bedroht und vielleicht mit der Zeit einmal ver¬<lb/> drängt wird. Dieser Zeitpunkt ist selbstverständlich noch fern; aber was will<lb/> das wenig Jahrzehnte umspannende Leben einer Generation gegenüber dem<lb/> nach Jahrtausenden zählenden Leben eines Volks sagen! In Dünemark sucht<lb/> man sich gegen den allmählichen Aufsaugungsprozeß mit allen zu Gebote<lb/> stehenden Mitteln zu wehren. Um die Sprache und die Eigenheiten des<lb/> dänischen Volksstamms zu erhalten, führt man jenseits der Königsau einen<lb/> Kampf, der psychologisch durchaus verständlich ist und jedem objektiven<lb/> Beobachter warme Sympathien und ein Gefühl der Hochachtung für die<lb/> Männer abnötigen muß, die ihn mit so viel Opferwilligkeit führen. Sie be¬<lb/> schränken sich in der Hauptsache auf die Defensive; aber die von ihnen ge-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0589]
in Nordschleswig mächtigen deutschen Einflüssen sein. Dieser nationale Charakter
hat im Verein mit der volkstümlichen Vortragsweise und der gleichmüßigen
Berücksichtigung der Geistes- und Gemütsbildung sowie der Körperpflege den
Volkshochschulen in der spätern Zeit viele Freunde erworben und ihnen dadurch
einen bleibenden Platz unter den Bildungsstätten Dänemarks und Schwedens
gesichert.
Seit Gründlings erster Anregung sind jetzt reichlich siebzig Jahre ver¬
flossen. In dieser Zeit hat sich das Volkshochschulwesen besonders in Däne¬
mark mächtig entwickelt. Zurzeit dürfte es in diesem kleinen Lande etwa
siebzig solcher Anstalten mit annähernd dreitausend männlichen und fast ebenso
vielen weiblichen Besuchern geben. Die dänische Regierung trügt einen nam¬
haften Teil der Ausgaben für Lehrmittel, Gehülter, Verzinsung usw. in der
Form von finanziellen Unterstützungen, die den einzelnen Anstalten gewährt
werden; ferner erhalten bedürftige Schüler Zuwendungen, die ihnen den Besuch
erleichtern. Zu diesen Förderungsmitteln kommt noch als ein andrer, jeden¬
falls nicht unwichtiger Vorteil der billige Lebensunterhalt in Dänemark. Die
verhältnismäßig geringen Kosten ermöglichen es gerade den Angehörigen der
sonst nicht sehr wohlhabenden Schichten der Bevölkerung, die für den Unter¬
halt auf der Volkshochschule nötigen Geldmittel ohne allzugroße Schwierig¬
keiten aufzubringen, zumal da der Kursus in der Regel nur wenig Monate
dauert.
Der hervorstechendste Zug der dänischen Volkshochschule ist noch heute
ihr streng nationaler Charakter. Im Mittelpunkte des Unterrichts, den man
möglichst interessant und anregend zu machen sucht, steht die engere Heimat
mit ihrer Sprache, ihrer Geschichte und ihrer Literatur. Was die jungen
Leute in der Naturgeschichte kennen lernen, ist die dänische Erde, ist die
dänische Pflanzen- und Tierwelt. Der Unterricht in den heimatlichen Fächern
soll die Liebe zum Vaterlande, das Gefühl der Zugehörigkeit zum dänischen
Volksstamme beleben und stärken. Man erreicht dadurch, daß jeder ehemalige
Volkshochschüler klar die Gefahren erkennt, die dem dänischen Volke in seiner
Eigenschaft als Träger einer bestimmten Sprache und einer sich durch ganz
bestimmte Eigentümlichkeiten auszeichnenden Kultur drohe«. Die führenden
Männer wissen sehr wohl, daß die dünische Sprache nur ein kleines Gebiet
beherrscht, und daß sie von allen Seiten von dem immer mächtiger von Süden
her andrängenden Deutschtum bedroht und vielleicht mit der Zeit einmal ver¬
drängt wird. Dieser Zeitpunkt ist selbstverständlich noch fern; aber was will
das wenig Jahrzehnte umspannende Leben einer Generation gegenüber dem
nach Jahrtausenden zählenden Leben eines Volks sagen! In Dünemark sucht
man sich gegen den allmählichen Aufsaugungsprozeß mit allen zu Gebote
stehenden Mitteln zu wehren. Um die Sprache und die Eigenheiten des
dänischen Volksstamms zu erhalten, führt man jenseits der Königsau einen
Kampf, der psychologisch durchaus verständlich ist und jedem objektiven
Beobachter warme Sympathien und ein Gefühl der Hochachtung für die
Männer abnötigen muß, die ihn mit so viel Opferwilligkeit führen. Sie be¬
schränken sich in der Hauptsache auf die Defensive; aber die von ihnen ge-
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