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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr.

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Nach der Hühnerhunde

eine alte Lefaucheuxbüchsflinte. Ich rutschte behutsam und ohne daß es mein Be¬
gleiter bemerkte, rückwärts, ergriff das Gewehr, überzeugte mich davon, daß beide
Läufe geladen waren, schlug an, zielte eine Sekunde lang und drückte ab.

Der Schuß krachte durch den Wald und weckte ein vielfaches Echo. Ich war
gut abgekommen und erwartete, als sich der Rauch verzogen hatte, den Hirsch vor
mir auf dem Wechsel liegen zu sehen. Aber o Wunder! -- der Hirsch stand noch
auf demselben Flecke, kratzte sich, als gelte es, eine Bremse zu vertreiben, mit den
Schalen des rechten Hinterlaufs am Blatt, schüttelte sich ein paarmal und zog ruhig
äsend weiter.

Martin, eine Kugel! flüsterte ich, um alles in der Welt eine Kugel!

Wozu? fragte er, wollen Sie etwa noch einmal ein Loch ins Blaue schießen?
So lange Sie sich nicht in das Buch eingetragen haben, ist alles umsonst.

Ich kann nicht gefehlt haben, erwiderte ich, vorausgesetzt natürlich, daß an
Ihrer alten Knarre Korn und Kinne in Ordnung sind. Er muß die Kugel auf
dem Blatt haben; bedenken Sie doch nur: er stand unbeweglich und so nahe --
es sind keine siebzig Gänge.

Ich hatte den Einwand, daß ohne die Eintragung alles umsonst sei, in meiner
Aufregung überhört und versuchte, mir das seltsame Benehmen des Hirsches auf
eine natürliche Art zu erklären. Wahrscheinlich, so dachte ich, ist die Kugel, ohne
auf einen Knochen zu treffen, glatt durchgegangen, und der Hirsch hat nichts davon
gemerkt. Dann wird er sich, wenn er durch den Schweißverlust geschwächt ist,
niedertun und im Wnndbett verenden. So etwas kann vorkommen, besonders in
gewitterreichen Sommern, wo das Wild den Büchsenschuß zuweilen für einen kurzen
Donnerschlag hält und deshalb unbeachtet läßt.

Der Hirsch zog langsam weiter, war aber so sicher auf deu Läufen, daß ich
die Hoffnung, er werde nun zu schwanken und zu straucheln beginnen, aufgeben
mußte. Als er meinem Auge entschwunden war, hielt es mich nicht länger in der
Deckung.

Kommen Sie mit auf den Anschuß! sagte ich zu Martin, der mich mit einem
sonderbaren Lächeln ansah, wir müssen gerechte Pürschzeichen finden.

Ich eilte voraus und suchte. An der Stelle, wo der Hirsch meiner Über¬
zeugung nach gestanden hatte, fand ich wohl die Fährte, aber keinen stärkern
Schaleneingriff, keinen Knochensplitter, keinen Schweiß und keine Haare. Sollte
ich doch gefehlt haben? Schon wollte mich das Gefühl der Entmutigung und des
Lebensüberdrusses beschleichen, das den Weidmann nach einem Fehlschuß auf Hoch¬
wild befällt, als mein Begleiter auf eine talergroße Metallscheibe wies, die ein
paar Gänge vom Anschuß entfernt im Sande lag. Er hob sie auf und reichte
sie mir hin. Es war die Kugel, die sich auf der Decke des Hirsches flach ge¬
schlagen hatte.

Sagte ichs nicht, bemerkte mein Führer triumphierend, Sie können noch so
gut Hinhalten: ohne die Unterschrift ist alles umsonst!

Sparen Sie sich Ihre dummen Witze, erwiderte ich erregt, Sie sehen doch,
daß ich getroffen habe. Es liegt nur an Ihrer Patrone. Sie hatten zu wenig
Pulver hinter der Kugel. Aber natürlich: eine ordentliche Ladung verträgt so eine
alte Knarre nicht. Ist denn Ihr Baron noch nie auf den Gedanken gekommen,
Ihnen ein vernünftiges Gewehr in die Hand zu geben?

Martin zuckte die Achseln und machte ein Gesicht, das deutlich genug verriet,
er hielte es für vergeblich, mich von der Güte seiner Waffe und der wahren Ursache
meines Mißgeschicks zu überzeugen. Auf dem Heimwege verhielten wir uns beide
schweigsam, und ich hatte Muße, das merkwürdige Erlebnis zu überdenken. Als
wir wieder auf der Heide waren, blieb der Jäger plötzlich stehn, lud den Kugel¬
lauf aufs neue und zielte auf eine einzelne alte Birke, die etwa zweihundert Gänge
von uns entfernt war. Er schoß, spähte mit einem wahren Falkenblick nach dem
Ziel und warf das Gewehr, ohne ein Wort zu verlieren, über die Schulter. Als


Nach der Hühnerhunde

eine alte Lefaucheuxbüchsflinte. Ich rutschte behutsam und ohne daß es mein Be¬
gleiter bemerkte, rückwärts, ergriff das Gewehr, überzeugte mich davon, daß beide
Läufe geladen waren, schlug an, zielte eine Sekunde lang und drückte ab.

Der Schuß krachte durch den Wald und weckte ein vielfaches Echo. Ich war
gut abgekommen und erwartete, als sich der Rauch verzogen hatte, den Hirsch vor
mir auf dem Wechsel liegen zu sehen. Aber o Wunder! — der Hirsch stand noch
auf demselben Flecke, kratzte sich, als gelte es, eine Bremse zu vertreiben, mit den
Schalen des rechten Hinterlaufs am Blatt, schüttelte sich ein paarmal und zog ruhig
äsend weiter.

Martin, eine Kugel! flüsterte ich, um alles in der Welt eine Kugel!

Wozu? fragte er, wollen Sie etwa noch einmal ein Loch ins Blaue schießen?
So lange Sie sich nicht in das Buch eingetragen haben, ist alles umsonst.

Ich kann nicht gefehlt haben, erwiderte ich, vorausgesetzt natürlich, daß an
Ihrer alten Knarre Korn und Kinne in Ordnung sind. Er muß die Kugel auf
dem Blatt haben; bedenken Sie doch nur: er stand unbeweglich und so nahe —
es sind keine siebzig Gänge.

Ich hatte den Einwand, daß ohne die Eintragung alles umsonst sei, in meiner
Aufregung überhört und versuchte, mir das seltsame Benehmen des Hirsches auf
eine natürliche Art zu erklären. Wahrscheinlich, so dachte ich, ist die Kugel, ohne
auf einen Knochen zu treffen, glatt durchgegangen, und der Hirsch hat nichts davon
gemerkt. Dann wird er sich, wenn er durch den Schweißverlust geschwächt ist,
niedertun und im Wnndbett verenden. So etwas kann vorkommen, besonders in
gewitterreichen Sommern, wo das Wild den Büchsenschuß zuweilen für einen kurzen
Donnerschlag hält und deshalb unbeachtet läßt.

Der Hirsch zog langsam weiter, war aber so sicher auf deu Läufen, daß ich
die Hoffnung, er werde nun zu schwanken und zu straucheln beginnen, aufgeben
mußte. Als er meinem Auge entschwunden war, hielt es mich nicht länger in der
Deckung.

Kommen Sie mit auf den Anschuß! sagte ich zu Martin, der mich mit einem
sonderbaren Lächeln ansah, wir müssen gerechte Pürschzeichen finden.

Ich eilte voraus und suchte. An der Stelle, wo der Hirsch meiner Über¬
zeugung nach gestanden hatte, fand ich wohl die Fährte, aber keinen stärkern
Schaleneingriff, keinen Knochensplitter, keinen Schweiß und keine Haare. Sollte
ich doch gefehlt haben? Schon wollte mich das Gefühl der Entmutigung und des
Lebensüberdrusses beschleichen, das den Weidmann nach einem Fehlschuß auf Hoch¬
wild befällt, als mein Begleiter auf eine talergroße Metallscheibe wies, die ein
paar Gänge vom Anschuß entfernt im Sande lag. Er hob sie auf und reichte
sie mir hin. Es war die Kugel, die sich auf der Decke des Hirsches flach ge¬
schlagen hatte.

Sagte ichs nicht, bemerkte mein Führer triumphierend, Sie können noch so
gut Hinhalten: ohne die Unterschrift ist alles umsonst!

Sparen Sie sich Ihre dummen Witze, erwiderte ich erregt, Sie sehen doch,
daß ich getroffen habe. Es liegt nur an Ihrer Patrone. Sie hatten zu wenig
Pulver hinter der Kugel. Aber natürlich: eine ordentliche Ladung verträgt so eine
alte Knarre nicht. Ist denn Ihr Baron noch nie auf den Gedanken gekommen,
Ihnen ein vernünftiges Gewehr in die Hand zu geben?

Martin zuckte die Achseln und machte ein Gesicht, das deutlich genug verriet,
er hielte es für vergeblich, mich von der Güte seiner Waffe und der wahren Ursache
meines Mißgeschicks zu überzeugen. Auf dem Heimwege verhielten wir uns beide
schweigsam, und ich hatte Muße, das merkwürdige Erlebnis zu überdenken. Als
wir wieder auf der Heide waren, blieb der Jäger plötzlich stehn, lud den Kugel¬
lauf aufs neue und zielte auf eine einzelne alte Birke, die etwa zweihundert Gänge
von uns entfernt war. Er schoß, spähte mit einem wahren Falkenblick nach dem
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296010/502>, abgerufen am 16.01.2025.