Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr.Aquila Quellwasser in die rings umlaufenden Becken sprudelt. Hier ist das Elysium Weniger freudig stimmt das Kastell, von den Spaniern am höchsten Punkt Außerdem wurde die Stadt damals zweimal geplündert. Ein Wunder, Am meisten interessierten mich die Köpfe alter Aquilaner im Saale der Aquila Quellwasser in die rings umlaufenden Becken sprudelt. Hier ist das Elysium Weniger freudig stimmt das Kastell, von den Spaniern am höchsten Punkt Außerdem wurde die Stadt damals zweimal geplündert. Ein Wunder, Am meisten interessierten mich die Köpfe alter Aquilaner im Saale der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0046" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/296057"/> <fw type="header" place="top"> Aquila</fw><lb/> <p xml:id="ID_142" prev="#ID_141"> Quellwasser in die rings umlaufenden Becken sprudelt. Hier ist das Elysium<lb/> der Wäscherinnen der ganzen Stadt, die besonders am Morgen mit ihren bunten<lb/> Gewändern, ihrem eifrigen Wasserplanschen und noch eifrigerm Plaudern, Scherzen<lb/> und gelegentlichem Zanken ein Bild frisch-fröhlichen Volkslebens darbieten.</p><lb/> <p xml:id="ID_143"> Weniger freudig stimmt das Kastell, von den Spaniern am höchsten Punkt<lb/> der Stadt 1534 bis 1540 errichtet, ^.et ropriirisucZgni ^ciuilg-rioiuin »uclaciain,<lb/> so stand lange Zeit über dem Eingangstor. Das Grabmal der Bürgerfreiheit.<lb/> In diesem Trutzbau ist der mittelalterliche Festungsstil völlig verlassen worden.<lb/> Keine Rundtürme, kein Zinnenkranz mehr. Hohe, beinahe fensterlose Wände,<lb/> oben Kasematten, die aber jedenfalls aus einer jüngern Zeit herrühren. Ein<lb/> tiefer Graben umgibt das Ganze, den einzigen Zugang bildet eine steinerne<lb/> Brücke, die wohl erst ziemlich spät an die Stelle der ehemaligen Zugbrücke ge¬<lb/> treten ist. Hier fanden die Bürger, die sich der neuen Ordnung der Dinge<lb/> nicht anbequemen wollten, Gelegenheit, in Stock und Eisen über die Vergänglich¬<lb/> keit alles Irdischen nachzudenken. Und noch einmal wurde das traurige, häßliche<lb/> Gemäuer patriotischen Aquilanern zum Verhängnis: als 1799 der französische<lb/> General Lemoine „im Namen der Republik" die Stadt besetzt hatte, und in<lb/> der Nähe im Paß von Antrodoeo viele Franzosen dnrch bewaffnete Bürger und<lb/> Bauern der Abruzzen gefallen waren, wurden zur Strafe dafür Hunderte von<lb/> Aquilanern, die im Kastell gefangen saßen, erschossen.</p><lb/> <p xml:id="ID_144"> Außerdem wurde die Stadt damals zweimal geplündert. Ein Wunder,<lb/> daß noch so manche Gemälde vorhanden sind, die auch diese Stürme überdauert<lb/> haben. Freilich muß man sich ihren Genuß mühsam erkaufen; denn sie sind<lb/> an den verschiedensten Orten zerstreut und zum Teil schwer zugänglich. In<lb/> Santo Spirito hatte ich mich an der „kleinen Maria im Tempel" und in<lb/> Silvestro an der „Taufe Konstantins" erfreut. Beide sind farbenprächtige,<lb/> lebensvolle Schöpfungen. Aber nachdem mir im Palazzo Draghonetti, der die<lb/> wichtigste Privatgalerie birgt, die Antwort geworden war, der Herr Marchese<lb/> sei verreist, und die Besichtigung der Bilder deshalb unmöglich, verzichtete ich<lb/> mißmutig auf den Besuch der unbedeutendem Sammlung Persicchetti und begab<lb/> mich zum Rathaus, wo in dem Empfangs- und Sitzungszimmer einige gute<lb/> Sachen zu sehen sind.</p><lb/> <p xml:id="ID_145" next="#ID_146"> Am meisten interessierten mich die Köpfe alter Aquilaner im Saale der<lb/> Stadtverordneten. Glücklicherweise beriet man gerade nicht das Wohl und<lb/> Wehe der Gemeinde, und so konnte ich, mich mühsam zwischen den Bänken des<lb/> Znhörerraums durchzwängend, wenigstens mit einigen dieser „Florentiner der<lb/> Abruzzen" kurze Bekanntschaft schließen. Kein einziges weibliches war unter<lb/> den etwa sechzig Bildnissen, lauter Ratsherren, Bischöfe, Condottieri aus den<lb/> letzten vier Jahrhunderten. Eine kurze Inschrift gibt von ihren „Taten und<lb/> Meinungen" oft merkwürdige Kunde. Ein Bischof fiel mir auf, der die Kar¬<lb/> dinalswürde abgelehnt und sein Priesteramt niedergelegt hatte, um „ganz dem<lb/> Studium der Geschichte seiner Vaterstadt zu leben," und ein wilder Kriegs¬<lb/> mann mit eckigen Schädel und bösartigem, halbirrem Blick. Er war als Aben¬<lb/> teurer nach Malta gegangen, als dieses 1565 von Dragut belagert wurde,<lb/> und in die Hände der Türken gefallen, die dem sonderbaren Aquilaner ein</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0046]
Aquila
Quellwasser in die rings umlaufenden Becken sprudelt. Hier ist das Elysium
der Wäscherinnen der ganzen Stadt, die besonders am Morgen mit ihren bunten
Gewändern, ihrem eifrigen Wasserplanschen und noch eifrigerm Plaudern, Scherzen
und gelegentlichem Zanken ein Bild frisch-fröhlichen Volkslebens darbieten.
Weniger freudig stimmt das Kastell, von den Spaniern am höchsten Punkt
der Stadt 1534 bis 1540 errichtet, ^.et ropriirisucZgni ^ciuilg-rioiuin »uclaciain,
so stand lange Zeit über dem Eingangstor. Das Grabmal der Bürgerfreiheit.
In diesem Trutzbau ist der mittelalterliche Festungsstil völlig verlassen worden.
Keine Rundtürme, kein Zinnenkranz mehr. Hohe, beinahe fensterlose Wände,
oben Kasematten, die aber jedenfalls aus einer jüngern Zeit herrühren. Ein
tiefer Graben umgibt das Ganze, den einzigen Zugang bildet eine steinerne
Brücke, die wohl erst ziemlich spät an die Stelle der ehemaligen Zugbrücke ge¬
treten ist. Hier fanden die Bürger, die sich der neuen Ordnung der Dinge
nicht anbequemen wollten, Gelegenheit, in Stock und Eisen über die Vergänglich¬
keit alles Irdischen nachzudenken. Und noch einmal wurde das traurige, häßliche
Gemäuer patriotischen Aquilanern zum Verhängnis: als 1799 der französische
General Lemoine „im Namen der Republik" die Stadt besetzt hatte, und in
der Nähe im Paß von Antrodoeo viele Franzosen dnrch bewaffnete Bürger und
Bauern der Abruzzen gefallen waren, wurden zur Strafe dafür Hunderte von
Aquilanern, die im Kastell gefangen saßen, erschossen.
Außerdem wurde die Stadt damals zweimal geplündert. Ein Wunder,
daß noch so manche Gemälde vorhanden sind, die auch diese Stürme überdauert
haben. Freilich muß man sich ihren Genuß mühsam erkaufen; denn sie sind
an den verschiedensten Orten zerstreut und zum Teil schwer zugänglich. In
Santo Spirito hatte ich mich an der „kleinen Maria im Tempel" und in
Silvestro an der „Taufe Konstantins" erfreut. Beide sind farbenprächtige,
lebensvolle Schöpfungen. Aber nachdem mir im Palazzo Draghonetti, der die
wichtigste Privatgalerie birgt, die Antwort geworden war, der Herr Marchese
sei verreist, und die Besichtigung der Bilder deshalb unmöglich, verzichtete ich
mißmutig auf den Besuch der unbedeutendem Sammlung Persicchetti und begab
mich zum Rathaus, wo in dem Empfangs- und Sitzungszimmer einige gute
Sachen zu sehen sind.
Am meisten interessierten mich die Köpfe alter Aquilaner im Saale der
Stadtverordneten. Glücklicherweise beriet man gerade nicht das Wohl und
Wehe der Gemeinde, und so konnte ich, mich mühsam zwischen den Bänken des
Znhörerraums durchzwängend, wenigstens mit einigen dieser „Florentiner der
Abruzzen" kurze Bekanntschaft schließen. Kein einziges weibliches war unter
den etwa sechzig Bildnissen, lauter Ratsherren, Bischöfe, Condottieri aus den
letzten vier Jahrhunderten. Eine kurze Inschrift gibt von ihren „Taten und
Meinungen" oft merkwürdige Kunde. Ein Bischof fiel mir auf, der die Kar¬
dinalswürde abgelehnt und sein Priesteramt niedergelegt hatte, um „ganz dem
Studium der Geschichte seiner Vaterstadt zu leben," und ein wilder Kriegs¬
mann mit eckigen Schädel und bösartigem, halbirrem Blick. Er war als Aben¬
teurer nach Malta gegangen, als dieses 1565 von Dragut belagert wurde,
und in die Hände der Türken gefallen, die dem sonderbaren Aquilaner ein
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