Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr.Diu Tage von Lhampigny und villiers dein Offizierkorps wie bei der Mannschaft genoß, war eine wohltuende Flamme, Die Zeit, die man nicht auf Vorposten oder sonst im Dienste verbrachte, Am 28. September hatten wir die Ehre des Besuchs Seiner Majestät des Man soll Zustände wie die unsers Aufenthalts in und um Sevran nicht Diu Tage von Lhampigny und villiers dein Offizierkorps wie bei der Mannschaft genoß, war eine wohltuende Flamme, Die Zeit, die man nicht auf Vorposten oder sonst im Dienste verbrachte, Am 28. September hatten wir die Ehre des Besuchs Seiner Majestät des Man soll Zustände wie die unsers Aufenthalts in und um Sevran nicht <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0440" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/296451"/> <fw type="header" place="top"> Diu Tage von Lhampigny und villiers</fw><lb/> <p xml:id="ID_2379" prev="#ID_2378"> dein Offizierkorps wie bei der Mannschaft genoß, war eine wohltuende Flamme,<lb/> deren behagliche Wärme sich in dienstlichen wie in außerdienstlichen Beziehungen<lb/> geltend machte. Sie hatte auch die völlige Verschmelzung mit dem Regiment<lb/> für die Reserveleutnants und die Vizefeldwebel bewirkt, die besonders reichlich<lb/> vertreten waren, da uns dieses außerordentlich wertvolle Material in der Uni¬<lb/> versitätsstadt Leipzig, wo wir bis 1869 in Garnison gelegen hatten, fröhlich<lb/> zugewachsen war. Von den geringen Störungen abgesehen, die uns die Übnngs-<lb/> gefechtc der unter dem Vizeadmiral Saisset stehenden Truppen von Zeit zu<lb/> Zeit verursachten, konnte keine Kantoniernug behaglicher und ausruhender sein.</p><lb/> <p xml:id="ID_2380"> Die Zeit, die man nicht auf Vorposten oder sonst im Dienste verbrachte,<lb/> verwandte man, wenn man einen Gaul hatte, zu Nckognoszierungsritten in den<lb/> Nachbarrayons, auf denen man bei der sich im Westen anschließenden Garde<lb/> oder bei der bis an die Marne ausgedehnten vierundzwanzigsten Division immer<lb/> von neuem auf Verwandte und alte Bekannte stieß. Bücher gab es, Gott sei<lb/> Dank, wenig: I^g, onisinisrs als 1z <zkunpg,Z'us se als Il>, viI1<z von Audot war<lb/> das einzige „wissenschaftliche" Werk, das ich in einem verlassenen Wandschrank<lb/> aufgetrieben hatte. Ich glaube, die Abwesenheit der Schmöker but wesentlich<lb/> dazu beigetragen, die in und um Sevran verlebten Wochen in meiner Erinnerung<lb/> als die schönste Schlaraffenzcit meines Lebens mit üppigsten Farben zu schmücken.<lb/> Der Oberst — das darf ich nicht unerwähnt lassen, weil es bezeichnend ist —<lb/> studierte neben andern ernsten Büchern das Militärstrafgesetzbuch, und zwar, wie<lb/> ich fest überzeugt bin, in der einzigen Absicht, mit Hilfe seiner Gelehrsamkeit<lb/> dem Auditeur gerüstet entgegentreten und seinen Schützen, wenn sie herein-<lb/> getumpelt waren, durch einen klug ersonnenen Kniff aus der Patsche helfen<lb/> zu können.</p><lb/> <p xml:id="ID_2381"> Am 28. September hatten wir die Ehre des Besuchs Seiner Majestät des<lb/> Königs, der, von Ferneres kommend, in Sevran den Zug verließ und sich nach<lb/> einem in unserm Regimentsstabsquartier eingcnommnen Frühstück zur Besichtigung<lb/> des nordöstlichen Teils der Zernierungslinie begab. Meine im Erdgeschoß des<lb/> vom Obersten und vom Regimentsstab bewohnten großen Landhauses liegende<lb/> Höhle wurde für den hohen Herrn als Toilettenzimmer bestimmt, und er nahm<lb/> in unserm Eßzimmer mit einem zahlreichen Gefolge ein Mahl ein, dem, wie ich<lb/> bezeugen kann, Herr Unger, der „Negimentsstabstoch," die Wichtigkeit, die es<lb/> verdiente, vollauf angedeihen ließ, ohne jedoch meine oui»iniörv als cAmpug'ne;<lb/> ot as la vitis zu Rate ziehn zu Wollen.</p><lb/> <p xml:id="ID_2382"> Man soll Zustände wie die unsers Aufenthalts in und um Sevran nicht<lb/> idealisieren wollen. Es wurde zweimal am Tage, beim Mittags- und beim<lb/> Abendessen, ziemlich viel Rotwein getrunken, ein Pianino mit einer Kurbelvor¬<lb/> richtung, durch die es sich in einen Leierkasten verwandelte, wurde, sobald der<lb/> Oberst die Tafel aufgehoben hatte, von willigen Händen „gedreht," damit man<lb/> tanzen konnte, und daß die asketischen Lebensgewohnheiten, denen man die Siege<lb/> der Spartaner zugeschrieben hat, noch nicht bei uns eingebürgert waren, be¬<lb/> wiesen, so oft wir uns auf unsre Villeggicitur nach Villepinte zurückzogen, mit<lb/> dem sonderbarsten Hausrat beladne Wagen, die uns wiederum folgten oder vvr-<lb/> auffuhren, wenn wir in die vorderste Zernierungsliuie zurückkehrten.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0440]
Diu Tage von Lhampigny und villiers
dein Offizierkorps wie bei der Mannschaft genoß, war eine wohltuende Flamme,
deren behagliche Wärme sich in dienstlichen wie in außerdienstlichen Beziehungen
geltend machte. Sie hatte auch die völlige Verschmelzung mit dem Regiment
für die Reserveleutnants und die Vizefeldwebel bewirkt, die besonders reichlich
vertreten waren, da uns dieses außerordentlich wertvolle Material in der Uni¬
versitätsstadt Leipzig, wo wir bis 1869 in Garnison gelegen hatten, fröhlich
zugewachsen war. Von den geringen Störungen abgesehen, die uns die Übnngs-
gefechtc der unter dem Vizeadmiral Saisset stehenden Truppen von Zeit zu
Zeit verursachten, konnte keine Kantoniernug behaglicher und ausruhender sein.
Die Zeit, die man nicht auf Vorposten oder sonst im Dienste verbrachte,
verwandte man, wenn man einen Gaul hatte, zu Nckognoszierungsritten in den
Nachbarrayons, auf denen man bei der sich im Westen anschließenden Garde
oder bei der bis an die Marne ausgedehnten vierundzwanzigsten Division immer
von neuem auf Verwandte und alte Bekannte stieß. Bücher gab es, Gott sei
Dank, wenig: I^g, onisinisrs als 1z <zkunpg,Z'us se als Il>, viI1<z von Audot war
das einzige „wissenschaftliche" Werk, das ich in einem verlassenen Wandschrank
aufgetrieben hatte. Ich glaube, die Abwesenheit der Schmöker but wesentlich
dazu beigetragen, die in und um Sevran verlebten Wochen in meiner Erinnerung
als die schönste Schlaraffenzcit meines Lebens mit üppigsten Farben zu schmücken.
Der Oberst — das darf ich nicht unerwähnt lassen, weil es bezeichnend ist —
studierte neben andern ernsten Büchern das Militärstrafgesetzbuch, und zwar, wie
ich fest überzeugt bin, in der einzigen Absicht, mit Hilfe seiner Gelehrsamkeit
dem Auditeur gerüstet entgegentreten und seinen Schützen, wenn sie herein-
getumpelt waren, durch einen klug ersonnenen Kniff aus der Patsche helfen
zu können.
Am 28. September hatten wir die Ehre des Besuchs Seiner Majestät des
Königs, der, von Ferneres kommend, in Sevran den Zug verließ und sich nach
einem in unserm Regimentsstabsquartier eingcnommnen Frühstück zur Besichtigung
des nordöstlichen Teils der Zernierungslinie begab. Meine im Erdgeschoß des
vom Obersten und vom Regimentsstab bewohnten großen Landhauses liegende
Höhle wurde für den hohen Herrn als Toilettenzimmer bestimmt, und er nahm
in unserm Eßzimmer mit einem zahlreichen Gefolge ein Mahl ein, dem, wie ich
bezeugen kann, Herr Unger, der „Negimentsstabstoch," die Wichtigkeit, die es
verdiente, vollauf angedeihen ließ, ohne jedoch meine oui»iniörv als cAmpug'ne;
ot as la vitis zu Rate ziehn zu Wollen.
Man soll Zustände wie die unsers Aufenthalts in und um Sevran nicht
idealisieren wollen. Es wurde zweimal am Tage, beim Mittags- und beim
Abendessen, ziemlich viel Rotwein getrunken, ein Pianino mit einer Kurbelvor¬
richtung, durch die es sich in einen Leierkasten verwandelte, wurde, sobald der
Oberst die Tafel aufgehoben hatte, von willigen Händen „gedreht," damit man
tanzen konnte, und daß die asketischen Lebensgewohnheiten, denen man die Siege
der Spartaner zugeschrieben hat, noch nicht bei uns eingebürgert waren, be¬
wiesen, so oft wir uns auf unsre Villeggicitur nach Villepinte zurückzogen, mit
dem sonderbarsten Hausrat beladne Wagen, die uns wiederum folgten oder vvr-
auffuhren, wenn wir in die vorderste Zernierungsliuie zurückkehrten.
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