Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr.Nach der !)nhuersttcho brach, würde wohl iwch eine gute Stunde vergeh", und bis dahin konnte ich längst Die Beckwitzer Windmühle, die ihre Flügel wie ein paar gespenstige Arme Die Schwüle und die Müdigkeit machten sich immer stärker bei mir geltend, Die Aussicht auf eine Viertelstunde Rast gab mir neue Kraft, und nach wenig Das Gewitter kam näher und näher, war aber, nach dem rollenden Donner Nach der !)nhuersttcho brach, würde wohl iwch eine gute Stunde vergeh«, und bis dahin konnte ich längst Die Beckwitzer Windmühle, die ihre Flügel wie ein paar gespenstige Arme Die Schwüle und die Müdigkeit machten sich immer stärker bei mir geltend, Die Aussicht auf eine Viertelstunde Rast gab mir neue Kraft, und nach wenig Das Gewitter kam näher und näher, war aber, nach dem rollenden Donner <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0392" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/296403"/> <fw type="header" place="top"> Nach der !)nhuersttcho</fw><lb/> <p xml:id="ID_2223" prev="#ID_2222"> brach, würde wohl iwch eine gute Stunde vergeh«, und bis dahin konnte ich längst<lb/> in Torgau sein. Ich beschleunigte meinen Schritt und richtete den Blick auf die<lb/> drohende Wolkenschicht, deren Ränder fast ununterbrochen vom zitternden Wider¬<lb/> schein ferner Blitze durchleuchtet wurden.</p><lb/> <p xml:id="ID_2224"> Die Beckwitzer Windmühle, die ihre Flügel wie ein paar gespenstige Arme<lb/> zum Himmel aufreckte, lag schon hinter mir, und links, jenseits der Feldmark,<lb/> glühte am Waldrande ein kleines rötliches Licht, das ich anfangs nicht zu deuten<lb/> wußte, bis mir einfiel, daß in dieser Richtung das „Waldschlößchen," eine einsame<lb/> Schenke, wo wir uns am Morgen während der Jagd mit einem Glase Grätzer<lb/> Bier erquickt hatten, liegen müsse. Bald erlosch das Licht wieder, und so ziemlich<lb/> in demselben Augenblicke verbarg sich auch der Mond hinter einer Wolke, die sich<lb/> mit überraschender Schnelligkeit aus dem Nebeldünste am östlichen Horizont ge¬<lb/> bildet hatte und nun wie eine lange schmale Bank über den Bennewitzer Teichen<lb/> lag. Auch über meinem Haupte hatte sich der Himmel bezogen, und die verein¬<lb/> zelten Sterne, die ich an den wenigen noch unbewölkter Stellen wahrnehmen konnte,<lb/> leuchteten mit einem fahlen, verschleierten Licht und verschwanden einer nach dem<lb/> andern. Zum Überfluß begannen jetzt auch schon einzelne schwere, lauwarme<lb/> Tropfen zu fallen, die mir wie Erbsen auf den entblößten Kopf schlugen und ihn<lb/> zersprühend netzten, ohne ihn jedoch zu kühlen.</p><lb/> <p xml:id="ID_2225"> Die Schwüle und die Müdigkeit machten sich immer stärker bei mir geltend,<lb/> der Rucksack drückte, die Hühner, die ich an den Schlingen des Gürtels trug,<lb/> legten sich wie ein Bleigewicht gegen den linken Schenkel, der Drilling lastete<lb/> immer schwerer auf meiner rechten Schulter, und die brennenden Füße stolperten<lb/> auf der glatten Chaussee über jedes Steinchen. In Schweiß gebadet, blieb ich stehn,<lb/> lehnte mich an einen Chausseebaum und rang nach Luft. Da bemerkte ich, daß der<lb/> Loßwiger Wald, dessen östlichen Zipfel die Landstraße durchschneidet, schon dicht vor<lb/> mir war. Ich sah auf die Uhr und erkannte zu meiner Freude, daß ich Zeit genug<lb/> hatte, mir einige Augenblicke des Verschnanfens zu gönnen. Im Kieferndickicht<lb/> war ich vor dem nun immer stärker fallenden Regen geschützt, es galt also, mög¬<lb/> lichst schnell eine geeignete Deckung aufzusuchen und das Ende des Gusses, der ja<lb/> wohl nicht lange anhalten würde, abzuwarten.</p><lb/> <p xml:id="ID_2226"> Die Aussicht auf eine Viertelstunde Rast gab mir neue Kraft, und nach wenig<lb/> Minuten sprang ich in den Straßengraben hinein und kletterte an der sandigen<lb/> Böschung auf der andern Seite empor. Hier unter den dichten Kieferkronen war<lb/> vom Regen zunächst noch nichts zu spüren; die von der Hitze der letzten Tage<lb/> ausgedörrten Nadelbüschel schienen das Wasser wie Schwämme aufzusaugen. Ich<lb/> suchte mir ein Plätzchen unter einem besonders großen Baume, setzte mich auf eine<lb/> starke Wurzel, die wie eine Riesenschlange über den sandigen Grund dahinkroch,<lb/> legte Gewehr und Rucksack neben mich, warf meinen Lodenmantel um und lehnte<lb/> mich mit dem Rücken gegen den Kiefernstamm.</p><lb/> <p xml:id="ID_2227" next="#ID_2228"> Das Gewitter kam näher und näher, war aber, nach dem rollenden Donner<lb/> zu schließen, immerhin noch in so weiter Ferne, daß ich mir wegen des etwas<lb/> leichtsinnig gewählten Unterschlupfs einstweilen keine Gedanken zu machen brauchte.<lb/> Ich fühlte mich zunächst ganz behaglich, überdachte die Erlebnisse des Tages und<lb/> beobachtete die prächtigen Beleuchtungseffekte, die jeder Blitz im Walde hervorrief.<lb/> Für kurze Augenblicke war alles um mich her taghell, der Horizont schien in<lb/> Flammen zu stehn, und die knorrigen Stämme warfen pechschwarze Schatten auf<lb/> den blendendweißen Sandboden. Ich bin sonst kein besondrer Freund des Kiefern¬<lb/> waldes, wie er hier in der ganzen Gegend dominiert, aber in dieser Stunde er¬<lb/> schien er mir in seiner düstern Majestät wie ein geheimnisvoller Zauberhain, worin<lb/> böse Dämone ihr Spiel treiben, oder eine von den aufgeklärten Menschen längst<lb/> abgetane Gottheit ihre letzte Zuflucht genommen hat. Die knorrigen Äste, die sich<lb/> jetzt, wo plötzlich ein Sturmwind losbrach, hoben und senkten, glichen langen ver¬<lb/> zerrten Armen, und in dem Rauschen und Pfeifen der Kronen glaubte ich Stimmen-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0392]
Nach der !)nhuersttcho
brach, würde wohl iwch eine gute Stunde vergeh«, und bis dahin konnte ich längst
in Torgau sein. Ich beschleunigte meinen Schritt und richtete den Blick auf die
drohende Wolkenschicht, deren Ränder fast ununterbrochen vom zitternden Wider¬
schein ferner Blitze durchleuchtet wurden.
Die Beckwitzer Windmühle, die ihre Flügel wie ein paar gespenstige Arme
zum Himmel aufreckte, lag schon hinter mir, und links, jenseits der Feldmark,
glühte am Waldrande ein kleines rötliches Licht, das ich anfangs nicht zu deuten
wußte, bis mir einfiel, daß in dieser Richtung das „Waldschlößchen," eine einsame
Schenke, wo wir uns am Morgen während der Jagd mit einem Glase Grätzer
Bier erquickt hatten, liegen müsse. Bald erlosch das Licht wieder, und so ziemlich
in demselben Augenblicke verbarg sich auch der Mond hinter einer Wolke, die sich
mit überraschender Schnelligkeit aus dem Nebeldünste am östlichen Horizont ge¬
bildet hatte und nun wie eine lange schmale Bank über den Bennewitzer Teichen
lag. Auch über meinem Haupte hatte sich der Himmel bezogen, und die verein¬
zelten Sterne, die ich an den wenigen noch unbewölkter Stellen wahrnehmen konnte,
leuchteten mit einem fahlen, verschleierten Licht und verschwanden einer nach dem
andern. Zum Überfluß begannen jetzt auch schon einzelne schwere, lauwarme
Tropfen zu fallen, die mir wie Erbsen auf den entblößten Kopf schlugen und ihn
zersprühend netzten, ohne ihn jedoch zu kühlen.
Die Schwüle und die Müdigkeit machten sich immer stärker bei mir geltend,
der Rucksack drückte, die Hühner, die ich an den Schlingen des Gürtels trug,
legten sich wie ein Bleigewicht gegen den linken Schenkel, der Drilling lastete
immer schwerer auf meiner rechten Schulter, und die brennenden Füße stolperten
auf der glatten Chaussee über jedes Steinchen. In Schweiß gebadet, blieb ich stehn,
lehnte mich an einen Chausseebaum und rang nach Luft. Da bemerkte ich, daß der
Loßwiger Wald, dessen östlichen Zipfel die Landstraße durchschneidet, schon dicht vor
mir war. Ich sah auf die Uhr und erkannte zu meiner Freude, daß ich Zeit genug
hatte, mir einige Augenblicke des Verschnanfens zu gönnen. Im Kieferndickicht
war ich vor dem nun immer stärker fallenden Regen geschützt, es galt also, mög¬
lichst schnell eine geeignete Deckung aufzusuchen und das Ende des Gusses, der ja
wohl nicht lange anhalten würde, abzuwarten.
Die Aussicht auf eine Viertelstunde Rast gab mir neue Kraft, und nach wenig
Minuten sprang ich in den Straßengraben hinein und kletterte an der sandigen
Böschung auf der andern Seite empor. Hier unter den dichten Kieferkronen war
vom Regen zunächst noch nichts zu spüren; die von der Hitze der letzten Tage
ausgedörrten Nadelbüschel schienen das Wasser wie Schwämme aufzusaugen. Ich
suchte mir ein Plätzchen unter einem besonders großen Baume, setzte mich auf eine
starke Wurzel, die wie eine Riesenschlange über den sandigen Grund dahinkroch,
legte Gewehr und Rucksack neben mich, warf meinen Lodenmantel um und lehnte
mich mit dem Rücken gegen den Kiefernstamm.
Das Gewitter kam näher und näher, war aber, nach dem rollenden Donner
zu schließen, immerhin noch in so weiter Ferne, daß ich mir wegen des etwas
leichtsinnig gewählten Unterschlupfs einstweilen keine Gedanken zu machen brauchte.
Ich fühlte mich zunächst ganz behaglich, überdachte die Erlebnisse des Tages und
beobachtete die prächtigen Beleuchtungseffekte, die jeder Blitz im Walde hervorrief.
Für kurze Augenblicke war alles um mich her taghell, der Horizont schien in
Flammen zu stehn, und die knorrigen Stämme warfen pechschwarze Schatten auf
den blendendweißen Sandboden. Ich bin sonst kein besondrer Freund des Kiefern¬
waldes, wie er hier in der ganzen Gegend dominiert, aber in dieser Stunde er¬
schien er mir in seiner düstern Majestät wie ein geheimnisvoller Zauberhain, worin
böse Dämone ihr Spiel treiben, oder eine von den aufgeklärten Menschen längst
abgetane Gottheit ihre letzte Zuflucht genommen hat. Die knorrigen Äste, die sich
jetzt, wo plötzlich ein Sturmwind losbrach, hoben und senkten, glichen langen ver¬
zerrten Armen, und in dem Rauschen und Pfeifen der Kronen glaubte ich Stimmen-
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