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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr.

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Dn Tage von Llzampiguy und villiers

man weggewünscht Hütte, die aber, da sie nun einmal vorhanden waren, den?
Feinde, der sich darin dauernd festgesetzt haben würde, nicht überlassen werden
konnten.

Hiervon abgesehen war den Truppen der mit der Zernierung von Paris
betrauten beiden Armeen, der dritten und der Maasarmee, ein glücklicheres
Los gefallen als ihren zu gleichem Zwecke vor Metz verwendeten Kameraden.
Verschieden waren ja freilich auch vor Paris, je nach der Örtlichkeit, die
Lasten und Gefahren des Vorpostendienstes, aber im großen und ganzen dürfte
die Erinnerung aller an die vor Paris verlebten Tage eine durchaus freund¬
liche sein.

Der zur Maasarmee und zum zwölftel? (königlich sächsischen) Armeekorps
gehörenden fünfundvierzigsten Infanteriebrigade zum Beispiel, die das östlich
der Forts Aubervilliers, Romainville und Noisy gelegne Gelände gegen ein
Vordringen des Feindes längs des Oureqkanals, über die Eisenbahnlinien nach
Straßburg und Soissons und auf den nach Mitry und etwas südlicher nach
Claye führenden Heerstraßen zu sichern hatte, war keine besonders schwere
Aufgabe zugefallen, auch über die Quartier- und Lebensverhültnisse konnte
man, wenn man dem Umstände Rechnung trug, daß fast die gesamte Be¬
völkerung samt Vieh und fahrender Habe die Umgegend von Paris verlassen
und sich in die Eneeinte der befestigten Hauptstadt zurückgezogen hatte, billiger¬
weise nicht klagen, da das Wetter schön, der Boden trocken, an Gelegenheit
für leidliche Unterkunft kein Mangel, und die Verpflegung für Kriegsver¬
hältnisse durchaus ausreichend war. Deu uns gegenüberliegenden Abschnitt
befehligte der Vizeadmiral Saissct, der, auf Mcirinetrnppen gestützt, sich passagere
Tcrrainbefestigungsaulaa.er angelegen sein ließ und für die Ausbildung der
unter seineu Befehlen stehenden, nicht immer gelobten Mobilgarden sein Mög¬
lichstes tat. Da die Stadtteile, die er zunächst zu schützen hatte, Belleville
und La Billette waren, so war die Bevölkerung, mit der er es zu tun hatte,
mehr als gemischt, und es mag ihm mitunter über die Schwefelbande blümerant
vor den Augen geworden sein. Aber soweit wir uus einen Einblick verschaffen
konnte", herrschte unter ihm reger, regelmüßiger Dienstbetrieb. Nur in den
Früh- und den Mittagsstunden überschwemmten Horden von Gemüsesuchenden
die Felder, und viele von ihnen waren so dreist, daß sie bis ganz dicht an
unsre Posten herankamen und sich mit ihnen in ein Gespräch einzulassen
suchten. Ein "Spinat," bei dem es, wenn sie nicht von ungefähr an Frei¬
willige kamen, die "französisch konnten," natürlich meist beim vollendeten
Versuche blieb. Der Befehl lautete freilich, man solle sie schon auf eine ge¬
wisse Entfernung anrufen, und wenn sie nicht gutwillig steh" blieben und
Kehrt machten, solle mau auf sie schießen, aber dazu ist es meines Wissens
nie gekommen, und der Befehl war wohl auch mir in dem Sinne gemeint,
daß man zu diesem äußersten Mittel Hütte greifen sollen, wenn einmal die
Scharen so zahlreich gewesen wären, daß man sich ihrer nicht anders als in
so drastischer Weise hätte erwehren können. Ich glaube eher, daß sich bei der
großen Gutmütigkeit unsrer Leute im Laufe der Zeit allerhand Beziehungen
angeknüpft hatten, die -- Gott weiß, wie man sich verständigte -- durch-


Dn Tage von Llzampiguy und villiers

man weggewünscht Hütte, die aber, da sie nun einmal vorhanden waren, den?
Feinde, der sich darin dauernd festgesetzt haben würde, nicht überlassen werden
konnten.

Hiervon abgesehen war den Truppen der mit der Zernierung von Paris
betrauten beiden Armeen, der dritten und der Maasarmee, ein glücklicheres
Los gefallen als ihren zu gleichem Zwecke vor Metz verwendeten Kameraden.
Verschieden waren ja freilich auch vor Paris, je nach der Örtlichkeit, die
Lasten und Gefahren des Vorpostendienstes, aber im großen und ganzen dürfte
die Erinnerung aller an die vor Paris verlebten Tage eine durchaus freund¬
liche sein.

Der zur Maasarmee und zum zwölftel? (königlich sächsischen) Armeekorps
gehörenden fünfundvierzigsten Infanteriebrigade zum Beispiel, die das östlich
der Forts Aubervilliers, Romainville und Noisy gelegne Gelände gegen ein
Vordringen des Feindes längs des Oureqkanals, über die Eisenbahnlinien nach
Straßburg und Soissons und auf den nach Mitry und etwas südlicher nach
Claye führenden Heerstraßen zu sichern hatte, war keine besonders schwere
Aufgabe zugefallen, auch über die Quartier- und Lebensverhültnisse konnte
man, wenn man dem Umstände Rechnung trug, daß fast die gesamte Be¬
völkerung samt Vieh und fahrender Habe die Umgegend von Paris verlassen
und sich in die Eneeinte der befestigten Hauptstadt zurückgezogen hatte, billiger¬
weise nicht klagen, da das Wetter schön, der Boden trocken, an Gelegenheit
für leidliche Unterkunft kein Mangel, und die Verpflegung für Kriegsver¬
hältnisse durchaus ausreichend war. Deu uns gegenüberliegenden Abschnitt
befehligte der Vizeadmiral Saissct, der, auf Mcirinetrnppen gestützt, sich passagere
Tcrrainbefestigungsaulaa.er angelegen sein ließ und für die Ausbildung der
unter seineu Befehlen stehenden, nicht immer gelobten Mobilgarden sein Mög¬
lichstes tat. Da die Stadtteile, die er zunächst zu schützen hatte, Belleville
und La Billette waren, so war die Bevölkerung, mit der er es zu tun hatte,
mehr als gemischt, und es mag ihm mitunter über die Schwefelbande blümerant
vor den Augen geworden sein. Aber soweit wir uus einen Einblick verschaffen
konnte», herrschte unter ihm reger, regelmüßiger Dienstbetrieb. Nur in den
Früh- und den Mittagsstunden überschwemmten Horden von Gemüsesuchenden
die Felder, und viele von ihnen waren so dreist, daß sie bis ganz dicht an
unsre Posten herankamen und sich mit ihnen in ein Gespräch einzulassen
suchten. Ein „Spinat," bei dem es, wenn sie nicht von ungefähr an Frei¬
willige kamen, die „französisch konnten," natürlich meist beim vollendeten
Versuche blieb. Der Befehl lautete freilich, man solle sie schon auf eine ge¬
wisse Entfernung anrufen, und wenn sie nicht gutwillig steh» blieben und
Kehrt machten, solle mau auf sie schießen, aber dazu ist es meines Wissens
nie gekommen, und der Befehl war wohl auch mir in dem Sinne gemeint,
daß man zu diesem äußersten Mittel Hütte greifen sollen, wenn einmal die
Scharen so zahlreich gewesen wären, daß man sich ihrer nicht anders als in
so drastischer Weise hätte erwehren können. Ich glaube eher, daß sich bei der
großen Gutmütigkeit unsrer Leute im Laufe der Zeit allerhand Beziehungen
angeknüpft hatten, die — Gott weiß, wie man sich verständigte — durch-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296010/382>, abgerufen am 15.01.2025.