Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr.Die russische Volksvertretung Reichsrath angegliedert werden soll. Darauf deutet schon die Bestimmung Der Präsident, der Vizepräsident und das Bureau des Hauses werden Die Duma ist beschlußfähig, wenn mindestens ein Drittel der Abgeordneten, Die Sitzungen des Plenums der Duma sind im allgemeinen dem Publikum Mit Hilfe einer solchen Bestimmung hat sich die Regierung eine geradezu Die russische Volksvertretung Reichsrath angegliedert werden soll. Darauf deutet schon die Bestimmung Der Präsident, der Vizepräsident und das Bureau des Hauses werden Die Duma ist beschlußfähig, wenn mindestens ein Drittel der Abgeordneten, Die Sitzungen des Plenums der Duma sind im allgemeinen dem Publikum Mit Hilfe einer solchen Bestimmung hat sich die Regierung eine geradezu <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0361" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/296372"/> <fw type="header" place="top"> Die russische Volksvertretung</fw><lb/> <p xml:id="ID_2117" prev="#ID_2116"> Reichsrath angegliedert werden soll. Darauf deutet schon die Bestimmung<lb/> (Paragraph 6) hin, wonach sie (analog den vier Departements des Reichsrath)<lb/> mindestens vier, höchstens acht Sektionen bilden soll, die sich je aus wenigstens<lb/> zwanzig Abgeordneten zusammenzusetzen haben. Welche Tätigkeit den „Sektionen"<lb/> zugedacht ist, läßt sich aus dem Gesetz nicht ersehen.</p><lb/> <p xml:id="ID_2118"> Der Präsident, der Vizepräsident und das Bureau des Hauses werden<lb/> von den Abgeordneten aus ihrer Mitte für die Dauer eines Jahres gewählt;<lb/> ebenso die Präsidenten und die Bureaus der einzelnen Sektionen. Einer aller¬<lb/> höchsten Bestätigung bedürfen die Wahlen nicht, obwohl Paragraph 10 dem<lb/> Reichsdumaprüsidenten das Recht des persönlichen Vortrags beim Zaren ein¬<lb/> räumt. Die unabhängige Stellung des Bureaus von der Exekutivgewalt ist<lb/> ein prinzipieller Fortschritt in der liberalen Richtung und von großer Be¬<lb/> deutung für die ganze Stellung der Duma. Die Leitung des Geschäftsbetriebs<lb/> der Duma steht unter einem Ausschuß, der sich zusammensetzt aus dem Duma-<lb/> Präsidenten, einem Vizepräsidenten, einem Sektionsprüsidenten und zwei Schrift¬<lb/> führern der Duma.</p><lb/> <p xml:id="ID_2119"> Die Duma ist beschlußfähig, wenn mindestens ein Drittel der Abgeordneten,<lb/> die Sektionen sind es, wenn mindestens die Hälfte ihrer Mitglieder an¬<lb/> wesend sind.</p><lb/> <p xml:id="ID_2120"> Die Sitzungen des Plenums der Duma sind im allgemeinen dem Publikum<lb/> nicht zugänglich; doch hat der Neichsdumapräsident das Recht, von jedem<lb/> Preßorgan höchstens einen Vertreter zuzulassen. Nach Paragraph 43 genügt<lb/> es, daß ein Regierungsvertreter die zur Beratung stehende Angelegenheit als<lb/> ein „Staatsgeheimnis" charakterisiert, um den Ausschluß der Öffentlichkeit zu<lb/> bewirken. Gegen den Willen der Regierung kann somit keine Sitzung in<lb/> Gegenwart von Vertretern der Presse stattfinden. Die Sitzungsprotokolle<lb/> dürfen nur, nachdem sie die Zensur des Dumaprüsidenten durchlaufen haben,<lb/> veröffentlicht werden. In den Geheimsitzungen verhandelte Angelegenheiten<lb/> stehn unter dem Schutz des Gesetzes über „Wahrung von Staatsgeheimnissen."<lb/> Hierdurch werden nicht nur die Abgeordneten schwer getroffen, sondern auch<lb/> die Vertreter der heimischen und der ausländischen Presse. Gesetzt den Fall,<lb/> der Eisenbahnminister soll wegen Unordnungen auf der Bahn Wilnci-Eydt-<lb/> kuhnen kritisiert werden. Er erklärt die Angelegenheit ohne jede Begründung<lb/> als Staatsgeheimnis.</p><lb/> <p xml:id="ID_2121" next="#ID_2122"> Mit Hilfe einer solchen Bestimmung hat sich die Regierung eine geradezu<lb/> unbeschränkte Gewalt nicht nur über die Abgeordneten vorbehalten, sondern<lb/> auch einen starken Einfluß auf die politischen Gespräche der Gesellschaft. Die<lb/> wichtigsten Fragen können als Staatsgeheimnis der Öffentlichkeit, d. h. nicht<lb/> nur der Presse, sondern auch der Besprechung in politischen Zirkeln entzogen<lb/> werden. Hierin liegt eine schwere Gefahr; denn entweder wird das politische<lb/> Leben ertötet, oder die Abgeordneten werden herausgefordert, Verbrechen zu<lb/> begehn, die eine Entfernung aus Amt und Würden zur Folge haben. Zwar<lb/> kann nach Paragraph 15 scheinbar kein Dumamitglied anders als durch richter¬<lb/> lichen Spruch seiner Freiheit oder seines Maubads beraubt werden — doch<lb/> sagt Paragraph 7 der allgemeinen Bestimmungen ausdrücklich: „Von der Aus-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0361]
Die russische Volksvertretung
Reichsrath angegliedert werden soll. Darauf deutet schon die Bestimmung
(Paragraph 6) hin, wonach sie (analog den vier Departements des Reichsrath)
mindestens vier, höchstens acht Sektionen bilden soll, die sich je aus wenigstens
zwanzig Abgeordneten zusammenzusetzen haben. Welche Tätigkeit den „Sektionen"
zugedacht ist, läßt sich aus dem Gesetz nicht ersehen.
Der Präsident, der Vizepräsident und das Bureau des Hauses werden
von den Abgeordneten aus ihrer Mitte für die Dauer eines Jahres gewählt;
ebenso die Präsidenten und die Bureaus der einzelnen Sektionen. Einer aller¬
höchsten Bestätigung bedürfen die Wahlen nicht, obwohl Paragraph 10 dem
Reichsdumaprüsidenten das Recht des persönlichen Vortrags beim Zaren ein¬
räumt. Die unabhängige Stellung des Bureaus von der Exekutivgewalt ist
ein prinzipieller Fortschritt in der liberalen Richtung und von großer Be¬
deutung für die ganze Stellung der Duma. Die Leitung des Geschäftsbetriebs
der Duma steht unter einem Ausschuß, der sich zusammensetzt aus dem Duma-
Präsidenten, einem Vizepräsidenten, einem Sektionsprüsidenten und zwei Schrift¬
führern der Duma.
Die Duma ist beschlußfähig, wenn mindestens ein Drittel der Abgeordneten,
die Sektionen sind es, wenn mindestens die Hälfte ihrer Mitglieder an¬
wesend sind.
Die Sitzungen des Plenums der Duma sind im allgemeinen dem Publikum
nicht zugänglich; doch hat der Neichsdumapräsident das Recht, von jedem
Preßorgan höchstens einen Vertreter zuzulassen. Nach Paragraph 43 genügt
es, daß ein Regierungsvertreter die zur Beratung stehende Angelegenheit als
ein „Staatsgeheimnis" charakterisiert, um den Ausschluß der Öffentlichkeit zu
bewirken. Gegen den Willen der Regierung kann somit keine Sitzung in
Gegenwart von Vertretern der Presse stattfinden. Die Sitzungsprotokolle
dürfen nur, nachdem sie die Zensur des Dumaprüsidenten durchlaufen haben,
veröffentlicht werden. In den Geheimsitzungen verhandelte Angelegenheiten
stehn unter dem Schutz des Gesetzes über „Wahrung von Staatsgeheimnissen."
Hierdurch werden nicht nur die Abgeordneten schwer getroffen, sondern auch
die Vertreter der heimischen und der ausländischen Presse. Gesetzt den Fall,
der Eisenbahnminister soll wegen Unordnungen auf der Bahn Wilnci-Eydt-
kuhnen kritisiert werden. Er erklärt die Angelegenheit ohne jede Begründung
als Staatsgeheimnis.
Mit Hilfe einer solchen Bestimmung hat sich die Regierung eine geradezu
unbeschränkte Gewalt nicht nur über die Abgeordneten vorbehalten, sondern
auch einen starken Einfluß auf die politischen Gespräche der Gesellschaft. Die
wichtigsten Fragen können als Staatsgeheimnis der Öffentlichkeit, d. h. nicht
nur der Presse, sondern auch der Besprechung in politischen Zirkeln entzogen
werden. Hierin liegt eine schwere Gefahr; denn entweder wird das politische
Leben ertötet, oder die Abgeordneten werden herausgefordert, Verbrechen zu
begehn, die eine Entfernung aus Amt und Würden zur Folge haben. Zwar
kann nach Paragraph 15 scheinbar kein Dumamitglied anders als durch richter¬
lichen Spruch seiner Freiheit oder seines Maubads beraubt werden — doch
sagt Paragraph 7 der allgemeinen Bestimmungen ausdrücklich: „Von der Aus-
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