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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

nicht suchte, sondern im Gegenteil bei allen Gelegenheiten, die sich boten, jedesmal
eine Deutschland feindliche Stellung nahm, Italien vom Dreibünde abwendig zu
machen suchte usw., so unterlag es keinem Zweifel, daß die französische Politik darauf
ausging, das ihm fehlende Rußland durch England zu ersetzen und die dortige
Deutschland feindliche Stimmung, die zu diesem Zweck von Tag zu Tag auf das
eifrigste geschürt wurde, zu einer Koalition gegen Deutschland auszunutzen.

Es gibt nun wohl kaum einen Minister des Auswärtigen in irgendeiner Gro߬
macht, der in der Berichterstattung aus dem Ausland einzig auf seine Botschafter
und Gesandte" angewiesen ist. In vielen Fällen ist die private Berichterstattung
neben der diplomatischen, wenn auch nicht die wichtigere, so doch die schnellere.
Höfische Familienbeziehungen, große Bankiers mit ihrem reich entwickelten Nachrichten¬
dienst, die über die militärischen Vorgänge in alleil Ländern sorgfältig unterrichtete
Firma Krupp, persönliche Beziehungen des Ministers im Auslande, Berichte der dort
in geeigneter Position lebenden Deutschen usw. bieten eine solche Fülle von Material,
daß es für einen Minister des Auswärtigen, der sein Geschäft versteht, fast schwerer
ist, nicht unterrichtet zu sein, als an Informationen hinter dem eignen Bedürfnis
oder hinter den andern Mächten zurückzustehn. Es ist bekannt, daß der jetzige
Reichskanzler aus seiner Botschafterzeit in Italien dort eine große Reihe persönliche
Beziehungen hat, die für ihn recht wertvoll sind. Außerdem hat Deutschland
in der italienischen politischen Welt immerhin eine nicht geringe Zahl wirklicher
Freunde. Kommt hierzu noch eine sorgfältige Beobachtung sowohl der französischen
wie der republikanisch italienischen Presse, die insgesamt nach Frankreich gravitiert,
der französischen Diplomatie in Rom, so war das mehr als genügend, den Leiter
der deutschen Politik sehr bald, sicherlich in den allerersten Stadien, von der
Schwenkung zu unterrichten, die sich in Italien zugunsten einer Annäherung an
Frankreich zu vollziehen begann. Von einer Überraschung, wie sie auch in dieser
Hinsicht von einigen Blättern behauptet wird, konnte somit gar keine Rede sein,
so wenig wie bei den marokkanischen Händeln. Deutschland hatte seit Jahren
mit der scherifischen Regierung allerlei Beschwerden ins reine zu bringen, die
die Beraubung oder die Ermordung deutscher Untertanen zum Gegenstand hatten.
Schon diese Tatsache allein nötigte zu einer sorgfältigern Beobachtung der Vor¬
gänge in Marokko selbst. Dazu kam eine gewisse Bewegung in Deutschland, die
sich zugunsten einer stärkern Bethätigung des Reichs in Marokko geltend machte.
Vor allen Dingen wußte sich aber ein Staatsmann wie Fürst Bülow, nachdem er
über den Aufmarsch der französischen Politik im klaren war, auch sehr bald über
die Basis zu orientieren, auf der die Annäherung Frankreichs an England zu er¬
warten war. Die Beantwortung dieser Frage ergab sich aus der nächstliegenden:
Wo stehn englische und französische Interesse" einander gegenüber, und welche
Kompensationen find für solche Interessengegensätze vorhanden? Entgegengesetzte
Interessen zwischen England und Frankreich lagen in der Hauptsache in Ägypten,
und es bedürfte keines Kopfzerbrechens, sich zu sagen, daß wenn Frankreich den
Engländern in Ägypten entgegenkam, das bei den Verhältnissen in Asien für Eng¬
land an Bedeutung nur gewann, die Kompensation für Frankreich notwendig am
Mittelmeer liegen müsse, da Frankreich die Stellung in Ägypten nicht aufgeben
könne, ohne ein Äquivalent an der Küste von Afrika empfangen zu haben. Dieses
Äquivalent konnte demnach nur Marokko sein.

Die deutsche Diplomatie kann so wenig wie irgendeine andre ihre Karten
jederzeit offen auf den Tisch legen. Man wolle sich erinnern, daß der große
historische Rückblick, den Bismarck im Jahre 1888 dem Reichstage gab. bis in die
Zeit des Krimkriegs zurückreichte und Enthüllungen aus dem Jahre 1863 brachte
über Dinge, über die von der preußischen und von der deutschen Seite mehr als ein
Vierteljahrhundert lang geschwiegen worden war. Nach fünfundzwanzig Jahren,
vielleicht auch etwas früher, wird es möglich sein, anch die Geheimgeschichte unsrer
jetzigen Politik der Nation und namentlich dem Historiker vorzulegen, und wer dann


Maßgebliches und Unmaßgebliches

nicht suchte, sondern im Gegenteil bei allen Gelegenheiten, die sich boten, jedesmal
eine Deutschland feindliche Stellung nahm, Italien vom Dreibünde abwendig zu
machen suchte usw., so unterlag es keinem Zweifel, daß die französische Politik darauf
ausging, das ihm fehlende Rußland durch England zu ersetzen und die dortige
Deutschland feindliche Stimmung, die zu diesem Zweck von Tag zu Tag auf das
eifrigste geschürt wurde, zu einer Koalition gegen Deutschland auszunutzen.

Es gibt nun wohl kaum einen Minister des Auswärtigen in irgendeiner Gro߬
macht, der in der Berichterstattung aus dem Ausland einzig auf seine Botschafter
und Gesandte» angewiesen ist. In vielen Fällen ist die private Berichterstattung
neben der diplomatischen, wenn auch nicht die wichtigere, so doch die schnellere.
Höfische Familienbeziehungen, große Bankiers mit ihrem reich entwickelten Nachrichten¬
dienst, die über die militärischen Vorgänge in alleil Ländern sorgfältig unterrichtete
Firma Krupp, persönliche Beziehungen des Ministers im Auslande, Berichte der dort
in geeigneter Position lebenden Deutschen usw. bieten eine solche Fülle von Material,
daß es für einen Minister des Auswärtigen, der sein Geschäft versteht, fast schwerer
ist, nicht unterrichtet zu sein, als an Informationen hinter dem eignen Bedürfnis
oder hinter den andern Mächten zurückzustehn. Es ist bekannt, daß der jetzige
Reichskanzler aus seiner Botschafterzeit in Italien dort eine große Reihe persönliche
Beziehungen hat, die für ihn recht wertvoll sind. Außerdem hat Deutschland
in der italienischen politischen Welt immerhin eine nicht geringe Zahl wirklicher
Freunde. Kommt hierzu noch eine sorgfältige Beobachtung sowohl der französischen
wie der republikanisch italienischen Presse, die insgesamt nach Frankreich gravitiert,
der französischen Diplomatie in Rom, so war das mehr als genügend, den Leiter
der deutschen Politik sehr bald, sicherlich in den allerersten Stadien, von der
Schwenkung zu unterrichten, die sich in Italien zugunsten einer Annäherung an
Frankreich zu vollziehen begann. Von einer Überraschung, wie sie auch in dieser
Hinsicht von einigen Blättern behauptet wird, konnte somit gar keine Rede sein,
so wenig wie bei den marokkanischen Händeln. Deutschland hatte seit Jahren
mit der scherifischen Regierung allerlei Beschwerden ins reine zu bringen, die
die Beraubung oder die Ermordung deutscher Untertanen zum Gegenstand hatten.
Schon diese Tatsache allein nötigte zu einer sorgfältigern Beobachtung der Vor¬
gänge in Marokko selbst. Dazu kam eine gewisse Bewegung in Deutschland, die
sich zugunsten einer stärkern Bethätigung des Reichs in Marokko geltend machte.
Vor allen Dingen wußte sich aber ein Staatsmann wie Fürst Bülow, nachdem er
über den Aufmarsch der französischen Politik im klaren war, auch sehr bald über
die Basis zu orientieren, auf der die Annäherung Frankreichs an England zu er¬
warten war. Die Beantwortung dieser Frage ergab sich aus der nächstliegenden:
Wo stehn englische und französische Interesse» einander gegenüber, und welche
Kompensationen find für solche Interessengegensätze vorhanden? Entgegengesetzte
Interessen zwischen England und Frankreich lagen in der Hauptsache in Ägypten,
und es bedürfte keines Kopfzerbrechens, sich zu sagen, daß wenn Frankreich den
Engländern in Ägypten entgegenkam, das bei den Verhältnissen in Asien für Eng¬
land an Bedeutung nur gewann, die Kompensation für Frankreich notwendig am
Mittelmeer liegen müsse, da Frankreich die Stellung in Ägypten nicht aufgeben
könne, ohne ein Äquivalent an der Küste von Afrika empfangen zu haben. Dieses
Äquivalent konnte demnach nur Marokko sein.

Die deutsche Diplomatie kann so wenig wie irgendeine andre ihre Karten
jederzeit offen auf den Tisch legen. Man wolle sich erinnern, daß der große
historische Rückblick, den Bismarck im Jahre 1888 dem Reichstage gab. bis in die
Zeit des Krimkriegs zurückreichte und Enthüllungen aus dem Jahre 1863 brachte
über Dinge, über die von der preußischen und von der deutschen Seite mehr als ein
Vierteljahrhundert lang geschwiegen worden war. Nach fünfundzwanzig Jahren,
vielleicht auch etwas früher, wird es möglich sein, anch die Geheimgeschichte unsrer
jetzigen Politik der Nation und namentlich dem Historiker vorzulegen, und wer dann


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[0345] Maßgebliches und Unmaßgebliches nicht suchte, sondern im Gegenteil bei allen Gelegenheiten, die sich boten, jedesmal eine Deutschland feindliche Stellung nahm, Italien vom Dreibünde abwendig zu machen suchte usw., so unterlag es keinem Zweifel, daß die französische Politik darauf ausging, das ihm fehlende Rußland durch England zu ersetzen und die dortige Deutschland feindliche Stimmung, die zu diesem Zweck von Tag zu Tag auf das eifrigste geschürt wurde, zu einer Koalition gegen Deutschland auszunutzen. Es gibt nun wohl kaum einen Minister des Auswärtigen in irgendeiner Gro߬ macht, der in der Berichterstattung aus dem Ausland einzig auf seine Botschafter und Gesandte» angewiesen ist. In vielen Fällen ist die private Berichterstattung neben der diplomatischen, wenn auch nicht die wichtigere, so doch die schnellere. Höfische Familienbeziehungen, große Bankiers mit ihrem reich entwickelten Nachrichten¬ dienst, die über die militärischen Vorgänge in alleil Ländern sorgfältig unterrichtete Firma Krupp, persönliche Beziehungen des Ministers im Auslande, Berichte der dort in geeigneter Position lebenden Deutschen usw. bieten eine solche Fülle von Material, daß es für einen Minister des Auswärtigen, der sein Geschäft versteht, fast schwerer ist, nicht unterrichtet zu sein, als an Informationen hinter dem eignen Bedürfnis oder hinter den andern Mächten zurückzustehn. Es ist bekannt, daß der jetzige Reichskanzler aus seiner Botschafterzeit in Italien dort eine große Reihe persönliche Beziehungen hat, die für ihn recht wertvoll sind. Außerdem hat Deutschland in der italienischen politischen Welt immerhin eine nicht geringe Zahl wirklicher Freunde. Kommt hierzu noch eine sorgfältige Beobachtung sowohl der französischen wie der republikanisch italienischen Presse, die insgesamt nach Frankreich gravitiert, der französischen Diplomatie in Rom, so war das mehr als genügend, den Leiter der deutschen Politik sehr bald, sicherlich in den allerersten Stadien, von der Schwenkung zu unterrichten, die sich in Italien zugunsten einer Annäherung an Frankreich zu vollziehen begann. Von einer Überraschung, wie sie auch in dieser Hinsicht von einigen Blättern behauptet wird, konnte somit gar keine Rede sein, so wenig wie bei den marokkanischen Händeln. Deutschland hatte seit Jahren mit der scherifischen Regierung allerlei Beschwerden ins reine zu bringen, die die Beraubung oder die Ermordung deutscher Untertanen zum Gegenstand hatten. Schon diese Tatsache allein nötigte zu einer sorgfältigern Beobachtung der Vor¬ gänge in Marokko selbst. Dazu kam eine gewisse Bewegung in Deutschland, die sich zugunsten einer stärkern Bethätigung des Reichs in Marokko geltend machte. Vor allen Dingen wußte sich aber ein Staatsmann wie Fürst Bülow, nachdem er über den Aufmarsch der französischen Politik im klaren war, auch sehr bald über die Basis zu orientieren, auf der die Annäherung Frankreichs an England zu er¬ warten war. Die Beantwortung dieser Frage ergab sich aus der nächstliegenden: Wo stehn englische und französische Interesse» einander gegenüber, und welche Kompensationen find für solche Interessengegensätze vorhanden? Entgegengesetzte Interessen zwischen England und Frankreich lagen in der Hauptsache in Ägypten, und es bedürfte keines Kopfzerbrechens, sich zu sagen, daß wenn Frankreich den Engländern in Ägypten entgegenkam, das bei den Verhältnissen in Asien für Eng¬ land an Bedeutung nur gewann, die Kompensation für Frankreich notwendig am Mittelmeer liegen müsse, da Frankreich die Stellung in Ägypten nicht aufgeben könne, ohne ein Äquivalent an der Küste von Afrika empfangen zu haben. Dieses Äquivalent konnte demnach nur Marokko sein. Die deutsche Diplomatie kann so wenig wie irgendeine andre ihre Karten jederzeit offen auf den Tisch legen. Man wolle sich erinnern, daß der große historische Rückblick, den Bismarck im Jahre 1888 dem Reichstage gab. bis in die Zeit des Krimkriegs zurückreichte und Enthüllungen aus dem Jahre 1863 brachte über Dinge, über die von der preußischen und von der deutschen Seite mehr als ein Vierteljahrhundert lang geschwiegen worden war. Nach fünfundzwanzig Jahren, vielleicht auch etwas früher, wird es möglich sein, anch die Geheimgeschichte unsrer jetzigen Politik der Nation und namentlich dem Historiker vorzulegen, und wer dann

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296010/345>, abgerufen am 15.01.2025.