Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr.Die russische Volksvertretung Wahlen teilnimmt, zurückzudrängen. Später wird gezeigt werden, wie die Die Provinzwähler sind die interessanteste Gruppe vou allen. Dies aus Die Urwähler dieser Kategorie sind einzuteilen in ländliche und in städtische. Die russische Volksvertretung Wahlen teilnimmt, zurückzudrängen. Später wird gezeigt werden, wie die Die Provinzwähler sind die interessanteste Gruppe vou allen. Dies aus Die Urwähler dieser Kategorie sind einzuteilen in ländliche und in städtische. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0310" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/296321"/> <fw type="header" place="top"> Die russische Volksvertretung</fw><lb/> <p xml:id="ID_1845" prev="#ID_1844"> Wahlen teilnimmt, zurückzudrängen. Später wird gezeigt werden, wie die<lb/> Verteilung der Wahlmänner auf die einzelnen Schichten wie auch die Be¬<lb/> messung des zur Wahl berechtigenden Areals für die verschiednen Nationali¬<lb/> täten verschieden gehalten werden soll. Hier sei nur darauf hingewiesen, wie<lb/> sich der Gesetzgeber die Industriearbeiter des Zentrums fernzuhalten sucht.<lb/> Man schlage das Verzeichnis der Gouvernements auf und vergleiche die Zahl<lb/> der bäuerlichen und der nichtbäuerlichen Wahlmänner in den drei industriellen<lb/> Gouvernements Wladimir, Kostromn und Jekaterinoslaw mit den landwirtschaft¬<lb/> lichen Kursk, Woronesh und Kasan. In den industriellen Gouvernements ver¬<lb/> halten sich die Zahle» der bäuerlichen Wahlmänner zu den nichtbäuerlichen<lb/> wie 26 zu 66, 29 zu 63 und 34 zu 101, in den landwirtschaftlichen dagegen<lb/> wie 78 zu 72, 101 zu 64 und 98 zu 41. Also auch der Industriearbeiter,<lb/> der die faktische Möglichkeit Hütte, an den Wahlen teilzunehmen, weil seine<lb/> Arbeitsstelle in der Nähe seines Dorfes liegt, wird nach Möglichkeit zurück¬<lb/> gedrängt. Ob mit Erfolg, ist eine andre Frage. Aus diesen kurzen Hinweisen<lb/> und unter Berücksichtigung der im Wahlgesetz für die Großstädte zum Ausdruck<lb/> gelangten Tendenz erhellt, daß der Gesetzgeber nicht willkürlich verfahren haben<lb/> kann, daß er vielmehr ganz planmüßig vorgegangen sein muß; aber wir erkennen<lb/> auch, daß er nicht darauf ciusgegcmgen ist, eine agrarische Vertretung zu schaffen,<lb/> sondern ein der Regierung gefügiges Werkzeug. Hierin liegt meines Ercichtens<lb/> sowohl die größte Gefahr wie die stärkste Gewähr für die Möglichkeit einer<lb/> friedlichen Wiedergeburt Rußlands. Zum Schluß soll dieser Gedanke noch<lb/> näher ausgeführt werden. Wenden wir uns jetzt den Provinzwählern zu.</p><lb/> <p xml:id="ID_1846"> Die Provinzwähler sind die interessanteste Gruppe vou allen. Dies aus<lb/> zwei Gründen: erstens lassen sich ihre Wahlen am schwersten durch die Macht¬<lb/> haber der Proviuzialregierung beeinflussen, wodurch deren Ergebnisse am wenigsten<lb/> voraus bestimmbar werden, und zweitens beruht auf dieser Gruppe die einzige<lb/> Hoffnung der fortschrittlichen Kreise der Gesellschaft, besonders der Sjemstwo.</p><lb/> <p xml:id="ID_1847" next="#ID_1848"> Die Urwähler dieser Kategorie sind einzuteilen in ländliche und in städtische.<lb/> Nach Paragraph 12 sind auf dem platten Lande wahlberechtigt: g.) Personen,<lb/> die über einen Landbesitz als Eigentümer oder lebenslängliche Nutznießer ver¬<lb/> fügen, dessen Miudestgröße für die einzelnen Kreise durch das Gesetz bestimmt ist;<lb/> d) Bergwcrksbesitzer; <;) Besitzer von Immobilien wie Villen, Sanatorien im<lb/> Werte von 15000 Rubel; ä) Bevollmächtigte von Kleinbesitzern, je einer von<lb/> zehn, deren Besitz ein Zehntel des für die Großgrundbesitzer vorgeschriebnen<lb/> Areals umfaßt; 6) Geistliche, die im Kreise Kirchenland verwalten. Ausge¬<lb/> schlossen von jeder politischen Beendigung ist somit auch hier der Teil der<lb/> Gesellschaft, der seit Einführung der Sjemstwo die größten Opfer an Eigentum<lb/> und persönlicher Freiheit für die Erreichung politischer Rechte gebracht hat:<lb/> das sogenannte „dritte Element." Darunter sind zunächst zu versteh» die<lb/> Dorfschullehrer, Feldscherer sowie die Mehrzahl des in den Sjemstwoverwal-<lb/> tnngen angestellten Personals. Wir fügen hinzu, daß die Fernhaltung dieser<lb/> Kreise von gesetzgeberischer Tätigkeit, einstweilen wenigstens, kein Unglück für<lb/> das russische Volk wäre. Hier herrscht die gefährliche Halbbildung vor, die<lb/> durch keinerlei ans dem materiellen Besitz hervorgehendes Verantwortung^</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0310]
Die russische Volksvertretung
Wahlen teilnimmt, zurückzudrängen. Später wird gezeigt werden, wie die
Verteilung der Wahlmänner auf die einzelnen Schichten wie auch die Be¬
messung des zur Wahl berechtigenden Areals für die verschiednen Nationali¬
täten verschieden gehalten werden soll. Hier sei nur darauf hingewiesen, wie
sich der Gesetzgeber die Industriearbeiter des Zentrums fernzuhalten sucht.
Man schlage das Verzeichnis der Gouvernements auf und vergleiche die Zahl
der bäuerlichen und der nichtbäuerlichen Wahlmänner in den drei industriellen
Gouvernements Wladimir, Kostromn und Jekaterinoslaw mit den landwirtschaft¬
lichen Kursk, Woronesh und Kasan. In den industriellen Gouvernements ver¬
halten sich die Zahle» der bäuerlichen Wahlmänner zu den nichtbäuerlichen
wie 26 zu 66, 29 zu 63 und 34 zu 101, in den landwirtschaftlichen dagegen
wie 78 zu 72, 101 zu 64 und 98 zu 41. Also auch der Industriearbeiter,
der die faktische Möglichkeit Hütte, an den Wahlen teilzunehmen, weil seine
Arbeitsstelle in der Nähe seines Dorfes liegt, wird nach Möglichkeit zurück¬
gedrängt. Ob mit Erfolg, ist eine andre Frage. Aus diesen kurzen Hinweisen
und unter Berücksichtigung der im Wahlgesetz für die Großstädte zum Ausdruck
gelangten Tendenz erhellt, daß der Gesetzgeber nicht willkürlich verfahren haben
kann, daß er vielmehr ganz planmüßig vorgegangen sein muß; aber wir erkennen
auch, daß er nicht darauf ciusgegcmgen ist, eine agrarische Vertretung zu schaffen,
sondern ein der Regierung gefügiges Werkzeug. Hierin liegt meines Ercichtens
sowohl die größte Gefahr wie die stärkste Gewähr für die Möglichkeit einer
friedlichen Wiedergeburt Rußlands. Zum Schluß soll dieser Gedanke noch
näher ausgeführt werden. Wenden wir uns jetzt den Provinzwählern zu.
Die Provinzwähler sind die interessanteste Gruppe vou allen. Dies aus
zwei Gründen: erstens lassen sich ihre Wahlen am schwersten durch die Macht¬
haber der Proviuzialregierung beeinflussen, wodurch deren Ergebnisse am wenigsten
voraus bestimmbar werden, und zweitens beruht auf dieser Gruppe die einzige
Hoffnung der fortschrittlichen Kreise der Gesellschaft, besonders der Sjemstwo.
Die Urwähler dieser Kategorie sind einzuteilen in ländliche und in städtische.
Nach Paragraph 12 sind auf dem platten Lande wahlberechtigt: g.) Personen,
die über einen Landbesitz als Eigentümer oder lebenslängliche Nutznießer ver¬
fügen, dessen Miudestgröße für die einzelnen Kreise durch das Gesetz bestimmt ist;
d) Bergwcrksbesitzer; <;) Besitzer von Immobilien wie Villen, Sanatorien im
Werte von 15000 Rubel; ä) Bevollmächtigte von Kleinbesitzern, je einer von
zehn, deren Besitz ein Zehntel des für die Großgrundbesitzer vorgeschriebnen
Areals umfaßt; 6) Geistliche, die im Kreise Kirchenland verwalten. Ausge¬
schlossen von jeder politischen Beendigung ist somit auch hier der Teil der
Gesellschaft, der seit Einführung der Sjemstwo die größten Opfer an Eigentum
und persönlicher Freiheit für die Erreichung politischer Rechte gebracht hat:
das sogenannte „dritte Element." Darunter sind zunächst zu versteh» die
Dorfschullehrer, Feldscherer sowie die Mehrzahl des in den Sjemstwoverwal-
tnngen angestellten Personals. Wir fügen hinzu, daß die Fernhaltung dieser
Kreise von gesetzgeberischer Tätigkeit, einstweilen wenigstens, kein Unglück für
das russische Volk wäre. Hier herrscht die gefährliche Halbbildung vor, die
durch keinerlei ans dem materiellen Besitz hervorgehendes Verantwortung^
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |