Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr.Die russische Volksvertretung und durch eine Gliederung der Monarchie zu ersetzen, die geeignet wäre, Deutsch¬ Die dualistische Verfassung des Jahres 1867 hat die Deutschen Österreichs Die russische Volksvertretung George Lleinow von ach langen, fast ein Jahrhundert währenden Kämpfen ist dem Die russische Volksvertretung und durch eine Gliederung der Monarchie zu ersetzen, die geeignet wäre, Deutsch¬ Die dualistische Verfassung des Jahres 1867 hat die Deutschen Österreichs Die russische Volksvertretung George Lleinow von ach langen, fast ein Jahrhundert währenden Kämpfen ist dem <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0302" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/296313"/> <fw type="header" place="top"> Die russische Volksvertretung</fw><lb/> <p xml:id="ID_1823" prev="#ID_1822"> und durch eine Gliederung der Monarchie zu ersetzen, die geeignet wäre, Deutsch¬<lb/> land seinen Bundesgenossen an der Donau wehrfähig zu erhalten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1824"> Die dualistische Verfassung des Jahres 1867 hat die Deutschen Österreichs<lb/> national auf das schwerste geschädigt, indem sie mit Rücksicht auf die Not¬<lb/> wendigkeit der temporären Erneuerung des wirtschaftlichen Ausgleichs zwischen<lb/> den beiden Reichshälften und bei den steigenden unbilligen Ansprüchen der<lb/> Magyaren die jeweiligen österreichischen Regierungen zwang, sich die Unter¬<lb/> stützung der Slawen durch weitgehende nationale Zugeständnisse zu sichern;<lb/> die Verfassung von 1867 hat nichts von den Früchten gezeitigt, die sich<lb/> die Deutschen einst von ihr versprachen, da die Magyaren sich als treulose<lb/> Bundesgenossen bewiesen; wohl aber hat die Verfassung von 1867, weil sie<lb/> den abenteuerlichen Bestrebungen der in Ungarn herrschenden Klasse den<lb/> breitesten Spielraum gewährte, die Gesamtmouarchie wirtschaftlich und mili¬<lb/> tärisch geschwächt. Aus alleu diesen Gründen können die Deutschen in Oster¬<lb/> reich nicht die Hand zu einer Reform der Verfassung von 1867 bieten, wie sie<lb/> von den Magyaren gefordert wird, weil durch eine solche Reform sowohl ihre<lb/> eigne wirtschaftliche und nationale Existenz gefährdet als auch die der Monarchie<lb/> ernstlich in Frage gestellt werden würde. Die Idee einer deutschmagyarischeu<lb/> Interessengemeinschaft in zwei gesonderten Reichshülften hat sich als undurch¬<lb/> führbar erwiesen, weil die Magyaren sie in einem leoninischen Vertrage zu<lb/> verkörpern suchten. Vielleicht ist, was in zwei getrennten Parlamenten nicht<lb/> möglich war, in einem nur für die gemeinsamen Reichsangelegenheiten bestellten<lb/> Reichsparlament möglich; jedenfalls würden Deutsche und Magyaren dort<lb/> mehr Berührungspunkte und weniger Reibungsflüchen finden als heute; dort<lb/> könnten Magyaren und Deutsche im fortwährenden Einvernehmen mit der<lb/> Dynastie leicht die Führung behaupten, und darum ist auch nur in dieser<lb/> Richtung der Weg zu suchen, der zur Gesundung, zum Wiederaufbau des<lb/> Reiches führt. Die Deutschen Österreichs wären bereit hierzu, ob auch die<lb/> Magyaren? Man frage doch einmal von reichsdentscher Seite in Budapest<lb/> darüber an, und man wird dann erfahren, wer die Schuld an der österreichisch¬<lb/> ungarischen Krise trägt: die Deutschen oder die Magyaren.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Die russische Volksvertretung<lb/><note type="byline"> George Lleinow</note> von</head><lb/> <p xml:id="ID_1825" next="#ID_1826"> ach langen, fast ein Jahrhundert währenden Kämpfen ist dem<lb/> russischen Volke „durch die Gnade des selbstherrlichen Zaren"<lb/> ein die Volksvertretung einführendes Gesetz beschert worden.<lb/> Eine Verfassung im engern Sinne des Worts vermochte sich das<lb/> _ russische Volk einstweilen noch nicht zu erringen. Die Akte vom<lb/> 6. (19.) August ist keine Verfassung. Sie verdiente nur dann diese Bezeichnung,<lb/> wenn sie zwei Bedingungen erfüllte. Erstens müßte das Gesetz jedem Staats-^lV^</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0302]
Die russische Volksvertretung
und durch eine Gliederung der Monarchie zu ersetzen, die geeignet wäre, Deutsch¬
land seinen Bundesgenossen an der Donau wehrfähig zu erhalten.
Die dualistische Verfassung des Jahres 1867 hat die Deutschen Österreichs
national auf das schwerste geschädigt, indem sie mit Rücksicht auf die Not¬
wendigkeit der temporären Erneuerung des wirtschaftlichen Ausgleichs zwischen
den beiden Reichshälften und bei den steigenden unbilligen Ansprüchen der
Magyaren die jeweiligen österreichischen Regierungen zwang, sich die Unter¬
stützung der Slawen durch weitgehende nationale Zugeständnisse zu sichern;
die Verfassung von 1867 hat nichts von den Früchten gezeitigt, die sich
die Deutschen einst von ihr versprachen, da die Magyaren sich als treulose
Bundesgenossen bewiesen; wohl aber hat die Verfassung von 1867, weil sie
den abenteuerlichen Bestrebungen der in Ungarn herrschenden Klasse den
breitesten Spielraum gewährte, die Gesamtmouarchie wirtschaftlich und mili¬
tärisch geschwächt. Aus alleu diesen Gründen können die Deutschen in Oster¬
reich nicht die Hand zu einer Reform der Verfassung von 1867 bieten, wie sie
von den Magyaren gefordert wird, weil durch eine solche Reform sowohl ihre
eigne wirtschaftliche und nationale Existenz gefährdet als auch die der Monarchie
ernstlich in Frage gestellt werden würde. Die Idee einer deutschmagyarischeu
Interessengemeinschaft in zwei gesonderten Reichshülften hat sich als undurch¬
führbar erwiesen, weil die Magyaren sie in einem leoninischen Vertrage zu
verkörpern suchten. Vielleicht ist, was in zwei getrennten Parlamenten nicht
möglich war, in einem nur für die gemeinsamen Reichsangelegenheiten bestellten
Reichsparlament möglich; jedenfalls würden Deutsche und Magyaren dort
mehr Berührungspunkte und weniger Reibungsflüchen finden als heute; dort
könnten Magyaren und Deutsche im fortwährenden Einvernehmen mit der
Dynastie leicht die Führung behaupten, und darum ist auch nur in dieser
Richtung der Weg zu suchen, der zur Gesundung, zum Wiederaufbau des
Reiches führt. Die Deutschen Österreichs wären bereit hierzu, ob auch die
Magyaren? Man frage doch einmal von reichsdentscher Seite in Budapest
darüber an, und man wird dann erfahren, wer die Schuld an der österreichisch¬
ungarischen Krise trägt: die Deutschen oder die Magyaren.
Die russische Volksvertretung
George Lleinow von
ach langen, fast ein Jahrhundert währenden Kämpfen ist dem
russischen Volke „durch die Gnade des selbstherrlichen Zaren"
ein die Volksvertretung einführendes Gesetz beschert worden.
Eine Verfassung im engern Sinne des Worts vermochte sich das
_ russische Volk einstweilen noch nicht zu erringen. Die Akte vom
6. (19.) August ist keine Verfassung. Sie verdiente nur dann diese Bezeichnung,
wenn sie zwei Bedingungen erfüllte. Erstens müßte das Gesetz jedem Staats-^lV^
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