Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches allgemeinen und dem deutschen im besondern entgegen. Er bedeutet für uns eine Außer dem van? Le!vAi's.M hat sich nun aber auch uoch eine Reihe ange¬ Aber Deutschland muß sich die Vorgänge dieses Sommers zur Lehre dienen Maßgebliches und Unmaßgebliches allgemeinen und dem deutschen im besondern entgegen. Er bedeutet für uns eine Außer dem van? Le!vAi's.M hat sich nun aber auch uoch eine Reihe ange¬ Aber Deutschland muß sich die Vorgänge dieses Sommers zur Lehre dienen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0288" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/296299"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_1786" prev="#ID_1785"> allgemeinen und dem deutschen im besondern entgegen. Er bedeutet für uns eine<lb/> starke finanzielle Entlastung und macht die ostasiatische Brigade — falls erforderlich —<lb/> für koloniale Zwecke verfügbar.</p><lb/> <p xml:id="ID_1787"> Außer dem van? Le!vAi's.M hat sich nun aber auch uoch eine Reihe ange¬<lb/> sehener Redner vernehmen lassen, die sich ebenfalls sehr entschieden und mit weniger<lb/> Hintertüren als das ministerielle Blatt für ein gutes Einvernehmen mit Deutschland<lb/> ausgesprochen haben, so der Staatssekretär für Indien, Herr Brodrick, das Mitglied<lb/> des Unterhauses Bryce nud vor ihnen schon Lord Rosebery, dessen Äußerungen<lb/> allerdings von mancherlei Deutungen nicht frei sind. Aber immerhin sind in diesen<lb/> Reden die publizistischen Hetzereien gegen Deutschland scharf verurteilt worden, und<lb/> wir sind darin einer Sprache begegnet, wie wir sie seit Jahren von England her<lb/> nicht mehr gewohnt waren. Im Gegenteil, wir wissen hier durch das Zeugnis<lb/> durchaus unbefangner und glaubwürdiger Beobachter, daß sich das englische Publikum<lb/> in den Gedanken eines Kriegs gegen Deutschland, und zwar ganz allein eines Ver-<lb/> stimmungskriegs, so hineingelebt hatte, daß das Thema fast seit Jahresfrist im<lb/> ganzen Lande und in allen Kreisen erörtert, und daß auch deu Deutschen gegen¬<lb/> über, die drüben zu Besuch waren, kein Hehl aus der Sache gemacht wurde. Wir<lb/> wollen die Äußerungen Roseberhs, Brodricks und der andern Redner gern als<lb/> bare Münze annehmen, auch wenn die limss und andre Blätter fortfahren, ihren<lb/> Lesern unaufhörlich Unsinn und Feindseligkeiten gegen Deutschland vorzusetzen. Wir<lb/> glauben also, daß es deu erwähnten Rednern für den Augenblick wirklich Ernst<lb/> ist, und stimmen namentlich Herrn Brodrick zu, wenn er die Idee einer Landung<lb/> von hunderttausend Mann in Schleswig-Holstein als ein Märchen, richtiger Wohl<lb/> als ein Phantasicstück, bezeichnet. Zu bedauern bleibt nur, daß nachdem die<lb/> Spannung schon so lange angedauert hat und zeitweilig so stark geworden war,<lb/> noch keine der leitenden Persönlichkeiten der britischen Regierung, Balfour oder<lb/> Lord Lansdowne, Gelegenheit genommen hat, sich so unzweideutig wie Herr Brodrick<lb/> zur Sache zu äußern. Damit würde viel Beunruhigung in der Welt, viel Ver¬<lb/> stimmung hüben und drüben und viel unnötige Verbitterung vermieden worden<lb/> sein. Das fortgesetzte Schweigen gerade der leitenden Persönlichkeiten hat mit<lb/> am meisten zu demi Verdacht beigetragen, daß die mit der Druckerschwärze an<lb/> Deutschland gerichteten Drohungen sowie das Bündnisprojekt des Herrn DelcassL<lb/> ernst gemeint waren; auch haben ja noch in der jüngsten Zeit gerade die leitenden<lb/> Persönlichkeiten des Ministeriums deu Standpunkt eingenommen, daß im Falle eines<lb/> deutsch-französischen Krieges jedes Kabinett von der öffentlichen Meinung in England<lb/> gezwungen werden würde, sich an die Seite Frankreichs zu stellen. Da nun aber die<lb/> öffentliche Meinung in England nur auf Grund böswilliger Hetzereien nud Entstellungen<lb/> gegen Deutschland eingenommen ist, ohne die Tatsachen selbst zu kennen und richtig<lb/> zu würdige», so wäre es Pflicht der leitenden Persönlichkeiten Großbritanniens ge¬<lb/> wesen, die öffentliche Meinung rechtzeitig eines bessern zu belehren und damit die<lb/> britische Regierung von diesem Druck auf ihre Entschließungen endgiltig zu ent¬<lb/> lasten. Das alles ist nicht geschehn. Der einlenkenden Sprache, der wir jetzt begegnen,<lb/> können wir Glauben schenken, weil sie mit der Tatsache zusammenfällt, erstens daß<lb/> Frankreich jetzt keinen Krieg will oder sich zu einem solchen nicht genügend vorbereitet<lb/> erachtet, zweitens daß Rußland, ganz abgesehen von seiner innern Lage, für keine<lb/> irgendwie gegen Deutschland gerichteten Kombinationen in Betracht kommt. Aus<lb/> diesen beiden Gründen glauben wir daran, daß England zunächst nichts gegen uns<lb/> im Schilde führt. Als ein dritter Grund käme auch wohl noch der hinzu, daß die<lb/> ökonomische Lage Großbritanniens doch noch sehr stark dnrch die Nachwirkungen<lb/> des südafrikanischen Krieges beherrscht ist, daß ferner die englische Armee nichts<lb/> »veniger als in der Lage ist, in den Krieg mit einer europäischen Großmacht ein¬<lb/> zutreten, und daß demnach für England eine ganze Reihe von Gründen vorhanden<lb/> ist, den Frieden, und zwar den Frieden von einiger Dauer zu wünsche«.</p><lb/> <p xml:id="ID_1788" next="#ID_1789"> Aber Deutschland muß sich die Vorgänge dieses Sommers zur Lehre dienen<lb/> lassen — Regierende wie Regierte — und die jetzt der Kriegsgefahr abgewonnene</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0288]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
allgemeinen und dem deutschen im besondern entgegen. Er bedeutet für uns eine
starke finanzielle Entlastung und macht die ostasiatische Brigade — falls erforderlich —
für koloniale Zwecke verfügbar.
Außer dem van? Le!vAi's.M hat sich nun aber auch uoch eine Reihe ange¬
sehener Redner vernehmen lassen, die sich ebenfalls sehr entschieden und mit weniger
Hintertüren als das ministerielle Blatt für ein gutes Einvernehmen mit Deutschland
ausgesprochen haben, so der Staatssekretär für Indien, Herr Brodrick, das Mitglied
des Unterhauses Bryce nud vor ihnen schon Lord Rosebery, dessen Äußerungen
allerdings von mancherlei Deutungen nicht frei sind. Aber immerhin sind in diesen
Reden die publizistischen Hetzereien gegen Deutschland scharf verurteilt worden, und
wir sind darin einer Sprache begegnet, wie wir sie seit Jahren von England her
nicht mehr gewohnt waren. Im Gegenteil, wir wissen hier durch das Zeugnis
durchaus unbefangner und glaubwürdiger Beobachter, daß sich das englische Publikum
in den Gedanken eines Kriegs gegen Deutschland, und zwar ganz allein eines Ver-
stimmungskriegs, so hineingelebt hatte, daß das Thema fast seit Jahresfrist im
ganzen Lande und in allen Kreisen erörtert, und daß auch deu Deutschen gegen¬
über, die drüben zu Besuch waren, kein Hehl aus der Sache gemacht wurde. Wir
wollen die Äußerungen Roseberhs, Brodricks und der andern Redner gern als
bare Münze annehmen, auch wenn die limss und andre Blätter fortfahren, ihren
Lesern unaufhörlich Unsinn und Feindseligkeiten gegen Deutschland vorzusetzen. Wir
glauben also, daß es deu erwähnten Rednern für den Augenblick wirklich Ernst
ist, und stimmen namentlich Herrn Brodrick zu, wenn er die Idee einer Landung
von hunderttausend Mann in Schleswig-Holstein als ein Märchen, richtiger Wohl
als ein Phantasicstück, bezeichnet. Zu bedauern bleibt nur, daß nachdem die
Spannung schon so lange angedauert hat und zeitweilig so stark geworden war,
noch keine der leitenden Persönlichkeiten der britischen Regierung, Balfour oder
Lord Lansdowne, Gelegenheit genommen hat, sich so unzweideutig wie Herr Brodrick
zur Sache zu äußern. Damit würde viel Beunruhigung in der Welt, viel Ver¬
stimmung hüben und drüben und viel unnötige Verbitterung vermieden worden
sein. Das fortgesetzte Schweigen gerade der leitenden Persönlichkeiten hat mit
am meisten zu demi Verdacht beigetragen, daß die mit der Druckerschwärze an
Deutschland gerichteten Drohungen sowie das Bündnisprojekt des Herrn DelcassL
ernst gemeint waren; auch haben ja noch in der jüngsten Zeit gerade die leitenden
Persönlichkeiten des Ministeriums deu Standpunkt eingenommen, daß im Falle eines
deutsch-französischen Krieges jedes Kabinett von der öffentlichen Meinung in England
gezwungen werden würde, sich an die Seite Frankreichs zu stellen. Da nun aber die
öffentliche Meinung in England nur auf Grund böswilliger Hetzereien nud Entstellungen
gegen Deutschland eingenommen ist, ohne die Tatsachen selbst zu kennen und richtig
zu würdige», so wäre es Pflicht der leitenden Persönlichkeiten Großbritanniens ge¬
wesen, die öffentliche Meinung rechtzeitig eines bessern zu belehren und damit die
britische Regierung von diesem Druck auf ihre Entschließungen endgiltig zu ent¬
lasten. Das alles ist nicht geschehn. Der einlenkenden Sprache, der wir jetzt begegnen,
können wir Glauben schenken, weil sie mit der Tatsache zusammenfällt, erstens daß
Frankreich jetzt keinen Krieg will oder sich zu einem solchen nicht genügend vorbereitet
erachtet, zweitens daß Rußland, ganz abgesehen von seiner innern Lage, für keine
irgendwie gegen Deutschland gerichteten Kombinationen in Betracht kommt. Aus
diesen beiden Gründen glauben wir daran, daß England zunächst nichts gegen uns
im Schilde führt. Als ein dritter Grund käme auch wohl noch der hinzu, daß die
ökonomische Lage Großbritanniens doch noch sehr stark dnrch die Nachwirkungen
des südafrikanischen Krieges beherrscht ist, daß ferner die englische Armee nichts
»veniger als in der Lage ist, in den Krieg mit einer europäischen Großmacht ein¬
zutreten, und daß demnach für England eine ganze Reihe von Gründen vorhanden
ist, den Frieden, und zwar den Frieden von einiger Dauer zu wünsche«.
Aber Deutschland muß sich die Vorgänge dieses Sommers zur Lehre dienen
lassen — Regierende wie Regierte — und die jetzt der Kriegsgefahr abgewonnene
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