Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr.Die Lebensschicksale eines geisteskranken Fürsten H.: Wisset Ihr, daß Ihr ob solcher Rede Feuer und Schwert verdienet? P.: Ach, Heuselmann, ja, man will mir ja auch an Hals und Leben. Was H.: Eurer Gnaden fürstliche Herren Brüder wollen nicht, daß Ihr also in P.: Ja ja, meine Brüder wollen es vielleicht nicht, aber der alte Koburger, H.: Eure Gnaden sollten an den Spruch denken: "Wie murren die Leute P.: Lasset die Fesseln losmachen. Rufet den Leutnant Treiner, daß er sie H. (hält ihm die Bibel entgegen): Alle guten Geister P. (entreißt ihm die Bibel und wirft damit nach ihm): O du schleichender Die Wache singt: "Gott der Herre, wohn uns bei." P.: Und nun auch ihr noch mit euerm Gequake, ihr traurigen Unken. Fast ein Jahr währte die Kustodie des Herzogs im Kornhause zu Weimar. Die Lebensschicksale eines geisteskranken Fürsten H.: Wisset Ihr, daß Ihr ob solcher Rede Feuer und Schwert verdienet? P.: Ach, Heuselmann, ja, man will mir ja auch an Hals und Leben. Was H.: Eurer Gnaden fürstliche Herren Brüder wollen nicht, daß Ihr also in P.: Ja ja, meine Brüder wollen es vielleicht nicht, aber der alte Koburger, H.: Eure Gnaden sollten an den Spruch denken: „Wie murren die Leute P.: Lasset die Fesseln losmachen. Rufet den Leutnant Treiner, daß er sie H. (hält ihm die Bibel entgegen): Alle guten Geister P. (entreißt ihm die Bibel und wirft damit nach ihm): O du schleichender Die Wache singt: „Gott der Herre, wohn uns bei." P.: Und nun auch ihr noch mit euerm Gequake, ihr traurigen Unken. Fast ein Jahr währte die Kustodie des Herzogs im Kornhause zu Weimar. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0261" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/296272"/> <fw type="header" place="top"> Die Lebensschicksale eines geisteskranken Fürsten</fw><lb/> <p xml:id="ID_1547"> H.: Wisset Ihr, daß Ihr ob solcher Rede Feuer und Schwert verdienet?</p><lb/> <p xml:id="ID_1548"> P.: Ach, Heuselmann, ja, man will mir ja auch an Hals und Leben. Was<lb/> hab ich heut Nacht gesehen, da draußen im Hof? Ein schwarz Gerüst, einen Stuhl<lb/> und ein breit Schwert ohne Spitze. Henselmann, dahin sollt Ihr mich liefern,<lb/> mit Euern verfänglichen Fragen. Ich weiß es längst. O, es wird nicht gut<lb/> werden. Ist aber immer noch besser, als langsam faulen in dieser Gruft. Der<lb/> Henker einmal ist mir lieber als Ihr alle Tage. Saget es meinen Brüdern, sie<lb/> sollen nur schnell machen. Sie sollen einen dingen, der hier herein schießt, ganz<lb/> von ungefähr, wenn ich schlafe.</p><lb/> <p xml:id="ID_1549"> H.: Eurer Gnaden fürstliche Herren Brüder wollen nicht, daß Ihr also in<lb/> Sünden dahinfahret.</p><lb/> <p xml:id="ID_1550"> P.: Ja ja, meine Brüder wollen es vielleicht nicht, aber der alte Koburger,<lb/> der Johann Kasimir, der listige Fuchs. Bruder Wilhelm läßt sich von ihm foppen<lb/> und zum Narren machen. Ich habe solch elende Kustodie nicht verdienet.</p><lb/> <p xml:id="ID_1551"> H.: Eure Gnaden sollten an den Spruch denken: „Wie murren die Leute<lb/> also. Ein jeglicher murre wider seine Sünde."</p><lb/> <p xml:id="ID_1552"> P.: Lasset die Fesseln losmachen. Rufet den Leutnant Treiner, daß er sie<lb/> ausschließe. Ist es erlaubt, einen Fürsten also zu fesseln? Wie? Ihr wollt nicht?<lb/> Ihr rührt Euch nicht vom Flecke? Daß Euch der Donner und Hagel erschlage!<lb/> Hermann, Hermann, zerreiße die Ketten! sprenge das Gewölbe. Herbei, Satanas!<lb/> Satanas!</p><lb/> <p xml:id="ID_1553"> H. (hält ihm die Bibel entgegen):</p><lb/> <quote> Alle guten Geister<lb/> Loben Gott den Herrn.</quote><lb/> <p xml:id="ID_1554"> P. (entreißt ihm die Bibel und wirft damit nach ihm): O du schleichender<lb/> Jesuiter!</p><lb/> <p xml:id="ID_1555"> Die Wache singt: „Gott der Herre, wohn uns bei."</p><lb/> <p xml:id="ID_1556"> P.: Und nun auch ihr noch mit euerm Gequake, ihr traurigen Unken.<lb/> Habt ihr keine andre Melodei in eurer Kehle? Hippokras, Hippokras, schlag<lb/> alles zusammen. Hol uns alle miteinander! (Er sinkt auf die steinerne Bank und<lb/> verhüllt das Haupt mit seinem Mantel.)</p><lb/> <p xml:id="ID_1557" next="#ID_1558"> Fast ein Jahr währte die Kustodie des Herzogs im Kornhause zu Weimar.<lb/> Über ihren Verlauf finden sich nur wenig Anhaltspunkte in den Akten. Es<lb/> ist anzunehmen, daß sich infolge der denkbar verkehrtesten BeHandlungsweise,<lb/> die man dem Herzog zuteil werden ließ, seine Tvbsuchtsanfälle immer mehr<lb/> häuften und steigerten. Es findet sich auch eine Andeutung, daß seine Unrein-<lb/> lichkeit zunahm. Seine Umgebung sah in ihm immer mehr nicht einen Kranken,<lb/> sondern einen verstockten Besessenen, der sich dem Teufel ganz ergeben hatte,<lb/> und den dieser dem Einflüsse seiner Beichtväter immer mehr entzog, damit ihm<lb/> nicht die verschriebne Seele noch abspenstig gemacht würde. Das Bestreben<lb/> war immer mehr darauf gerichtet, ein unumwundnes Eingeständnis des Ver¬<lb/> kehrs mit dem Teufel zu erlangen. Am 16. Oktober 1628 soll er endlich ge¬<lb/> standen haben, sich dem Bösen mit seinem Blute verschrieben zu haben. Am<lb/> Tage darauf fand man ihn im Kerker tot, schmerzlich gekrümmt und mit dem<lb/> Gesicht auf dem Boden liegen. In der Seite hatte er eine tiefe Wunde. All¬<lb/> gemein wurde geglaubt, daß ihn der Teufel nach Ablauf der Bundeszeit ge¬<lb/> tötet habe. Alle Wahrscheinlichkeit spricht dafür, daß er den Tod Wallensteins<lb/> durch einen Stoß mit der Hellebarde von der Hand eines Wächters erlitten<lb/> hat. Schon in der Oldislebner Instruktion war verordnet, daß wenn „die</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0261]
Die Lebensschicksale eines geisteskranken Fürsten
H.: Wisset Ihr, daß Ihr ob solcher Rede Feuer und Schwert verdienet?
P.: Ach, Heuselmann, ja, man will mir ja auch an Hals und Leben. Was
hab ich heut Nacht gesehen, da draußen im Hof? Ein schwarz Gerüst, einen Stuhl
und ein breit Schwert ohne Spitze. Henselmann, dahin sollt Ihr mich liefern,
mit Euern verfänglichen Fragen. Ich weiß es längst. O, es wird nicht gut
werden. Ist aber immer noch besser, als langsam faulen in dieser Gruft. Der
Henker einmal ist mir lieber als Ihr alle Tage. Saget es meinen Brüdern, sie
sollen nur schnell machen. Sie sollen einen dingen, der hier herein schießt, ganz
von ungefähr, wenn ich schlafe.
H.: Eurer Gnaden fürstliche Herren Brüder wollen nicht, daß Ihr also in
Sünden dahinfahret.
P.: Ja ja, meine Brüder wollen es vielleicht nicht, aber der alte Koburger,
der Johann Kasimir, der listige Fuchs. Bruder Wilhelm läßt sich von ihm foppen
und zum Narren machen. Ich habe solch elende Kustodie nicht verdienet.
H.: Eure Gnaden sollten an den Spruch denken: „Wie murren die Leute
also. Ein jeglicher murre wider seine Sünde."
P.: Lasset die Fesseln losmachen. Rufet den Leutnant Treiner, daß er sie
ausschließe. Ist es erlaubt, einen Fürsten also zu fesseln? Wie? Ihr wollt nicht?
Ihr rührt Euch nicht vom Flecke? Daß Euch der Donner und Hagel erschlage!
Hermann, Hermann, zerreiße die Ketten! sprenge das Gewölbe. Herbei, Satanas!
Satanas!
H. (hält ihm die Bibel entgegen):
Alle guten Geister
Loben Gott den Herrn.
P. (entreißt ihm die Bibel und wirft damit nach ihm): O du schleichender
Jesuiter!
Die Wache singt: „Gott der Herre, wohn uns bei."
P.: Und nun auch ihr noch mit euerm Gequake, ihr traurigen Unken.
Habt ihr keine andre Melodei in eurer Kehle? Hippokras, Hippokras, schlag
alles zusammen. Hol uns alle miteinander! (Er sinkt auf die steinerne Bank und
verhüllt das Haupt mit seinem Mantel.)
Fast ein Jahr währte die Kustodie des Herzogs im Kornhause zu Weimar.
Über ihren Verlauf finden sich nur wenig Anhaltspunkte in den Akten. Es
ist anzunehmen, daß sich infolge der denkbar verkehrtesten BeHandlungsweise,
die man dem Herzog zuteil werden ließ, seine Tvbsuchtsanfälle immer mehr
häuften und steigerten. Es findet sich auch eine Andeutung, daß seine Unrein-
lichkeit zunahm. Seine Umgebung sah in ihm immer mehr nicht einen Kranken,
sondern einen verstockten Besessenen, der sich dem Teufel ganz ergeben hatte,
und den dieser dem Einflüsse seiner Beichtväter immer mehr entzog, damit ihm
nicht die verschriebne Seele noch abspenstig gemacht würde. Das Bestreben
war immer mehr darauf gerichtet, ein unumwundnes Eingeständnis des Ver¬
kehrs mit dem Teufel zu erlangen. Am 16. Oktober 1628 soll er endlich ge¬
standen haben, sich dem Bösen mit seinem Blute verschrieben zu haben. Am
Tage darauf fand man ihn im Kerker tot, schmerzlich gekrümmt und mit dem
Gesicht auf dem Boden liegen. In der Seite hatte er eine tiefe Wunde. All¬
gemein wurde geglaubt, daß ihn der Teufel nach Ablauf der Bundeszeit ge¬
tötet habe. Alle Wahrscheinlichkeit spricht dafür, daß er den Tod Wallensteins
durch einen Stoß mit der Hellebarde von der Hand eines Wächters erlitten
hat. Schon in der Oldislebner Instruktion war verordnet, daß wenn „die
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