Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr.Unter Runden, Komödianten und wilden Eieren bis Vier Wochen gegen fünfhundert Stück. Sie gingen ausnahmlos nach Eng¬ Um ein neues Anziehungsmittel für den Garten zu schaffen, kam ich auf den Unter Runden, Komödianten und wilden Eieren bis Vier Wochen gegen fünfhundert Stück. Sie gingen ausnahmlos nach Eng¬ Um ein neues Anziehungsmittel für den Garten zu schaffen, kam ich auf den <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0218" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/296229"/> <fw type="header" place="top"> Unter Runden, Komödianten und wilden Eieren</fw><lb/> <p xml:id="ID_1214" prev="#ID_1213"> bis Vier Wochen gegen fünfhundert Stück. Sie gingen ausnahmlos nach Eng¬<lb/> land, wo sie zur Fuchsjagd benutzt wurden. Die armen Tiere kamen gewöhnlich<lb/> im elendesten Zustande bei uns an, saßen in ihren Behältern zu einem großen<lb/> Haufen zusammengedrängt und verpesteten mit ihrem Gestank die ganze Umgegend.<lb/> Wenn sie versandt wurden, mußte ich sie einzeln am Schwänze einfangen und in<lb/> die Verscmdkasten stecken. Bald darauf brachte ein Russe auch «fünf junge Bären<lb/> und einige Pelikane, sodaß wir jetzt im ganzen zwölf junge Bären hatten, die in<lb/> einem Zwinger aus Drahtgeflecht untergebracht waren. Die-Bären kletterten an<lb/> dem Drahte in die Höhe, und zweien davon gelang es, in die verrostete Be¬<lb/> dachung ein Loch zu reißen, durch das sie entschlüpften. Wir sahen sie auf der<lb/> Mauer eines Nachbargartens umher promenieren, und es war keine leichte Auf¬<lb/> gabe für mich, sie wieder einzufangen. Ich trieb sie in einen Winkel, faßte die<lb/> beiden Ausreißer am Genick und trug sie unter unendlicher Mühe wieder in den<lb/> Zwinger, der nun mit einer Schicht Bretter bedeckt wurde. Unter den Bären<lb/> war auch ein grauer, ein sogenannter Grislybär aus Amerika, der sehr heimtückisch<lb/> war und mich, als ich den Behälter einmal reinigte, in die Wade biß. Er erhielt<lb/> seine Tracht Prügel, aber ich nahm mich von nun an vor ihm immer in acht.<lb/> Als ein Kunde in Lyon einen recht zahmen Bären bestellte, benutzte ich die Gelegen¬<lb/> heit, mich des heimtückischen Burschen zu entledigen, steckte ihn in die Versandkiste<lb/> und ließ ihn durch einen unsrer Angestellten nach der Bahn bringen. Dort wurde<lb/> die Kiste zuucichst in den Güterschuppen gesteckt, und ich gab mich schon der<lb/> Hoffnung hin, daß mein unheimlicher Freund auf der Reise nach dem schönen<lb/> Frankreich sei, als plötzlich ein Bahnbeamter zu uns kam und meldete, daß der<lb/> Bär gerade dabei sei, sich durch eine Wand der Kiste durchzufresseu. Ich nahm<lb/> nun eine Anzahl Bretter, eine Säge, einen»Hammer und Nägel und rannte nach<lb/> dem Güterschuppen, wo man den Transportkasten des Bären mit einigen andern<lb/> Kisten umstellt hatte, um zu verhüten, daß das Tier seinen Behälter verließe. Ich<lb/> schob die Kisten beiseite und sah, daß das Tier schon'den Kopf durch das Loch<lb/> steckte. Nachdem ich die schadhafte Stelle mit starken Brettern verschalt hatte, trat<lb/> der Bär endlich seine Reise an.</p><lb/> <p xml:id="ID_1215" next="#ID_1216"> Um ein neues Anziehungsmittel für den Garten zu schaffen, kam ich auf den<lb/> Gedanken, in der Voliere, worin sich den Tag über die Affen aufhielten, ein<lb/> kleines Karussell zu bauen, mit dem sich die Tiere belustigen konnten. Ich teilte<lb/> meinen Plan der Prinzipalin mit, und diese brachte von einer Reise eine kleine<lb/> Anzahl Holzpferde mit, die ich für das Karussell verwenden sollte. Ich rannte<lb/> in der Voliere nun eine nach oben zugespitzte Eisenstange in den Boden, zimmerte<lb/> ein primitives Karussell, das ich mit Drähten versah, die oben in eine ausge-<lb/> wölbte Scheibe mündeten, und befestigte das Gerüst an der Eisenstange, indem ich<lb/> die Scheibe, die das Ganze trug, oben auf die Spitze setzte. Auf dem Kranze<lb/> standen die kleinen Holzpferde, und das Ganze hatte das Aussehen eines wenn<lb/> auch primitiven Karussells. Am andern Morgen, als ich die Affen in die Voliere<lb/> ließ, hatte ich Viel Vergnügen über deu Ausdruck der Neugierde und der drolligen<lb/> Vorsicht, womit die Affen das in ihrem Behälter aufgeschlagne Wunderwerk be¬<lb/> trachteten. Endlich wagte sich ein Rhesusaffe herunter, betrachtete eins der Pferde<lb/> aus der Nähe und setzte sich rittlings darauf. Sein Beispiel wirkte, und bald<lb/> waren sämtliche Pferde mit Reitern besetzt. Ein andrer Affe kam bald dahinter,<lb/> daß man das Karussell drehn könnte, und er setzte es nun in Bewegung, wobei<lb/> es ihm gleichgiltig war, ob es sich vorwärts oder rückwärts drehte. Die Affen<lb/> waren nun den ganzen Tag ununterbrochen mit diesem Spielzeug beschäftigt, und<lb/> das Karussell stand nie still. Der einzige Mißstand dabei war, daß sie, sei es aus<lb/> Neugierde, sei es aus dem den Affen eignen Zerstörnngstrieb, den Pferden die<lb/> Pappsättel abrissen, die Mähnen benagten und die Schwänze ausrissen, sodaß nach<lb/> kurzer Zeit nur noch kümmerliche Reste von Pferden vorhanden waren. Als das<lb/> Karussell den letzten Rest seiner Schönheit eingebüßt hatte, beseitigte ich es wieder</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0218]
Unter Runden, Komödianten und wilden Eieren
bis Vier Wochen gegen fünfhundert Stück. Sie gingen ausnahmlos nach Eng¬
land, wo sie zur Fuchsjagd benutzt wurden. Die armen Tiere kamen gewöhnlich
im elendesten Zustande bei uns an, saßen in ihren Behältern zu einem großen
Haufen zusammengedrängt und verpesteten mit ihrem Gestank die ganze Umgegend.
Wenn sie versandt wurden, mußte ich sie einzeln am Schwänze einfangen und in
die Verscmdkasten stecken. Bald darauf brachte ein Russe auch «fünf junge Bären
und einige Pelikane, sodaß wir jetzt im ganzen zwölf junge Bären hatten, die in
einem Zwinger aus Drahtgeflecht untergebracht waren. Die-Bären kletterten an
dem Drahte in die Höhe, und zweien davon gelang es, in die verrostete Be¬
dachung ein Loch zu reißen, durch das sie entschlüpften. Wir sahen sie auf der
Mauer eines Nachbargartens umher promenieren, und es war keine leichte Auf¬
gabe für mich, sie wieder einzufangen. Ich trieb sie in einen Winkel, faßte die
beiden Ausreißer am Genick und trug sie unter unendlicher Mühe wieder in den
Zwinger, der nun mit einer Schicht Bretter bedeckt wurde. Unter den Bären
war auch ein grauer, ein sogenannter Grislybär aus Amerika, der sehr heimtückisch
war und mich, als ich den Behälter einmal reinigte, in die Wade biß. Er erhielt
seine Tracht Prügel, aber ich nahm mich von nun an vor ihm immer in acht.
Als ein Kunde in Lyon einen recht zahmen Bären bestellte, benutzte ich die Gelegen¬
heit, mich des heimtückischen Burschen zu entledigen, steckte ihn in die Versandkiste
und ließ ihn durch einen unsrer Angestellten nach der Bahn bringen. Dort wurde
die Kiste zuucichst in den Güterschuppen gesteckt, und ich gab mich schon der
Hoffnung hin, daß mein unheimlicher Freund auf der Reise nach dem schönen
Frankreich sei, als plötzlich ein Bahnbeamter zu uns kam und meldete, daß der
Bär gerade dabei sei, sich durch eine Wand der Kiste durchzufresseu. Ich nahm
nun eine Anzahl Bretter, eine Säge, einen»Hammer und Nägel und rannte nach
dem Güterschuppen, wo man den Transportkasten des Bären mit einigen andern
Kisten umstellt hatte, um zu verhüten, daß das Tier seinen Behälter verließe. Ich
schob die Kisten beiseite und sah, daß das Tier schon'den Kopf durch das Loch
steckte. Nachdem ich die schadhafte Stelle mit starken Brettern verschalt hatte, trat
der Bär endlich seine Reise an.
Um ein neues Anziehungsmittel für den Garten zu schaffen, kam ich auf den
Gedanken, in der Voliere, worin sich den Tag über die Affen aufhielten, ein
kleines Karussell zu bauen, mit dem sich die Tiere belustigen konnten. Ich teilte
meinen Plan der Prinzipalin mit, und diese brachte von einer Reise eine kleine
Anzahl Holzpferde mit, die ich für das Karussell verwenden sollte. Ich rannte
in der Voliere nun eine nach oben zugespitzte Eisenstange in den Boden, zimmerte
ein primitives Karussell, das ich mit Drähten versah, die oben in eine ausge-
wölbte Scheibe mündeten, und befestigte das Gerüst an der Eisenstange, indem ich
die Scheibe, die das Ganze trug, oben auf die Spitze setzte. Auf dem Kranze
standen die kleinen Holzpferde, und das Ganze hatte das Aussehen eines wenn
auch primitiven Karussells. Am andern Morgen, als ich die Affen in die Voliere
ließ, hatte ich Viel Vergnügen über deu Ausdruck der Neugierde und der drolligen
Vorsicht, womit die Affen das in ihrem Behälter aufgeschlagne Wunderwerk be¬
trachteten. Endlich wagte sich ein Rhesusaffe herunter, betrachtete eins der Pferde
aus der Nähe und setzte sich rittlings darauf. Sein Beispiel wirkte, und bald
waren sämtliche Pferde mit Reitern besetzt. Ein andrer Affe kam bald dahinter,
daß man das Karussell drehn könnte, und er setzte es nun in Bewegung, wobei
es ihm gleichgiltig war, ob es sich vorwärts oder rückwärts drehte. Die Affen
waren nun den ganzen Tag ununterbrochen mit diesem Spielzeug beschäftigt, und
das Karussell stand nie still. Der einzige Mißstand dabei war, daß sie, sei es aus
Neugierde, sei es aus dem den Affen eignen Zerstörnngstrieb, den Pferden die
Pappsättel abrissen, die Mähnen benagten und die Schwänze ausrissen, sodaß nach
kurzer Zeit nur noch kümmerliche Reste von Pferden vorhanden waren. Als das
Karussell den letzten Rest seiner Schönheit eingebüßt hatte, beseitigte ich es wieder
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