Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr.Salzburg und die Tauernpässe norischen Städte mit der zweiten Hälfte des vierten Jahrhunderts endet. In Dagegen blieb das südliche Noricum noch lange mit Italien verbunden. Salzburg und die Tauernpässe norischen Städte mit der zweiten Hälfte des vierten Jahrhunderts endet. In Dagegen blieb das südliche Noricum noch lange mit Italien verbunden. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0183" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/296194"/> <fw type="header" place="top"> Salzburg und die Tauernpässe</fw><lb/> <p xml:id="ID_1108" prev="#ID_1107"> norischen Städte mit der zweiten Hälfte des vierten Jahrhunderts endet. In<lb/> Juvavum reicht sie dagegen bis ins fünfte Jahrhundert. Die Militürgrenze<lb/> begann sich aufzulösen, die Festungswerke an der Donau zerfielen. Als vollends<lb/> der verwüstende Heereszug Attilas im Jahre 451 durch das Land gebraust war,<lb/> da drängten die Germanen von allen Seiten heran: vom Norden der Donau<lb/> die Rugier, die sich auch das Land südlich von dem Strome zinsbar machten,<lb/> von Westen die Alemannen und die Thüringer, von Osten die Heruler und die<lb/> Goten. Auch Juvavum ist von den Herulcrn zerstört worden. Auch der heilige<lb/> Severinus, eine der merkwürdigsten und ehrwürdigsten Gestalten der Kirchen¬<lb/> geschichte (455 bis 487), konnte das Land nicht retten und wollte es auch uicht;<lb/> nur die bedrängten Bewohner, die ihm andächtig folgten, suchte er gegen das<lb/> ^'gste zu schützen; er vermittelte zwischen ihnen und den rügischen Fürsten, er<lb/> sammelte die flüchtigen Bewohner des Uferlandes in dem festen Lauriacnm und<lb/> führte sie dann, als anch diese alte Legionsfestung unhaltbar geworden war,<lb/> donauabwärts nach Fcwicma (Martern), wo er sein Kloster hatte, unter rügischen<lb/> Schutz. Aber als er 482 starb, ordnete er die Überführung seiner Leiche nach<lb/> Italien an. Kurz nachher, im Jahre 487, befahl der neue Herr Italiens seit<lb/> 476, Odvvakar, die Räumung des Donaulandes, weil es unhaltbar war. Doch<lb/> wurde dieser Befehl nur widerstrebend und auch nicht vollständig ausgeführt.<lb/> Die zahlreichen romanischen Ortsnamen um Salzburg, die Existenz einer<lb/> romanischen Bauernbevölkerung in diesen Gauen noch während des achten Jahr¬<lb/> hunderts, endlich die Fortdauer der Tradition von einem Bistum in Lauriacum<lb/> und vom Märtyrer Florinnus zeigen, daß sich das romanische Bolkstum hier<lb/> gerade so gut erhalten hat wie etwa im nördlichen Tirol in den jetzt deutschen<lb/> Seitentälern des Inns, im Stubai, im Zillcrtal, um Dux bis tief ins Mittel¬<lb/> alter hinein. Die Einwanderung der Bayern nach 500, die ihre Herrschaft ost¬<lb/> wärts bis an die Enns ausdehnten, sicherte dann bald das Land vor weitern<lb/> fremden feindlichen Eingriffen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1109" next="#ID_1110"> Dagegen blieb das südliche Noricum noch lange mit Italien verbunden.<lb/> Die Ostgoten herrschten mich hier, nach dem Untergang ihres Reichs vorüber¬<lb/> gehend die Franken, als sie auch Bayern ihrer Herrschaft angefügt hatten,<lb/> endlich das oströmische Reich, nachdem Kaiser Justinianus Italien wieder er¬<lb/> obert hatte. Damit war auch die Fortdauer der romanischen Bevölkerung und<lb/> der christlichen Kirche verbürgt, wie denn Teurnia als Bischofssitz noch 591<lb/> erwähnt wird. Erst der Einbruch der Slowenen von Ungarn her, die von<lb/> den Awaren geschoben und unterstützt wurden, in der zweiten Hälfte des sechsten<lb/> Jahrhunderts hat die sicherlich schon tief herabgekommne und geschwächte römische<lb/> Bevölkerung und Kultur in den Tälern der Ostalpen vernichtet, wie zu derselben<lb/> Zeit die Einwanderung der Serben und Kroaten in Dalmatien das romanische<lb/> Element auf die Küstenstädte beschränkte. Damals sind, wie zwar nicht eine<lb/> schriftliche Überlieferung, wohl aber die Neste melden, alle römischen Städte<lb/> dieser Gegenden, Celeja, Flavia Solvci, Viruuum, zuletzt auch Teurnia und<lb/> Agnontum, gewaltsam zerstört worden; sogar ihre Namen verschollen fast durch¬<lb/> weg, die Stellen, wo sie gestanden hatten, blieben wüst, die noch stehenden<lb/> Trümmer wurden als Steinbrüche benutzt und verschwanden allmählich. Nur<lb/> Pötovio (Pettcm) erhielt sich als fester Ort und blieb mit dem griechischen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0183]
Salzburg und die Tauernpässe
norischen Städte mit der zweiten Hälfte des vierten Jahrhunderts endet. In
Juvavum reicht sie dagegen bis ins fünfte Jahrhundert. Die Militürgrenze
begann sich aufzulösen, die Festungswerke an der Donau zerfielen. Als vollends
der verwüstende Heereszug Attilas im Jahre 451 durch das Land gebraust war,
da drängten die Germanen von allen Seiten heran: vom Norden der Donau
die Rugier, die sich auch das Land südlich von dem Strome zinsbar machten,
von Westen die Alemannen und die Thüringer, von Osten die Heruler und die
Goten. Auch Juvavum ist von den Herulcrn zerstört worden. Auch der heilige
Severinus, eine der merkwürdigsten und ehrwürdigsten Gestalten der Kirchen¬
geschichte (455 bis 487), konnte das Land nicht retten und wollte es auch uicht;
nur die bedrängten Bewohner, die ihm andächtig folgten, suchte er gegen das
^'gste zu schützen; er vermittelte zwischen ihnen und den rügischen Fürsten, er
sammelte die flüchtigen Bewohner des Uferlandes in dem festen Lauriacnm und
führte sie dann, als anch diese alte Legionsfestung unhaltbar geworden war,
donauabwärts nach Fcwicma (Martern), wo er sein Kloster hatte, unter rügischen
Schutz. Aber als er 482 starb, ordnete er die Überführung seiner Leiche nach
Italien an. Kurz nachher, im Jahre 487, befahl der neue Herr Italiens seit
476, Odvvakar, die Räumung des Donaulandes, weil es unhaltbar war. Doch
wurde dieser Befehl nur widerstrebend und auch nicht vollständig ausgeführt.
Die zahlreichen romanischen Ortsnamen um Salzburg, die Existenz einer
romanischen Bauernbevölkerung in diesen Gauen noch während des achten Jahr¬
hunderts, endlich die Fortdauer der Tradition von einem Bistum in Lauriacum
und vom Märtyrer Florinnus zeigen, daß sich das romanische Bolkstum hier
gerade so gut erhalten hat wie etwa im nördlichen Tirol in den jetzt deutschen
Seitentälern des Inns, im Stubai, im Zillcrtal, um Dux bis tief ins Mittel¬
alter hinein. Die Einwanderung der Bayern nach 500, die ihre Herrschaft ost¬
wärts bis an die Enns ausdehnten, sicherte dann bald das Land vor weitern
fremden feindlichen Eingriffen.
Dagegen blieb das südliche Noricum noch lange mit Italien verbunden.
Die Ostgoten herrschten mich hier, nach dem Untergang ihres Reichs vorüber¬
gehend die Franken, als sie auch Bayern ihrer Herrschaft angefügt hatten,
endlich das oströmische Reich, nachdem Kaiser Justinianus Italien wieder er¬
obert hatte. Damit war auch die Fortdauer der romanischen Bevölkerung und
der christlichen Kirche verbürgt, wie denn Teurnia als Bischofssitz noch 591
erwähnt wird. Erst der Einbruch der Slowenen von Ungarn her, die von
den Awaren geschoben und unterstützt wurden, in der zweiten Hälfte des sechsten
Jahrhunderts hat die sicherlich schon tief herabgekommne und geschwächte römische
Bevölkerung und Kultur in den Tälern der Ostalpen vernichtet, wie zu derselben
Zeit die Einwanderung der Serben und Kroaten in Dalmatien das romanische
Element auf die Küstenstädte beschränkte. Damals sind, wie zwar nicht eine
schriftliche Überlieferung, wohl aber die Neste melden, alle römischen Städte
dieser Gegenden, Celeja, Flavia Solvci, Viruuum, zuletzt auch Teurnia und
Agnontum, gewaltsam zerstört worden; sogar ihre Namen verschollen fast durch¬
weg, die Stellen, wo sie gestanden hatten, blieben wüst, die noch stehenden
Trümmer wurden als Steinbrüche benutzt und verschwanden allmählich. Nur
Pötovio (Pettcm) erhielt sich als fester Ort und blieb mit dem griechischen
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