Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches sehen, die Basis für eine englisch-französische Operation abzugeben. Es ist deshalb Die Annahme ist weit verbreitet, daß die Marineverwaltung uicht säumen Gegen feindliche Landungen, die sich ans deutschem Gebiete vollziehn sollen, Fast überraschend schnell ist ein Personenwechsel in der Leitung des preußischen Maßgebliches und Unmaßgebliches sehen, die Basis für eine englisch-französische Operation abzugeben. Es ist deshalb Die Annahme ist weit verbreitet, daß die Marineverwaltung uicht säumen Gegen feindliche Landungen, die sich ans deutschem Gebiete vollziehn sollen, Fast überraschend schnell ist ein Personenwechsel in der Leitung des preußischen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0175" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/296186"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_1084" prev="#ID_1083"> sehen, die Basis für eine englisch-französische Operation abzugeben. Es ist deshalb<lb/> anzunehmen, daß eine feindliche Landung nicht an der deutschen, sondern an der<lb/> dänischen Küste geschehen wird, möglichst weit von der Elbe und damit möglichst<lb/> gedeckt gegen deutsche Störung oder Behinderung. Es ist sogar sehr wohl denkbar,<lb/> daß während eine große Schlachtflvtte die unsrige ans der Elbe festhält, die Trcinsport-<lb/> fiotte uuter ausreichender Deckung ihren Weg nach Norden nimmt. Unsern Torpedo¬<lb/> divisionen wird es ja ein Kühnheit nicht fehlen, gegen ein solches Objekt vvrzugehn,<lb/> aber je weiter entfernt von deutschen Häfen sich eine feindliche Transportflotte be¬<lb/> wegt, desto schwieriger wird der Angriff für unsre Torpedodivisionen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1085"> Die Annahme ist weit verbreitet, daß die Marineverwaltung uicht säumen<lb/> werde, die jetzt für jedermann erkennbar gewordne Situation zu benutzen, dem<lb/> "ende mit voller Klarheit zu sage«, welcher Mittel die Flotte noch bedarf, um für<lb/> absehbare Zeit auf der Höhe ihrer Aufgabe zu bleiben. Auch für die Leitung der<lb/> deutschen Gesamtpolitik ist es nichts weniger als gleichgiltig, ob sie mit einer Flotte<lb/> rechnen kann, die stark genug ist, nicht nnr eine feindliche Schlachtflotte in Schach<lb/> zu halten, sondern auch den Transport feindlicher Heeresmassen über See zu einem<lb/> sehr gewagten Unternehmen zu machen. So viel man hört, beabsichtigt aber die<lb/> Marineverwaltuug uicht, über den vom Admiral von Tirpitz vor der Budget¬<lb/> kommission des Reichstags im Februar d. I. gezognen Nahmen hinauszugehn,<lb/> wesentlich aus finanziellen Rücksichten, weil befürchtet wird, daß die Reichsfinanzen<lb/> vom Reichstage nicht die Stärkung erfahren werden, die nötig wäre, die Marine<lb/> sür solche Aufgaben in den Stand zu setzen und der Reichspolitik die Schwingen<lb/> frei zu macheu. Sollte der Reichstag in dieser Beziehung wirklich versagen, so<lb/> würde die Frage, was wichtiger und dringender ist, ob Deutschland oder ob die<lb/> heutige parlamentarische Einrichtung, immer stärker in den Vordergrund rücken.</p><lb/> <p xml:id="ID_1086"> Gegen feindliche Landungen, die sich ans deutschem Gebiete vollziehn sollen,<lb/> können beizeiten Vorkehrungen getroffen werden, die außerhalb der Tätigkeit der<lb/> eigentlichen Schlachtflotte liegen und deren unmittelbare Mitwirkung im eigentlichen<lb/> Sinne nicht nötig haben. Die Pnnkte, um denen Landungen im großen Stil über¬<lb/> haupt möglich sind, sind ja zu zählen und genau festzustellen. Anders gestaltet sich<lb/> die Sache, wenn, wie nach der letzten Ostseefahrt der englischen Flotte mi't Sicherheit<lb/> anzunehmen ist, die Landung an der dänischen Küste stattfindet, und Dänemark<lb/> mit seinen reichen Hilfsquellen zur feindlichen Operationsbasis gemacht wird. Dabei<lb/> fiele schon die ganze Belastung des Proviant- und vielleicht mich des Munitions¬<lb/> nachschubes weg, die gerade bei der englischen Armee sehr schwer ins Gewicht zu<lb/> fallen pflegen. Ein feindliches Heer auf dänischen Gebiet konnte ferner dort seine<lb/> Verwundeten und Kranken unterbringen, es fände dort Pferde und Fuhrwerk zur<lb/> Genüge, kurzum, der eigentliche Nachschub würde sich fast ganz auf Ergänzung des<lb/> Mannschaftsbcdarfs beschränken. Nach einmal vollzogner Landung, die durch die<lb/> Flotte nicht vereitelt worden wäre, würde unsrer Landarmee eine ganz bedeutende<lb/> Mehrarbeit zufallen. Wir haben aber im Falle eines großen Krieges nicht nur<lb/> mit der Westgrenze, sondern mich mit unsern polnischen Gebieten und andern Dingen<lb/> zu rechnen, um so mehr ist es Pflicht der Flotte, der Landarmee jede<lb/> Mehrbelastung abzunehmen und sich dazu rechtzeitig in den Stand zu<lb/> setzen. Es ist dies die ratio ihres Daseins, und diese hängt so sehr mit unsrer<lb/> Gesamtpvlitik zusammen, daß man Wohl sagen darf, ein auf diese Eventualitäten hin<lb/> bemessener Ausbau der Flotte ist nicht nur eine militärische, sondern eine politische<lb/> Frage erste» Ranges für Deutschland. Eine Landung auf deutschem Gebiet<lb/> könnte mit verhältnismäßig geringen Kräften abgewiesen, wenn nicht schon auf der<lb/> See verhindert werden. Eine Landung auf dänischen Gebiet wäre auf der See<lb/> viel schwerer zu verhindern und würde, sobald sie vollzogen wäre, unsrer Land¬<lb/> armee weit größere Aufgaben stellen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1087" next="#ID_1088"> Fast überraschend schnell ist ein Personenwechsel in der Leitung des preußischen<lb/> Handelsministeriums eingetreten. Als der bisherige Handelsminister noch vor wenig<lb/> Tagen in Berlin eine öffentliche Rede hielt, scheint er das Bewußtsein, daß dies</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0175]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
sehen, die Basis für eine englisch-französische Operation abzugeben. Es ist deshalb
anzunehmen, daß eine feindliche Landung nicht an der deutschen, sondern an der
dänischen Küste geschehen wird, möglichst weit von der Elbe und damit möglichst
gedeckt gegen deutsche Störung oder Behinderung. Es ist sogar sehr wohl denkbar,
daß während eine große Schlachtflvtte die unsrige ans der Elbe festhält, die Trcinsport-
fiotte uuter ausreichender Deckung ihren Weg nach Norden nimmt. Unsern Torpedo¬
divisionen wird es ja ein Kühnheit nicht fehlen, gegen ein solches Objekt vvrzugehn,
aber je weiter entfernt von deutschen Häfen sich eine feindliche Transportflotte be¬
wegt, desto schwieriger wird der Angriff für unsre Torpedodivisionen.
Die Annahme ist weit verbreitet, daß die Marineverwaltung uicht säumen
werde, die jetzt für jedermann erkennbar gewordne Situation zu benutzen, dem
"ende mit voller Klarheit zu sage«, welcher Mittel die Flotte noch bedarf, um für
absehbare Zeit auf der Höhe ihrer Aufgabe zu bleiben. Auch für die Leitung der
deutschen Gesamtpolitik ist es nichts weniger als gleichgiltig, ob sie mit einer Flotte
rechnen kann, die stark genug ist, nicht nnr eine feindliche Schlachtflotte in Schach
zu halten, sondern auch den Transport feindlicher Heeresmassen über See zu einem
sehr gewagten Unternehmen zu machen. So viel man hört, beabsichtigt aber die
Marineverwaltuug uicht, über den vom Admiral von Tirpitz vor der Budget¬
kommission des Reichstags im Februar d. I. gezognen Nahmen hinauszugehn,
wesentlich aus finanziellen Rücksichten, weil befürchtet wird, daß die Reichsfinanzen
vom Reichstage nicht die Stärkung erfahren werden, die nötig wäre, die Marine
sür solche Aufgaben in den Stand zu setzen und der Reichspolitik die Schwingen
frei zu macheu. Sollte der Reichstag in dieser Beziehung wirklich versagen, so
würde die Frage, was wichtiger und dringender ist, ob Deutschland oder ob die
heutige parlamentarische Einrichtung, immer stärker in den Vordergrund rücken.
Gegen feindliche Landungen, die sich ans deutschem Gebiete vollziehn sollen,
können beizeiten Vorkehrungen getroffen werden, die außerhalb der Tätigkeit der
eigentlichen Schlachtflotte liegen und deren unmittelbare Mitwirkung im eigentlichen
Sinne nicht nötig haben. Die Pnnkte, um denen Landungen im großen Stil über¬
haupt möglich sind, sind ja zu zählen und genau festzustellen. Anders gestaltet sich
die Sache, wenn, wie nach der letzten Ostseefahrt der englischen Flotte mi't Sicherheit
anzunehmen ist, die Landung an der dänischen Küste stattfindet, und Dänemark
mit seinen reichen Hilfsquellen zur feindlichen Operationsbasis gemacht wird. Dabei
fiele schon die ganze Belastung des Proviant- und vielleicht mich des Munitions¬
nachschubes weg, die gerade bei der englischen Armee sehr schwer ins Gewicht zu
fallen pflegen. Ein feindliches Heer auf dänischen Gebiet konnte ferner dort seine
Verwundeten und Kranken unterbringen, es fände dort Pferde und Fuhrwerk zur
Genüge, kurzum, der eigentliche Nachschub würde sich fast ganz auf Ergänzung des
Mannschaftsbcdarfs beschränken. Nach einmal vollzogner Landung, die durch die
Flotte nicht vereitelt worden wäre, würde unsrer Landarmee eine ganz bedeutende
Mehrarbeit zufallen. Wir haben aber im Falle eines großen Krieges nicht nur
mit der Westgrenze, sondern mich mit unsern polnischen Gebieten und andern Dingen
zu rechnen, um so mehr ist es Pflicht der Flotte, der Landarmee jede
Mehrbelastung abzunehmen und sich dazu rechtzeitig in den Stand zu
setzen. Es ist dies die ratio ihres Daseins, und diese hängt so sehr mit unsrer
Gesamtpvlitik zusammen, daß man Wohl sagen darf, ein auf diese Eventualitäten hin
bemessener Ausbau der Flotte ist nicht nur eine militärische, sondern eine politische
Frage erste» Ranges für Deutschland. Eine Landung auf deutschem Gebiet
könnte mit verhältnismäßig geringen Kräften abgewiesen, wenn nicht schon auf der
See verhindert werden. Eine Landung auf dänischen Gebiet wäre auf der See
viel schwerer zu verhindern und würde, sobald sie vollzogen wäre, unsrer Land¬
armee weit größere Aufgaben stellen.
Fast überraschend schnell ist ein Personenwechsel in der Leitung des preußischen
Handelsministeriums eingetreten. Als der bisherige Handelsminister noch vor wenig
Tagen in Berlin eine öffentliche Rede hielt, scheint er das Bewußtsein, daß dies
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