Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Viertes Vierteljahr.der an Babingtou in zwei Hülsten gesandte Originalbrief, wie ihn Labanoff Als Mariens Todesurteil von den eigens berufnen, den höchsten Stellen Die mit dem zweiten Staatssekretär Davison gespickte unwürdige Komödie, der an Babingtou in zwei Hülsten gesandte Originalbrief, wie ihn Labanoff Als Mariens Todesurteil von den eigens berufnen, den höchsten Stellen Die mit dem zweiten Staatssekretär Davison gespickte unwürdige Komödie, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0156" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/296167"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_847" prev="#ID_846"> der an Babingtou in zwei Hülsten gesandte Originalbrief, wie ihn Labanoff<lb/> abdrückt, in französischer Sprache geschrieben; der oben zitierte Text ist Froudes<lb/> „Geschichte von England, von Wolseys Fall bis zu dein mißlungnen Angriff<lb/> der Armada," entnommen.</p><lb/> <p xml:id="ID_848"> Als Mariens Todesurteil von den eigens berufnen, den höchsten Stellen<lb/> des Landes angehörenden siebenundvierzig Richtern gefällt und dessen Voll¬<lb/> ziehung im November (1586) vom Parlament in Form einer sehr dringlich<lb/> gehaltnen Petition beantragt worden war, folgten von Elisabeths Seite die<lb/> bekannten zögernden Schritte, die man versteht, wenn man sich in ihre Lage<lb/> versetzt, dabei aber menschliche Rührung und weibliches Mitleid, zwei Gefühle,<lb/> von denen die echte Tochter Heinrichs des Achten, wenn sie sie überhaupt<lb/> kannte, nie geleitet wurde, aus dem Spiele läßt. Es galt einen Blutbefehl,<lb/> den ihr bisheriges Verhalten und die politische Lage veranlaßt hatten, und<lb/> den sie als eine unabweisbare Notwendigkeit hinzustellen wünschte, unter Um¬<lb/> ständen zu unterschreiben und vollziehn zu lassen, die ihr erlauben sollten,<lb/> Mariens Sohne, den Fürsten Europas, der Mit- und der Nachwelt gegenüber<lb/> ihren eignen Anteil an dem Geschehenen im Lichte von etwas ihr abgezwungnem,<lb/> was die Hinrichtung anlangte, sogar gegen ihren Willen vollzognem darzustellen.<lb/> Die widerlich falsche und stellenweise geradezu verächtliche Rolle, die sie zu<lb/> diesem Ende gespielt hat, ist ihr insofern geglückt, als sie dem Rachezuge<lb/> Jakobs von Schottland und Frankreichs, den sie fürchtete, wirklich vorbeugte;<lb/> die Mitwelt aber und die Nachwelt hat sie nicht zu täuschen vermocht.</p><lb/> <p xml:id="ID_849" next="#ID_850"> Die mit dem zweiten Staatssekretär Davison gespickte unwürdige Komödie,<lb/> die Schiller sehr glücklich und nur insofern nicht ganz den Tatsachen gemäß<lb/> verwandt hat, als er aus dem von Elisabeth für ihre Zwecke ersehenen Opfer<lb/> einen unerfahrnen, von ihr übertölpelten Mann macht, kann niemand täuschen,<lb/> der die von Davison bei seinen wiederholten Abhörungen getaner Aussagen<lb/> gelesen hat. Er hatte als welterfahrner Mann und Beamter von der ersten<lb/> Stunde an das rechte Verständnis für die Gefahr, in die ihn seine in solchen<lb/> Dingen völlig gewissenlose Herrin zu stürzen bestrebt war, und wenn er nicht<lb/> die elementare Vorsicht gebraucht hätte, sich an dem der Königin unentbehrlichen<lb/> Lord Burghley eine Rückendeckung zu verschaffen, die dieser durch die vorsichtige<lb/> Berufung eines Ministerrath noch verstärkte, so würde sie ihn ohne Zweifel,<lb/> um sich von jeder Schuld rein zu waschen, kalten Blutes um einen Kopf haben<lb/> kürzer machen lassen. Burghleys Borsicht und ein zweiter Umstand retteten<lb/> Davison das Leben. Die Königin mußte ihn schonen, wenn sie nicht wollte,<lb/> daß er vor dem zu seiner Aburteilung eingesetzten Gerichtshofe das bekannt<lb/> gab, was sie am liebsten sogar ihren Ministern außer Walsingham verschwiegen<lb/> hätte, den von ihr durch Davison bei Sir Amyas Paulet und Sir Drew Drury<lb/> vergeblich gemachten Versuch, die Königin von Schottland noch vor der Hin¬<lb/> richtung durch ihre Wächter umbringen zu lassen. Zum Glück hatte Davison<lb/> Sir Amyases überaus würdige und selbstverständlich ablehnende Antwort auf<lb/> diese schimpfliche Zumutung aufgehoben. Was Elisabeths weibliches und<lb/> schwesterliches Mitgefühl, was ihre Tränen, was ihr Brief an den Sohn der<lb/> von ihr beseitigten Rivalin wert waren, beweist dieser heimliche Versuch, die</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0156]
der an Babingtou in zwei Hülsten gesandte Originalbrief, wie ihn Labanoff
abdrückt, in französischer Sprache geschrieben; der oben zitierte Text ist Froudes
„Geschichte von England, von Wolseys Fall bis zu dein mißlungnen Angriff
der Armada," entnommen.
Als Mariens Todesurteil von den eigens berufnen, den höchsten Stellen
des Landes angehörenden siebenundvierzig Richtern gefällt und dessen Voll¬
ziehung im November (1586) vom Parlament in Form einer sehr dringlich
gehaltnen Petition beantragt worden war, folgten von Elisabeths Seite die
bekannten zögernden Schritte, die man versteht, wenn man sich in ihre Lage
versetzt, dabei aber menschliche Rührung und weibliches Mitleid, zwei Gefühle,
von denen die echte Tochter Heinrichs des Achten, wenn sie sie überhaupt
kannte, nie geleitet wurde, aus dem Spiele läßt. Es galt einen Blutbefehl,
den ihr bisheriges Verhalten und die politische Lage veranlaßt hatten, und
den sie als eine unabweisbare Notwendigkeit hinzustellen wünschte, unter Um¬
ständen zu unterschreiben und vollziehn zu lassen, die ihr erlauben sollten,
Mariens Sohne, den Fürsten Europas, der Mit- und der Nachwelt gegenüber
ihren eignen Anteil an dem Geschehenen im Lichte von etwas ihr abgezwungnem,
was die Hinrichtung anlangte, sogar gegen ihren Willen vollzognem darzustellen.
Die widerlich falsche und stellenweise geradezu verächtliche Rolle, die sie zu
diesem Ende gespielt hat, ist ihr insofern geglückt, als sie dem Rachezuge
Jakobs von Schottland und Frankreichs, den sie fürchtete, wirklich vorbeugte;
die Mitwelt aber und die Nachwelt hat sie nicht zu täuschen vermocht.
Die mit dem zweiten Staatssekretär Davison gespickte unwürdige Komödie,
die Schiller sehr glücklich und nur insofern nicht ganz den Tatsachen gemäß
verwandt hat, als er aus dem von Elisabeth für ihre Zwecke ersehenen Opfer
einen unerfahrnen, von ihr übertölpelten Mann macht, kann niemand täuschen,
der die von Davison bei seinen wiederholten Abhörungen getaner Aussagen
gelesen hat. Er hatte als welterfahrner Mann und Beamter von der ersten
Stunde an das rechte Verständnis für die Gefahr, in die ihn seine in solchen
Dingen völlig gewissenlose Herrin zu stürzen bestrebt war, und wenn er nicht
die elementare Vorsicht gebraucht hätte, sich an dem der Königin unentbehrlichen
Lord Burghley eine Rückendeckung zu verschaffen, die dieser durch die vorsichtige
Berufung eines Ministerrath noch verstärkte, so würde sie ihn ohne Zweifel,
um sich von jeder Schuld rein zu waschen, kalten Blutes um einen Kopf haben
kürzer machen lassen. Burghleys Borsicht und ein zweiter Umstand retteten
Davison das Leben. Die Königin mußte ihn schonen, wenn sie nicht wollte,
daß er vor dem zu seiner Aburteilung eingesetzten Gerichtshofe das bekannt
gab, was sie am liebsten sogar ihren Ministern außer Walsingham verschwiegen
hätte, den von ihr durch Davison bei Sir Amyas Paulet und Sir Drew Drury
vergeblich gemachten Versuch, die Königin von Schottland noch vor der Hin¬
richtung durch ihre Wächter umbringen zu lassen. Zum Glück hatte Davison
Sir Amyases überaus würdige und selbstverständlich ablehnende Antwort auf
diese schimpfliche Zumutung aufgehoben. Was Elisabeths weibliches und
schwesterliches Mitgefühl, was ihre Tränen, was ihr Brief an den Sohn der
von ihr beseitigten Rivalin wert waren, beweist dieser heimliche Versuch, die
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