Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite


Weltpolitik

er britische Journalist Sydney Brooks schildert in einem Artikel
der Angustnummer der Uortll ^msrioan Rsviov die Lage Europas,
wie sie sich vom englischen Standpunkt aus darstellt. Nach
scharfen Seitenhieben gegen Deutschland und buhlerischen Kompli¬
menten an alle andern Großmächte kommt er zu dem Schlnß-
resultat, daß Großbritannien den engsten Anschluß an die Vereinigten Staaten
suchen, gute Beziehungen zu Frankreich und zu Nußland sowie zu Japan
herstellen, dagegen Deutschland schachmatt setzen müsse. Daß Rußland mit
Japan im Kriege liegt, scheint den Verfasser wenig zu kümmern, denn er meint,
daß nach dem Friedensschluß der Zar von selbst die Freundschaft des starken
Albions erflehen werde. Jedenfalls können wir Herrn Brooks nur dankbar
sein für den Freimut, mit dem er uns zeigt, wie seine Regierung unsern
unlmxx/ g,na rmiversal Ku-nel ok ron8iuA 8U8xioion mia 6is1ne<z ausnützen
und uns von allen isolieren könne, sofern sie nnr daran festhielte, unser Liebes-
werben jederzeit unerwidert zu lassen.

Daß der Deutsche in der Welt nicht beliebt ist, hat auch Vismarck nie
geleugnet, und die edle Liebenswürdigkeit unsers Kaisers bei internationalen
Fällen hat leider so gut wie nichts an dieser Tatsache geändert. Bei der
zentralen Lage unsers Vaterlandes im Herzen von Europa ist das aber selbst¬
verständlich, und der auf seiner nur vom Weltmeer umspülten Insel sitzende
Engländer, der unbeliebt ist, ohne Nachbarn zu haben, sollte der letzte sein,
der Steine auf uns wirft. Wir können uns nicht rühren, ohne mindestens
die Aufmerksamkeit der Mitbewohner des europäischen Kontinents zu erregen
und häufig auch ihren Neid zu erwecken. Schon allein die Zunahme unsrer
Bevölkerung jetzt jährlich um eine Million ist eine Sache, die uns niemand
verzeiht. Unser staunenswerter politischer und wirtschaftlicher Aufschwung vollends
wird von vielen als eine Gefährdung des famosen europäischen Gleichgewichts
betrachtet, während doch tatsächlich durch ihn allein der Friede länger als
dreißig Jahre aufrecht erhalten worden ist.

Wir sind jetzt anerkanntermaßen die erste Landmacht der Welt und in
Europa so gut wie unangreifbar. Das zu bleiben ist nach den Erfahrungen
der Geschichte für uns wichtiger als alles andre. Unsre Offiziere und unser


Grenzboten IV 1904 1


Weltpolitik

er britische Journalist Sydney Brooks schildert in einem Artikel
der Angustnummer der Uortll ^msrioan Rsviov die Lage Europas,
wie sie sich vom englischen Standpunkt aus darstellt. Nach
scharfen Seitenhieben gegen Deutschland und buhlerischen Kompli¬
menten an alle andern Großmächte kommt er zu dem Schlnß-
resultat, daß Großbritannien den engsten Anschluß an die Vereinigten Staaten
suchen, gute Beziehungen zu Frankreich und zu Nußland sowie zu Japan
herstellen, dagegen Deutschland schachmatt setzen müsse. Daß Rußland mit
Japan im Kriege liegt, scheint den Verfasser wenig zu kümmern, denn er meint,
daß nach dem Friedensschluß der Zar von selbst die Freundschaft des starken
Albions erflehen werde. Jedenfalls können wir Herrn Brooks nur dankbar
sein für den Freimut, mit dem er uns zeigt, wie seine Regierung unsern
unlmxx/ g,na rmiversal Ku-nel ok ron8iuA 8U8xioion mia 6is1ne<z ausnützen
und uns von allen isolieren könne, sofern sie nnr daran festhielte, unser Liebes-
werben jederzeit unerwidert zu lassen.

Daß der Deutsche in der Welt nicht beliebt ist, hat auch Vismarck nie
geleugnet, und die edle Liebenswürdigkeit unsers Kaisers bei internationalen
Fällen hat leider so gut wie nichts an dieser Tatsache geändert. Bei der
zentralen Lage unsers Vaterlandes im Herzen von Europa ist das aber selbst¬
verständlich, und der auf seiner nur vom Weltmeer umspülten Insel sitzende
Engländer, der unbeliebt ist, ohne Nachbarn zu haben, sollte der letzte sein,
der Steine auf uns wirft. Wir können uns nicht rühren, ohne mindestens
die Aufmerksamkeit der Mitbewohner des europäischen Kontinents zu erregen
und häufig auch ihren Neid zu erwecken. Schon allein die Zunahme unsrer
Bevölkerung jetzt jährlich um eine Million ist eine Sache, die uns niemand
verzeiht. Unser staunenswerter politischer und wirtschaftlicher Aufschwung vollends
wird von vielen als eine Gefährdung des famosen europäischen Gleichgewichts
betrachtet, während doch tatsächlich durch ihn allein der Friede länger als
dreißig Jahre aufrecht erhalten worden ist.

Wir sind jetzt anerkanntermaßen die erste Landmacht der Welt und in
Europa so gut wie unangreifbar. Das zu bleiben ist nach den Erfahrungen
der Geschichte für uns wichtiger als alles andre. Unsre Offiziere und unser


Grenzboten IV 1904 1
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <div n="3">
              <pb facs="#f0009" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/295228"/>
              <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341879_295218/figures/grenzboten_341879_295218_295228_000.jpg"/><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Weltpolitik</head><lb/>
          <p xml:id="ID_2"> er britische Journalist Sydney Brooks schildert in einem Artikel<lb/>
der Angustnummer der Uortll ^msrioan Rsviov die Lage Europas,<lb/>
wie sie sich vom englischen Standpunkt aus darstellt. Nach<lb/>
scharfen Seitenhieben gegen Deutschland und buhlerischen Kompli¬<lb/>
menten an alle andern Großmächte kommt er zu dem Schlnß-<lb/>
resultat, daß Großbritannien den engsten Anschluß an die Vereinigten Staaten<lb/>
suchen, gute Beziehungen zu Frankreich und zu Nußland sowie zu Japan<lb/>
herstellen, dagegen Deutschland schachmatt setzen müsse. Daß Rußland mit<lb/>
Japan im Kriege liegt, scheint den Verfasser wenig zu kümmern, denn er meint,<lb/>
daß nach dem Friedensschluß der Zar von selbst die Freundschaft des starken<lb/>
Albions erflehen werde. Jedenfalls können wir Herrn Brooks nur dankbar<lb/>
sein für den Freimut, mit dem er uns zeigt, wie seine Regierung unsern<lb/>
unlmxx/ g,na rmiversal Ku-nel ok ron8iuA 8U8xioion mia 6is1ne&lt;z ausnützen<lb/>
und uns von allen isolieren könne, sofern sie nnr daran festhielte, unser Liebes-<lb/>
werben jederzeit unerwidert zu lassen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_3"> Daß der Deutsche in der Welt nicht beliebt ist, hat auch Vismarck nie<lb/>
geleugnet, und die edle Liebenswürdigkeit unsers Kaisers bei internationalen<lb/>
Fällen hat leider so gut wie nichts an dieser Tatsache geändert. Bei der<lb/>
zentralen Lage unsers Vaterlandes im Herzen von Europa ist das aber selbst¬<lb/>
verständlich, und der auf seiner nur vom Weltmeer umspülten Insel sitzende<lb/>
Engländer, der unbeliebt ist, ohne Nachbarn zu haben, sollte der letzte sein,<lb/>
der Steine auf uns wirft. Wir können uns nicht rühren, ohne mindestens<lb/>
die Aufmerksamkeit der Mitbewohner des europäischen Kontinents zu erregen<lb/>
und häufig auch ihren Neid zu erwecken. Schon allein die Zunahme unsrer<lb/>
Bevölkerung jetzt jährlich um eine Million ist eine Sache, die uns niemand<lb/>
verzeiht. Unser staunenswerter politischer und wirtschaftlicher Aufschwung vollends<lb/>
wird von vielen als eine Gefährdung des famosen europäischen Gleichgewichts<lb/>
betrachtet, während doch tatsächlich durch ihn allein der Friede länger als<lb/>
dreißig Jahre aufrecht erhalten worden ist.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_4" next="#ID_5"> Wir sind jetzt anerkanntermaßen die erste Landmacht der Welt und in<lb/>
Europa so gut wie unangreifbar.  Das zu bleiben ist nach den Erfahrungen<lb/>
der Geschichte für uns wichtiger als alles andre.  Unsre Offiziere und unser</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten IV 1904 1</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0009] [Abbildung] Weltpolitik er britische Journalist Sydney Brooks schildert in einem Artikel der Angustnummer der Uortll ^msrioan Rsviov die Lage Europas, wie sie sich vom englischen Standpunkt aus darstellt. Nach scharfen Seitenhieben gegen Deutschland und buhlerischen Kompli¬ menten an alle andern Großmächte kommt er zu dem Schlnß- resultat, daß Großbritannien den engsten Anschluß an die Vereinigten Staaten suchen, gute Beziehungen zu Frankreich und zu Nußland sowie zu Japan herstellen, dagegen Deutschland schachmatt setzen müsse. Daß Rußland mit Japan im Kriege liegt, scheint den Verfasser wenig zu kümmern, denn er meint, daß nach dem Friedensschluß der Zar von selbst die Freundschaft des starken Albions erflehen werde. Jedenfalls können wir Herrn Brooks nur dankbar sein für den Freimut, mit dem er uns zeigt, wie seine Regierung unsern unlmxx/ g,na rmiversal Ku-nel ok ron8iuA 8U8xioion mia 6is1ne<z ausnützen und uns von allen isolieren könne, sofern sie nnr daran festhielte, unser Liebes- werben jederzeit unerwidert zu lassen. Daß der Deutsche in der Welt nicht beliebt ist, hat auch Vismarck nie geleugnet, und die edle Liebenswürdigkeit unsers Kaisers bei internationalen Fällen hat leider so gut wie nichts an dieser Tatsache geändert. Bei der zentralen Lage unsers Vaterlandes im Herzen von Europa ist das aber selbst¬ verständlich, und der auf seiner nur vom Weltmeer umspülten Insel sitzende Engländer, der unbeliebt ist, ohne Nachbarn zu haben, sollte der letzte sein, der Steine auf uns wirft. Wir können uns nicht rühren, ohne mindestens die Aufmerksamkeit der Mitbewohner des europäischen Kontinents zu erregen und häufig auch ihren Neid zu erwecken. Schon allein die Zunahme unsrer Bevölkerung jetzt jährlich um eine Million ist eine Sache, die uns niemand verzeiht. Unser staunenswerter politischer und wirtschaftlicher Aufschwung vollends wird von vielen als eine Gefährdung des famosen europäischen Gleichgewichts betrachtet, während doch tatsächlich durch ihn allein der Friede länger als dreißig Jahre aufrecht erhalten worden ist. Wir sind jetzt anerkanntermaßen die erste Landmacht der Welt und in Europa so gut wie unangreifbar. Das zu bleiben ist nach den Erfahrungen der Geschichte für uns wichtiger als alles andre. Unsre Offiziere und unser Grenzboten IV 1904 1

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_295218
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_295218/9
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_295218/9>, abgerufen am 23.07.2024.