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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Aber was bedeutet das erste Wort? Das versteht man, wenn man sich eines alten
Aberglaubens erinnert, demzufolge Hexen oder ethische Geister nicht allein die Kühe
bezaubern, sondern auch die Milch und die Butter selbst verderben. Solche Wesen
nannte man mit plattdeutschen Ausdruck molksntö^vor, eigentlich mollcsntövsrsr oder
mollieniövoi'sobs, d. h. Molkenzauberer; und woiKsiMnorsobo brsunon war nach
Dcihnerts Wörterbuch der Nügensch-Pommerschen Mundart eine abergläubische Sitte
auf Rügen, "da man an Philippi Jacobi Abend mit großen Feuerbränden ins Feld
lief und dadurch zu verhüten glaubte, daß die Hexen das Milchvieh nicht bezaubern
sollten." Handelte es sich aber um das Verderben der Milch oder der Butter selbst, so
nahmen die Hexen nach weit verbreitetem Glauben die Gestalt von Schmetterlingen an.
Daher kommt es, daß molliöntöwor ein gangbarer Ausdruck für den Schmetter¬
ling geworden ist, ebenso wie in der Schweiz -- man erkennt daraus die weite
Verbreitung des Aberglaubens -- tcAZsU sowohl den Alp wie den Schmetterling
bedeutet. Auch die Ausdrücke buitervoAvI (englisch buiwrn^-), bottörliollvr, mollcsn-
äisb weisen darauf hin. Demnach ist es klar, was botterbexs eigentlich bedeutet;
daß es nicht zum Uebernamen des Schmetterlings geworden ist, hat wohl der Um¬
stand verhindert, daß man beim Worte Hexe sich doch immer ein menschenähnliches
Wesen vorstellt. Der eben genannte Dcihnert verzeichnet zwar keine boitorluzxs,
aber er kennt dafür ein bottoralk, das ist natürlich im Grunde dasselbe, nämlich
ein ethisches, koboldartiges Wesen, das die Butter verdirbt. Nur daß der jetzige
Gebrauch der beiden Wörter nicht mehr ganz zusammenstimmt. Denn wenn das
Wort boitsrbexo fast zu einem Kosewort geworden ist, ist votwralk, wie schon das
Grundwort -M, mehr ein Scheltwort, man meint damit hente, wo es gebraucht
wird, ein albernes, törichtes Mädchen. Gemein aber haben beide Wörter wieder,
daß der Sinn des ersten Wortteils vergessen ist. So sieht man auch an diesen
Beispielen, wie an unzähligen ander", wie die Sprache, um einen Ausdruck Hilde-
b F. i<. rands zu brauchen, altes Leben mit sich führt.






Zur Beachtung
Mit dem nächsten Aeste beginnt diese Zeitschrift das 1. Vierteljahr ihres "4. Jahr-
ganges. Sie ist durch alle Buchhandlungen und Psstanstalten des In- und Auslandes zu be¬
ziehe". Preis für das Vierteljahr ii Mark. Wir bitten, die Bestellung schleunig zu erneuern.
Unsre Keser machen wir noch besonders darauf aufmerksam" daß die Grenzboten
regelmäßig jeden Donnerstag erscheinen. Wenn Unregelmäßigkeiten in der Kieferung,
besonders beim (huartalwcchsel, vorkommen, so bitten wir dringend, uns dies sofort
mitzuteilen, damit wir für Abhilfe sorgen Können.
S-ipsig, w, Dezember in"4 Die Verlagshandlung




Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig
Fr. Will). Grunow in Leipzig -- Druck von Karl Marquart in Leipzig
Maßgebliches und Unmaßgebliches

Aber was bedeutet das erste Wort? Das versteht man, wenn man sich eines alten
Aberglaubens erinnert, demzufolge Hexen oder ethische Geister nicht allein die Kühe
bezaubern, sondern auch die Milch und die Butter selbst verderben. Solche Wesen
nannte man mit plattdeutschen Ausdruck molksntö^vor, eigentlich mollcsntövsrsr oder
mollieniövoi'sobs, d. h. Molkenzauberer; und woiKsiMnorsobo brsunon war nach
Dcihnerts Wörterbuch der Nügensch-Pommerschen Mundart eine abergläubische Sitte
auf Rügen, „da man an Philippi Jacobi Abend mit großen Feuerbränden ins Feld
lief und dadurch zu verhüten glaubte, daß die Hexen das Milchvieh nicht bezaubern
sollten." Handelte es sich aber um das Verderben der Milch oder der Butter selbst, so
nahmen die Hexen nach weit verbreitetem Glauben die Gestalt von Schmetterlingen an.
Daher kommt es, daß molliöntöwor ein gangbarer Ausdruck für den Schmetter¬
ling geworden ist, ebenso wie in der Schweiz — man erkennt daraus die weite
Verbreitung des Aberglaubens — tcAZsU sowohl den Alp wie den Schmetterling
bedeutet. Auch die Ausdrücke buitervoAvI (englisch buiwrn^-), bottörliollvr, mollcsn-
äisb weisen darauf hin. Demnach ist es klar, was botterbexs eigentlich bedeutet;
daß es nicht zum Uebernamen des Schmetterlings geworden ist, hat wohl der Um¬
stand verhindert, daß man beim Worte Hexe sich doch immer ein menschenähnliches
Wesen vorstellt. Der eben genannte Dcihnert verzeichnet zwar keine boitorluzxs,
aber er kennt dafür ein bottoralk, das ist natürlich im Grunde dasselbe, nämlich
ein ethisches, koboldartiges Wesen, das die Butter verdirbt. Nur daß der jetzige
Gebrauch der beiden Wörter nicht mehr ganz zusammenstimmt. Denn wenn das
Wort boitsrbexo fast zu einem Kosewort geworden ist, ist votwralk, wie schon das
Grundwort -M, mehr ein Scheltwort, man meint damit hente, wo es gebraucht
wird, ein albernes, törichtes Mädchen. Gemein aber haben beide Wörter wieder,
daß der Sinn des ersten Wortteils vergessen ist. So sieht man auch an diesen
Beispielen, wie an unzähligen ander», wie die Sprache, um einen Ausdruck Hilde-
b F. i<. rands zu brauchen, altes Leben mit sich führt.






Zur Beachtung
Mit dem nächsten Aeste beginnt diese Zeitschrift das 1. Vierteljahr ihres «4. Jahr-
ganges. Sie ist durch alle Buchhandlungen und Psstanstalten des In- und Auslandes zu be¬
ziehe». Preis für das Vierteljahr ii Mark. Wir bitten, die Bestellung schleunig zu erneuern.
Unsre Keser machen wir noch besonders darauf aufmerksam» daß die Grenzboten
regelmäßig jeden Donnerstag erscheinen. Wenn Unregelmäßigkeiten in der Kieferung,
besonders beim (huartalwcchsel, vorkommen, so bitten wir dringend, uns dies sofort
mitzuteilen, damit wir für Abhilfe sorgen Können.
S-ipsig, w, Dezember in«4 Die Verlagshandlung




Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig
Fr. Will). Grunow in Leipzig — Druck von Karl Marquart in Leipzig
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[0782] Maßgebliches und Unmaßgebliches Aber was bedeutet das erste Wort? Das versteht man, wenn man sich eines alten Aberglaubens erinnert, demzufolge Hexen oder ethische Geister nicht allein die Kühe bezaubern, sondern auch die Milch und die Butter selbst verderben. Solche Wesen nannte man mit plattdeutschen Ausdruck molksntö^vor, eigentlich mollcsntövsrsr oder mollieniövoi'sobs, d. h. Molkenzauberer; und woiKsiMnorsobo brsunon war nach Dcihnerts Wörterbuch der Nügensch-Pommerschen Mundart eine abergläubische Sitte auf Rügen, „da man an Philippi Jacobi Abend mit großen Feuerbränden ins Feld lief und dadurch zu verhüten glaubte, daß die Hexen das Milchvieh nicht bezaubern sollten." Handelte es sich aber um das Verderben der Milch oder der Butter selbst, so nahmen die Hexen nach weit verbreitetem Glauben die Gestalt von Schmetterlingen an. Daher kommt es, daß molliöntöwor ein gangbarer Ausdruck für den Schmetter¬ ling geworden ist, ebenso wie in der Schweiz — man erkennt daraus die weite Verbreitung des Aberglaubens — tcAZsU sowohl den Alp wie den Schmetterling bedeutet. Auch die Ausdrücke buitervoAvI (englisch buiwrn^-), bottörliollvr, mollcsn- äisb weisen darauf hin. Demnach ist es klar, was botterbexs eigentlich bedeutet; daß es nicht zum Uebernamen des Schmetterlings geworden ist, hat wohl der Um¬ stand verhindert, daß man beim Worte Hexe sich doch immer ein menschenähnliches Wesen vorstellt. Der eben genannte Dcihnert verzeichnet zwar keine boitorluzxs, aber er kennt dafür ein bottoralk, das ist natürlich im Grunde dasselbe, nämlich ein ethisches, koboldartiges Wesen, das die Butter verdirbt. Nur daß der jetzige Gebrauch der beiden Wörter nicht mehr ganz zusammenstimmt. Denn wenn das Wort boitsrbexo fast zu einem Kosewort geworden ist, ist votwralk, wie schon das Grundwort -M, mehr ein Scheltwort, man meint damit hente, wo es gebraucht wird, ein albernes, törichtes Mädchen. Gemein aber haben beide Wörter wieder, daß der Sinn des ersten Wortteils vergessen ist. So sieht man auch an diesen Beispielen, wie an unzähligen ander», wie die Sprache, um einen Ausdruck Hilde- b F. i<. rands zu brauchen, altes Leben mit sich führt. Zur Beachtung Mit dem nächsten Aeste beginnt diese Zeitschrift das 1. Vierteljahr ihres «4. Jahr- ganges. Sie ist durch alle Buchhandlungen und Psstanstalten des In- und Auslandes zu be¬ ziehe». Preis für das Vierteljahr ii Mark. Wir bitten, die Bestellung schleunig zu erneuern. Unsre Keser machen wir noch besonders darauf aufmerksam» daß die Grenzboten regelmäßig jeden Donnerstag erscheinen. Wenn Unregelmäßigkeiten in der Kieferung, besonders beim (huartalwcchsel, vorkommen, so bitten wir dringend, uns dies sofort mitzuteilen, damit wir für Abhilfe sorgen Können. S-ipsig, w, Dezember in«4 Die Verlagshandlung Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig Fr. Will). Grunow in Leipzig — Druck von Karl Marquart in Leipzig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_295218/782>, abgerufen am 23.07.2024.