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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr.

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Der fromme Meiler

diesen hier eigentlich dorthin tragen wollen. Aber jetzt, wo er so schön geraten
war -- hin, lachte Gottlob Maier. Doch es war nicht sein Humoristenlachen; es
war Entrüstung und Abwehr gegen die Zumutung, eine bare Mark zu verschenken.
Ja, eine bare Mark, denn hier war die Villa, und nun stand er an der Gitterpforte
und brauchte nur zu schellen, dann bekam er sie. Er wußte es nicht so genau,
daß er im Begriff war, ein Königtum zu verkaufen. Es war ihm nur höchst un¬
behaglich zumute. Aber dann machte er ein Ende, indem er die Glocke zog. Ein
Diener kam' und führte ihn in eine schöngewölbte Vorhalle, und dann kam eine
schone, junge Dame mit hellen Locken und einem hellen Gesicht und einer ganz
hellen, klingenden Stimme und sagte: El, das ist ja gut, daß wir wieder einen
Lieferanten haben! Und sie wunderte sich gar nicht weiter, sondern ordnete nur
mit vieler Sicherheit an, daß er von nun an jeden Sonntag, aber lieber des
Morgens, oder uoch besser am Samstag Abend einen Strauß bringen solle. Ihm
stockte die Rede. Er wollte gern sagen, daß er am Samstag Abend nicht in den
Wald laufen könne, und daß er auch eigentlich nicht mit Sträußen handle. Und
dann überfiel es ihn plötzlich, daß er sich hier herein verirrt habe und nun ge¬
fangen sei, und daß er nnn nie mehr still und froh und mit einem Sonntags¬
herzen im Walde herumstreifen könne, und sich nie mehr ganz reinigen könne vom
Werktagsstanb, als einer, der frei ist und eine Welt für sich hat, sondern daß er
sich nun von diesem hellen Fräulein an einen Faden binden lasse und an diesem
Faden herumgehe und Sträuße suche, Sonntag für Sonntag, das Stück zu einer
Mark. Er sand aber kein Wort der Abwehr, denn er war schon unfrei. Das
Fräulein sah ihn verwundert um, wie er ein ratloses Gesicht machte und sich mit
dein Ärmel darüber fuhr und endlich sagte: Ja, und -- Aber als nichts weiter
erfolgte, fand sie die Sache erledigt, drückte ihm die verlangte Mark in die Hand
und ging die wenigen schneeweißen Treppenstufen hinan und verschwand hinter einem
dunkelroten Vorhang. Da hatte nun Gottlob Miller sein Sündengeld auf der
Handfläche liegen und besah sichs wie etwas Neues, was es ja auch wirklich war,
und zögerte mit dem Weggehn, bis der Diener mit hochmütigem Gesicht sagte:
Na, was ist noch? und ihm kurzerhand die Haustür öffnete. Da schritt er hinaus,
und die Tür fiel hinter ihm zu mit dem dumpfen, verhaltnen Schall, mit dem
vornehme Haustüren zuzufallen Pflegen. Und nachdem er noch den gelben Sand¬
weg des Vorgartens durchschritten hatte, fiel auch die Gittertür zu und klirrte
dabei. Und damit war die Sache unwiderruflich geschehen.

Da ging Gottlob Miller talwärts, der Stadt zu, und schlenkerte so unbe¬
hilflich mit den Händen, als man nnr kann, weil er nichts zu tragen hatte, und
zwinkerte noch mehr als sonst mit den Augen und wollte sich einbilden, es sei ihm
so recht wohl und vergnüglich zumute. Aber das gelang ihm nur mäßig, und
daran sieht man, daß er im Gründe schlecht in seine neue Haut paßte. Er ging
in die Wirtschaft zu den drei Lilien, in der er einzukehren pflegte, setzte sich in
eine Ecke und aß saure Nieren. Na du, du drückst ja gewaltig dran herum, sagte
ein Bekannter, der an einem andern Tisch saß. schmeckts nicht? Trink ein paar
Glas dazu, Waldläufer. Aber das machte er nicht. Er stand auf, zahlte und
ging. Nun war die Mark draußen. Ach was, es war ganz vernünftig gewesen;
schließlich, es war wohl das beste, es wieder zu tun. Dann hat das Herumlaufen
auch einen Zweck, sagte er vor sich hin und schob sich den Filz besser zurecht.
Darum freuts mich gerade so, setzte er hinzu. Das war uicht wahr; aber gerade
darum mußte er sichs vorsagen, vielleicht war es so weit zu bringen, daß er sichs
glaubte. Dann war alles gewonnen. Denn er wollte gern weder das eine noch
das andre opfern, nicht das stille, reiche Hochgefühl, das er immer draußen hatte,
und das er bis jetzt immer mit sich hereingebracht hatte, und auch nicht das Geld.
Nein, das auch nicht.

Aber nun konnte er sehen, wie sich die beiden Herren, denen zu dienen er
sich unterfangen hatte, miteinander vertrugen, und wie er, der Diener, dabei fuhr.


Der fromme Meiler

diesen hier eigentlich dorthin tragen wollen. Aber jetzt, wo er so schön geraten
war — hin, lachte Gottlob Maier. Doch es war nicht sein Humoristenlachen; es
war Entrüstung und Abwehr gegen die Zumutung, eine bare Mark zu verschenken.
Ja, eine bare Mark, denn hier war die Villa, und nun stand er an der Gitterpforte
und brauchte nur zu schellen, dann bekam er sie. Er wußte es nicht so genau,
daß er im Begriff war, ein Königtum zu verkaufen. Es war ihm nur höchst un¬
behaglich zumute. Aber dann machte er ein Ende, indem er die Glocke zog. Ein
Diener kam' und führte ihn in eine schöngewölbte Vorhalle, und dann kam eine
schone, junge Dame mit hellen Locken und einem hellen Gesicht und einer ganz
hellen, klingenden Stimme und sagte: El, das ist ja gut, daß wir wieder einen
Lieferanten haben! Und sie wunderte sich gar nicht weiter, sondern ordnete nur
mit vieler Sicherheit an, daß er von nun an jeden Sonntag, aber lieber des
Morgens, oder uoch besser am Samstag Abend einen Strauß bringen solle. Ihm
stockte die Rede. Er wollte gern sagen, daß er am Samstag Abend nicht in den
Wald laufen könne, und daß er auch eigentlich nicht mit Sträußen handle. Und
dann überfiel es ihn plötzlich, daß er sich hier herein verirrt habe und nun ge¬
fangen sei, und daß er nnn nie mehr still und froh und mit einem Sonntags¬
herzen im Walde herumstreifen könne, und sich nie mehr ganz reinigen könne vom
Werktagsstanb, als einer, der frei ist und eine Welt für sich hat, sondern daß er
sich nun von diesem hellen Fräulein an einen Faden binden lasse und an diesem
Faden herumgehe und Sträuße suche, Sonntag für Sonntag, das Stück zu einer
Mark. Er sand aber kein Wort der Abwehr, denn er war schon unfrei. Das
Fräulein sah ihn verwundert um, wie er ein ratloses Gesicht machte und sich mit
dein Ärmel darüber fuhr und endlich sagte: Ja, und — Aber als nichts weiter
erfolgte, fand sie die Sache erledigt, drückte ihm die verlangte Mark in die Hand
und ging die wenigen schneeweißen Treppenstufen hinan und verschwand hinter einem
dunkelroten Vorhang. Da hatte nun Gottlob Miller sein Sündengeld auf der
Handfläche liegen und besah sichs wie etwas Neues, was es ja auch wirklich war,
und zögerte mit dem Weggehn, bis der Diener mit hochmütigem Gesicht sagte:
Na, was ist noch? und ihm kurzerhand die Haustür öffnete. Da schritt er hinaus,
und die Tür fiel hinter ihm zu mit dem dumpfen, verhaltnen Schall, mit dem
vornehme Haustüren zuzufallen Pflegen. Und nachdem er noch den gelben Sand¬
weg des Vorgartens durchschritten hatte, fiel auch die Gittertür zu und klirrte
dabei. Und damit war die Sache unwiderruflich geschehen.

Da ging Gottlob Miller talwärts, der Stadt zu, und schlenkerte so unbe¬
hilflich mit den Händen, als man nnr kann, weil er nichts zu tragen hatte, und
zwinkerte noch mehr als sonst mit den Augen und wollte sich einbilden, es sei ihm
so recht wohl und vergnüglich zumute. Aber das gelang ihm nur mäßig, und
daran sieht man, daß er im Gründe schlecht in seine neue Haut paßte. Er ging
in die Wirtschaft zu den drei Lilien, in der er einzukehren pflegte, setzte sich in
eine Ecke und aß saure Nieren. Na du, du drückst ja gewaltig dran herum, sagte
ein Bekannter, der an einem andern Tisch saß. schmeckts nicht? Trink ein paar
Glas dazu, Waldläufer. Aber das machte er nicht. Er stand auf, zahlte und
ging. Nun war die Mark draußen. Ach was, es war ganz vernünftig gewesen;
schließlich, es war wohl das beste, es wieder zu tun. Dann hat das Herumlaufen
auch einen Zweck, sagte er vor sich hin und schob sich den Filz besser zurecht.
Darum freuts mich gerade so, setzte er hinzu. Das war uicht wahr; aber gerade
darum mußte er sichs vorsagen, vielleicht war es so weit zu bringen, daß er sichs
glaubte. Dann war alles gewonnen. Denn er wollte gern weder das eine noch
das andre opfern, nicht das stille, reiche Hochgefühl, das er immer draußen hatte,
und das er bis jetzt immer mit sich hereingebracht hatte, und auch nicht das Geld.
Nein, das auch nicht.

Aber nun konnte er sehen, wie sich die beiden Herren, denen zu dienen er
sich unterfangen hatte, miteinander vertrugen, und wie er, der Diener, dabei fuhr.


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[0766] Der fromme Meiler diesen hier eigentlich dorthin tragen wollen. Aber jetzt, wo er so schön geraten war — hin, lachte Gottlob Maier. Doch es war nicht sein Humoristenlachen; es war Entrüstung und Abwehr gegen die Zumutung, eine bare Mark zu verschenken. Ja, eine bare Mark, denn hier war die Villa, und nun stand er an der Gitterpforte und brauchte nur zu schellen, dann bekam er sie. Er wußte es nicht so genau, daß er im Begriff war, ein Königtum zu verkaufen. Es war ihm nur höchst un¬ behaglich zumute. Aber dann machte er ein Ende, indem er die Glocke zog. Ein Diener kam' und führte ihn in eine schöngewölbte Vorhalle, und dann kam eine schone, junge Dame mit hellen Locken und einem hellen Gesicht und einer ganz hellen, klingenden Stimme und sagte: El, das ist ja gut, daß wir wieder einen Lieferanten haben! Und sie wunderte sich gar nicht weiter, sondern ordnete nur mit vieler Sicherheit an, daß er von nun an jeden Sonntag, aber lieber des Morgens, oder uoch besser am Samstag Abend einen Strauß bringen solle. Ihm stockte die Rede. Er wollte gern sagen, daß er am Samstag Abend nicht in den Wald laufen könne, und daß er auch eigentlich nicht mit Sträußen handle. Und dann überfiel es ihn plötzlich, daß er sich hier herein verirrt habe und nun ge¬ fangen sei, und daß er nnn nie mehr still und froh und mit einem Sonntags¬ herzen im Walde herumstreifen könne, und sich nie mehr ganz reinigen könne vom Werktagsstanb, als einer, der frei ist und eine Welt für sich hat, sondern daß er sich nun von diesem hellen Fräulein an einen Faden binden lasse und an diesem Faden herumgehe und Sträuße suche, Sonntag für Sonntag, das Stück zu einer Mark. Er sand aber kein Wort der Abwehr, denn er war schon unfrei. Das Fräulein sah ihn verwundert um, wie er ein ratloses Gesicht machte und sich mit dein Ärmel darüber fuhr und endlich sagte: Ja, und — Aber als nichts weiter erfolgte, fand sie die Sache erledigt, drückte ihm die verlangte Mark in die Hand und ging die wenigen schneeweißen Treppenstufen hinan und verschwand hinter einem dunkelroten Vorhang. Da hatte nun Gottlob Miller sein Sündengeld auf der Handfläche liegen und besah sichs wie etwas Neues, was es ja auch wirklich war, und zögerte mit dem Weggehn, bis der Diener mit hochmütigem Gesicht sagte: Na, was ist noch? und ihm kurzerhand die Haustür öffnete. Da schritt er hinaus, und die Tür fiel hinter ihm zu mit dem dumpfen, verhaltnen Schall, mit dem vornehme Haustüren zuzufallen Pflegen. Und nachdem er noch den gelben Sand¬ weg des Vorgartens durchschritten hatte, fiel auch die Gittertür zu und klirrte dabei. Und damit war die Sache unwiderruflich geschehen. Da ging Gottlob Miller talwärts, der Stadt zu, und schlenkerte so unbe¬ hilflich mit den Händen, als man nnr kann, weil er nichts zu tragen hatte, und zwinkerte noch mehr als sonst mit den Augen und wollte sich einbilden, es sei ihm so recht wohl und vergnüglich zumute. Aber das gelang ihm nur mäßig, und daran sieht man, daß er im Gründe schlecht in seine neue Haut paßte. Er ging in die Wirtschaft zu den drei Lilien, in der er einzukehren pflegte, setzte sich in eine Ecke und aß saure Nieren. Na du, du drückst ja gewaltig dran herum, sagte ein Bekannter, der an einem andern Tisch saß. schmeckts nicht? Trink ein paar Glas dazu, Waldläufer. Aber das machte er nicht. Er stand auf, zahlte und ging. Nun war die Mark draußen. Ach was, es war ganz vernünftig gewesen; schließlich, es war wohl das beste, es wieder zu tun. Dann hat das Herumlaufen auch einen Zweck, sagte er vor sich hin und schob sich den Filz besser zurecht. Darum freuts mich gerade so, setzte er hinzu. Das war uicht wahr; aber gerade darum mußte er sichs vorsagen, vielleicht war es so weit zu bringen, daß er sichs glaubte. Dann war alles gewonnen. Denn er wollte gern weder das eine noch das andre opfern, nicht das stille, reiche Hochgefühl, das er immer draußen hatte, und das er bis jetzt immer mit sich hereingebracht hatte, und auch nicht das Geld. Nein, das auch nicht. Aber nun konnte er sehen, wie sich die beiden Herren, denen zu dienen er sich unterfangen hatte, miteinander vertrugen, und wie er, der Diener, dabei fuhr.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_295218/766>, abgerufen am 23.07.2024.