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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr.

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Die Ausbildung der verwaltungsbeamten in Preußen

Will man darüber hinaus für die gründliche staatswissenschaftliche Aus¬
bildung der Verwaltungsbeamten Sorge tragen, wie man das ja nach den
Erklärungen nicht nur der Herren Minister, sondern auch nach denen der Ab¬
geordneten aller Parteien annehmen muß, so wird man allerdings nicht umhin
können, eine Einrichtung zu schaffen, die eine solche Ausbildung auch wirklich
möglich macht, also eine Verwaltungsakademie nach dem Vorbilde der Kriegs¬
akademie. Die Gründung einer solchen Akademie wurde bei den Verhand¬
lungen des Abgeordnetenhauses besonders von dem Abgeordneten von Savigny
befürwortet, und warm für sie eingetreten sind außerdem Bacmeister und der
verstorbne Minister Bosse. Der erste wollte nur eine Auswahl von Assessoren
zum Besuche der Vorlesungen an der Akademie zugelassen wissen, Bosse aber
hat vorgeschlagen, alle Assessoren zuzulassen, die zum Besuche der Akademie
bereit seien, damit nicht Beamte erster und zweiter Klasse geschaffen würden.
Nun würde die Akademie aber einen großen Umfang haben müssen, wenn alle
Assessoren sie besuchen sollten, und wenn man sich überhaupt entschlösse den
Gedanken zu verwirklichen, so ist es doch recht unwahrscheinlich, daß dann die
Akademie sofort so groß eingerichtet wird, wie das nötig wäre, wenn man
allen Assessoren den Besuch der Vorlesungen während eines Jahres ermöglichen
wollte. Es wäre vielleicht auch nicht zweckmäßig, da sich eine solche neue
Einrichtung doch zunächst einleben und bewähren muß. Übrigens ist es auch
sehr gut denkbar, daß für manche Beamte eine andre Art der Ausbildung
geeigneter ist als auf der Akademie, etwa durch Reisen ins Ausland, durch
Beschäftigung in einer großen Bank oder in einem überseeischen Kaufhause.
Ob man die Zulassung zur Akademie von dem Ausfall einer schriftlichen
Arbeit abhängig machen oder die Auswahl in andrer Weise treffen will, ist
minder wichtig; in jedem Falle würden der Besuch der Vorlesungen und die
Arbeiten, die während des einjährigen Aufenthalts an der Akademie angefertigt
werden, die Gewähr dafür bieten, daß das erreicht wird, was man bisher ver¬
geblich angestrebt hat, die gründliche Beschäftigung mit Staats- und mit Ver¬
waltungsrecht, mit Nationalökonomie und Finanzwissenschaft. Auch technische
Kurse könnten leicht angegliedert werden.

Wenn man also die Beschäftigung bei einem Landrat auf anderthalb
Jahre festsetzte lind den Besuch der Akademie oder die Ausbildung auf andre
geeignete Weise auf ein Jahr, so könnte doch nur in Frage kommen, ob den
Assessoren, um die Kosten der Ausbildung nicht zu verteuern, nicht schon
während dieses letzten Jahres mäßige Diäten zu gewähren wären. Als ernstliches
Hindernis bliebe also nur der Widerstand der Justizverwaltung übrig. Nun
werden aber jetzt schon nicht nur die Justitiare der Verwaltung probeweise von
der Justiz übernommen, sondern ebenso die sämtlichen juristisch gebildeten Beamten
der landwirtschaftlichen Verwaltung; in Baden besteht diese Einrichtung, ebenso
in den Reichslanden, und besonders bemerkenswert ist es, daß in Sachsen sogar
die Referendare zunächst nur zu einer Probedienstleistung übernommen werden.
So sollte man eigentlich glauben, daß es auch in Preußen möglich sein müßte,
zu einem Einvernehmen mit der Justizverwaltung zu kommen. Die Zahl der
zurückgewiesneu Assessoren würde wahrscheinlich sehr gering sein, wenn bei der


Die Ausbildung der verwaltungsbeamten in Preußen

Will man darüber hinaus für die gründliche staatswissenschaftliche Aus¬
bildung der Verwaltungsbeamten Sorge tragen, wie man das ja nach den
Erklärungen nicht nur der Herren Minister, sondern auch nach denen der Ab¬
geordneten aller Parteien annehmen muß, so wird man allerdings nicht umhin
können, eine Einrichtung zu schaffen, die eine solche Ausbildung auch wirklich
möglich macht, also eine Verwaltungsakademie nach dem Vorbilde der Kriegs¬
akademie. Die Gründung einer solchen Akademie wurde bei den Verhand¬
lungen des Abgeordnetenhauses besonders von dem Abgeordneten von Savigny
befürwortet, und warm für sie eingetreten sind außerdem Bacmeister und der
verstorbne Minister Bosse. Der erste wollte nur eine Auswahl von Assessoren
zum Besuche der Vorlesungen an der Akademie zugelassen wissen, Bosse aber
hat vorgeschlagen, alle Assessoren zuzulassen, die zum Besuche der Akademie
bereit seien, damit nicht Beamte erster und zweiter Klasse geschaffen würden.
Nun würde die Akademie aber einen großen Umfang haben müssen, wenn alle
Assessoren sie besuchen sollten, und wenn man sich überhaupt entschlösse den
Gedanken zu verwirklichen, so ist es doch recht unwahrscheinlich, daß dann die
Akademie sofort so groß eingerichtet wird, wie das nötig wäre, wenn man
allen Assessoren den Besuch der Vorlesungen während eines Jahres ermöglichen
wollte. Es wäre vielleicht auch nicht zweckmäßig, da sich eine solche neue
Einrichtung doch zunächst einleben und bewähren muß. Übrigens ist es auch
sehr gut denkbar, daß für manche Beamte eine andre Art der Ausbildung
geeigneter ist als auf der Akademie, etwa durch Reisen ins Ausland, durch
Beschäftigung in einer großen Bank oder in einem überseeischen Kaufhause.
Ob man die Zulassung zur Akademie von dem Ausfall einer schriftlichen
Arbeit abhängig machen oder die Auswahl in andrer Weise treffen will, ist
minder wichtig; in jedem Falle würden der Besuch der Vorlesungen und die
Arbeiten, die während des einjährigen Aufenthalts an der Akademie angefertigt
werden, die Gewähr dafür bieten, daß das erreicht wird, was man bisher ver¬
geblich angestrebt hat, die gründliche Beschäftigung mit Staats- und mit Ver¬
waltungsrecht, mit Nationalökonomie und Finanzwissenschaft. Auch technische
Kurse könnten leicht angegliedert werden.

Wenn man also die Beschäftigung bei einem Landrat auf anderthalb
Jahre festsetzte lind den Besuch der Akademie oder die Ausbildung auf andre
geeignete Weise auf ein Jahr, so könnte doch nur in Frage kommen, ob den
Assessoren, um die Kosten der Ausbildung nicht zu verteuern, nicht schon
während dieses letzten Jahres mäßige Diäten zu gewähren wären. Als ernstliches
Hindernis bliebe also nur der Widerstand der Justizverwaltung übrig. Nun
werden aber jetzt schon nicht nur die Justitiare der Verwaltung probeweise von
der Justiz übernommen, sondern ebenso die sämtlichen juristisch gebildeten Beamten
der landwirtschaftlichen Verwaltung; in Baden besteht diese Einrichtung, ebenso
in den Reichslanden, und besonders bemerkenswert ist es, daß in Sachsen sogar
die Referendare zunächst nur zu einer Probedienstleistung übernommen werden.
So sollte man eigentlich glauben, daß es auch in Preußen möglich sein müßte,
zu einem Einvernehmen mit der Justizverwaltung zu kommen. Die Zahl der
zurückgewiesneu Assessoren würde wahrscheinlich sehr gering sein, wenn bei der


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[0683] Die Ausbildung der verwaltungsbeamten in Preußen Will man darüber hinaus für die gründliche staatswissenschaftliche Aus¬ bildung der Verwaltungsbeamten Sorge tragen, wie man das ja nach den Erklärungen nicht nur der Herren Minister, sondern auch nach denen der Ab¬ geordneten aller Parteien annehmen muß, so wird man allerdings nicht umhin können, eine Einrichtung zu schaffen, die eine solche Ausbildung auch wirklich möglich macht, also eine Verwaltungsakademie nach dem Vorbilde der Kriegs¬ akademie. Die Gründung einer solchen Akademie wurde bei den Verhand¬ lungen des Abgeordnetenhauses besonders von dem Abgeordneten von Savigny befürwortet, und warm für sie eingetreten sind außerdem Bacmeister und der verstorbne Minister Bosse. Der erste wollte nur eine Auswahl von Assessoren zum Besuche der Vorlesungen an der Akademie zugelassen wissen, Bosse aber hat vorgeschlagen, alle Assessoren zuzulassen, die zum Besuche der Akademie bereit seien, damit nicht Beamte erster und zweiter Klasse geschaffen würden. Nun würde die Akademie aber einen großen Umfang haben müssen, wenn alle Assessoren sie besuchen sollten, und wenn man sich überhaupt entschlösse den Gedanken zu verwirklichen, so ist es doch recht unwahrscheinlich, daß dann die Akademie sofort so groß eingerichtet wird, wie das nötig wäre, wenn man allen Assessoren den Besuch der Vorlesungen während eines Jahres ermöglichen wollte. Es wäre vielleicht auch nicht zweckmäßig, da sich eine solche neue Einrichtung doch zunächst einleben und bewähren muß. Übrigens ist es auch sehr gut denkbar, daß für manche Beamte eine andre Art der Ausbildung geeigneter ist als auf der Akademie, etwa durch Reisen ins Ausland, durch Beschäftigung in einer großen Bank oder in einem überseeischen Kaufhause. Ob man die Zulassung zur Akademie von dem Ausfall einer schriftlichen Arbeit abhängig machen oder die Auswahl in andrer Weise treffen will, ist minder wichtig; in jedem Falle würden der Besuch der Vorlesungen und die Arbeiten, die während des einjährigen Aufenthalts an der Akademie angefertigt werden, die Gewähr dafür bieten, daß das erreicht wird, was man bisher ver¬ geblich angestrebt hat, die gründliche Beschäftigung mit Staats- und mit Ver¬ waltungsrecht, mit Nationalökonomie und Finanzwissenschaft. Auch technische Kurse könnten leicht angegliedert werden. Wenn man also die Beschäftigung bei einem Landrat auf anderthalb Jahre festsetzte lind den Besuch der Akademie oder die Ausbildung auf andre geeignete Weise auf ein Jahr, so könnte doch nur in Frage kommen, ob den Assessoren, um die Kosten der Ausbildung nicht zu verteuern, nicht schon während dieses letzten Jahres mäßige Diäten zu gewähren wären. Als ernstliches Hindernis bliebe also nur der Widerstand der Justizverwaltung übrig. Nun werden aber jetzt schon nicht nur die Justitiare der Verwaltung probeweise von der Justiz übernommen, sondern ebenso die sämtlichen juristisch gebildeten Beamten der landwirtschaftlichen Verwaltung; in Baden besteht diese Einrichtung, ebenso in den Reichslanden, und besonders bemerkenswert ist es, daß in Sachsen sogar die Referendare zunächst nur zu einer Probedienstleistung übernommen werden. So sollte man eigentlich glauben, daß es auch in Preußen möglich sein müßte, zu einem Einvernehmen mit der Justizverwaltung zu kommen. Die Zahl der zurückgewiesneu Assessoren würde wahrscheinlich sehr gering sein, wenn bei der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_295218/683>, abgerufen am 23.07.2024.