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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr.

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Die Ausbildung der Verwaltungsbeamten in Preußen

auf einmal geschehen, aber das Treiben der Talmimagyaren wird schließlich
den Adel und verwandte Kreise nötigen, sich der Krone zu nähern und eine
Art von konservativer Partei zu bilden, die auch unter der nichtmagyarischen
Bevölkerung eine Stütze finden wird. Die Anfänge dafür haben sich schon
seit Wekerles Zeiten, namentlich aber bei den beiden letzten Wahlen gezeigt.
Die liberale Partei wird gut tun, in der nächsten Zeit mit der in Ungarn immer
üblichen Rücksichtslosigkeit Zolltarif, Handelsverträge und Ausgleich durch¬
zusetzen, sonst dürfte sie bald einem politischen Chaos Platz machen.




Die Ausbildung der Verwaltungsbeamten in Preußen
Lark Negenborn von (Schluß)

ieser Auffassung gab auch der preußische Finanzminister im Herren¬
hause Ausdruck, und auch Professor Löning meinte im Gegen¬
satze zu Professor Dernburg, daß sechs Semester vollständig ge¬
nügten, wenn sie ordentlich ausgenützt würden.

Die Grundbegriffe der Staatswissenschaften könnten also bei
zweckmäßiger Anordnung wohl auf der Universität erworben werden, aber man
darf sich doch wohl keiner Täuschung darüber hingeben, daß für ein erfolg¬
reiches Studium dieser Wissensgebiete die meisten Studenten noch nicht reif
sind. Staatsrecht wird auch Wohl schon auf der Universität gründlich getrieben
werden können, bei dem Verwaltungsrecht aber und bei dem Studium der
Nationalökonomie wird fast in allen Fällen die genügende Kenntnis der Ver¬
hältnisse fehlen, auf die sich diese Wissenschaften beziehen. Minister Bosse hat
in seinen in der Kreuzzeitung veröffentlichen Aufsätzen*) eine Äußerung des
frühern hannoverschen Ministers Bacmeister angeführt, die hier wiedergegeben
zu werden verdient. Es sei dabei bemerkt, daß Bacmeister einmal von
Bennigsen einer der seit Menschengedenken befähigtsten Beamten genannt worden
ist, und Bosse fügt hinzu, daß er einer der vorzüglichsten Beamtenerzieher ge¬
wesen sei, die das vorige Jahrhundert hervorgebracht habe. Bacmeister also
schreibt: "Wie soll die Jngend von Bodenrenke, Arbeitslohn, Wert und Preis,
Wechselkurs usw. etwas versteh"? Von gerechter Veranlagung der Steuern,
ausgiebiger Nutzung der Domänen und Regalien? Alles dieses kommt erst zu
deutlicher Anschauung und zum Verständnis, wenn man eine Zeit lang in,
Leben gestanden, gewirkt und vielleicht vielfach geirrt hat. Da nicht, wie im
Rechte, die Begriffe gesetzlich fixiert sind, so entsteht eine Ungewißheit und ein
Schwanken, sodaß der Zuhörer schließlich selbst verwirrt wird."

Bosse kann dem nicht ganz beipflichten, er meint, es komme wesentlich
auf deu Lehrer an, aber nicht jeder findet eben einen Lehrer, wie er ihn in



") Ur. 211, 213, 21S, 217 der Kreuzzeitung von 1901.
Die Ausbildung der Verwaltungsbeamten in Preußen

auf einmal geschehen, aber das Treiben der Talmimagyaren wird schließlich
den Adel und verwandte Kreise nötigen, sich der Krone zu nähern und eine
Art von konservativer Partei zu bilden, die auch unter der nichtmagyarischen
Bevölkerung eine Stütze finden wird. Die Anfänge dafür haben sich schon
seit Wekerles Zeiten, namentlich aber bei den beiden letzten Wahlen gezeigt.
Die liberale Partei wird gut tun, in der nächsten Zeit mit der in Ungarn immer
üblichen Rücksichtslosigkeit Zolltarif, Handelsverträge und Ausgleich durch¬
zusetzen, sonst dürfte sie bald einem politischen Chaos Platz machen.




Die Ausbildung der Verwaltungsbeamten in Preußen
Lark Negenborn von (Schluß)

ieser Auffassung gab auch der preußische Finanzminister im Herren¬
hause Ausdruck, und auch Professor Löning meinte im Gegen¬
satze zu Professor Dernburg, daß sechs Semester vollständig ge¬
nügten, wenn sie ordentlich ausgenützt würden.

Die Grundbegriffe der Staatswissenschaften könnten also bei
zweckmäßiger Anordnung wohl auf der Universität erworben werden, aber man
darf sich doch wohl keiner Täuschung darüber hingeben, daß für ein erfolg¬
reiches Studium dieser Wissensgebiete die meisten Studenten noch nicht reif
sind. Staatsrecht wird auch Wohl schon auf der Universität gründlich getrieben
werden können, bei dem Verwaltungsrecht aber und bei dem Studium der
Nationalökonomie wird fast in allen Fällen die genügende Kenntnis der Ver¬
hältnisse fehlen, auf die sich diese Wissenschaften beziehen. Minister Bosse hat
in seinen in der Kreuzzeitung veröffentlichen Aufsätzen*) eine Äußerung des
frühern hannoverschen Ministers Bacmeister angeführt, die hier wiedergegeben
zu werden verdient. Es sei dabei bemerkt, daß Bacmeister einmal von
Bennigsen einer der seit Menschengedenken befähigtsten Beamten genannt worden
ist, und Bosse fügt hinzu, daß er einer der vorzüglichsten Beamtenerzieher ge¬
wesen sei, die das vorige Jahrhundert hervorgebracht habe. Bacmeister also
schreibt: „Wie soll die Jngend von Bodenrenke, Arbeitslohn, Wert und Preis,
Wechselkurs usw. etwas versteh«? Von gerechter Veranlagung der Steuern,
ausgiebiger Nutzung der Domänen und Regalien? Alles dieses kommt erst zu
deutlicher Anschauung und zum Verständnis, wenn man eine Zeit lang in,
Leben gestanden, gewirkt und vielleicht vielfach geirrt hat. Da nicht, wie im
Rechte, die Begriffe gesetzlich fixiert sind, so entsteht eine Ungewißheit und ein
Schwanken, sodaß der Zuhörer schließlich selbst verwirrt wird."

Bosse kann dem nicht ganz beipflichten, er meint, es komme wesentlich
auf deu Lehrer an, aber nicht jeder findet eben einen Lehrer, wie er ihn in



") Ur. 211, 213, 21S, 217 der Kreuzzeitung von 1901.
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[0679] Die Ausbildung der Verwaltungsbeamten in Preußen auf einmal geschehen, aber das Treiben der Talmimagyaren wird schließlich den Adel und verwandte Kreise nötigen, sich der Krone zu nähern und eine Art von konservativer Partei zu bilden, die auch unter der nichtmagyarischen Bevölkerung eine Stütze finden wird. Die Anfänge dafür haben sich schon seit Wekerles Zeiten, namentlich aber bei den beiden letzten Wahlen gezeigt. Die liberale Partei wird gut tun, in der nächsten Zeit mit der in Ungarn immer üblichen Rücksichtslosigkeit Zolltarif, Handelsverträge und Ausgleich durch¬ zusetzen, sonst dürfte sie bald einem politischen Chaos Platz machen. Die Ausbildung der Verwaltungsbeamten in Preußen Lark Negenborn von (Schluß) ieser Auffassung gab auch der preußische Finanzminister im Herren¬ hause Ausdruck, und auch Professor Löning meinte im Gegen¬ satze zu Professor Dernburg, daß sechs Semester vollständig ge¬ nügten, wenn sie ordentlich ausgenützt würden. Die Grundbegriffe der Staatswissenschaften könnten also bei zweckmäßiger Anordnung wohl auf der Universität erworben werden, aber man darf sich doch wohl keiner Täuschung darüber hingeben, daß für ein erfolg¬ reiches Studium dieser Wissensgebiete die meisten Studenten noch nicht reif sind. Staatsrecht wird auch Wohl schon auf der Universität gründlich getrieben werden können, bei dem Verwaltungsrecht aber und bei dem Studium der Nationalökonomie wird fast in allen Fällen die genügende Kenntnis der Ver¬ hältnisse fehlen, auf die sich diese Wissenschaften beziehen. Minister Bosse hat in seinen in der Kreuzzeitung veröffentlichen Aufsätzen*) eine Äußerung des frühern hannoverschen Ministers Bacmeister angeführt, die hier wiedergegeben zu werden verdient. Es sei dabei bemerkt, daß Bacmeister einmal von Bennigsen einer der seit Menschengedenken befähigtsten Beamten genannt worden ist, und Bosse fügt hinzu, daß er einer der vorzüglichsten Beamtenerzieher ge¬ wesen sei, die das vorige Jahrhundert hervorgebracht habe. Bacmeister also schreibt: „Wie soll die Jngend von Bodenrenke, Arbeitslohn, Wert und Preis, Wechselkurs usw. etwas versteh«? Von gerechter Veranlagung der Steuern, ausgiebiger Nutzung der Domänen und Regalien? Alles dieses kommt erst zu deutlicher Anschauung und zum Verständnis, wenn man eine Zeit lang in, Leben gestanden, gewirkt und vielleicht vielfach geirrt hat. Da nicht, wie im Rechte, die Begriffe gesetzlich fixiert sind, so entsteht eine Ungewißheit und ein Schwanken, sodaß der Zuhörer schließlich selbst verwirrt wird." Bosse kann dem nicht ganz beipflichten, er meint, es komme wesentlich auf deu Lehrer an, aber nicht jeder findet eben einen Lehrer, wie er ihn in ") Ur. 211, 213, 21S, 217 der Kreuzzeitung von 1901.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_295218/679>, abgerufen am 23.07.2024.