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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr.

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Aonstantinopolitanische Reiseerlebnisse

bewohnten Hauses in einem völlig verwahrlosten Grabe unter einem Weidenbnum.
Sie tiÄnsit Zloriit aurai! Aus der stolzen Konstantinstadt wurde nun das hölzerne,
winklige, barbarische Jstambul. Aber die Mauern künden auch in ihrem Verfall
noch von der großen alten Zeit, noch immer schwebt über den Torpsorten nach
der Stadtseite zu in Stein gehalten der kaiserliche Doppeladler.

Bald hinter dem Kanonentvr durchschreiten wir die Talsenknng, in der zur
Regenzeit der Lykusbach sein Wasser der Stadt zuführt. Er fließt hier von anßen
in einen der Türme hinein, worin er durch Sperrvorrichtungen gestaut werden
konnte, sodaß er den Graben zu füllen gezwungen wurde. An der Innenseite der
Mauer und in dein Wieseutal des Baches selbst Hausen hier Zigeuner in elenden
Baracken. Dann kommt Edirne-Kapu, das Adricmopler Tor, durch das die große
Hauptstraße des Landes führt. Trotzdem much hier, welche Verlassenheit, welche Öde!
Nur ein paar Holzhütten, ein paar Bretterbuden mit Läden sind in den Tor¬
eingang und an die Mauern geklebt, und zwischen den hohen Zypressen des alten
Erobererfriedhofs haben sich einige dürftige Hütten angesiedelt. Wie anders ist
es vor den Toren Roms, wo an allen Straßen die buntbemalten Osterien mit
ihren grünen Lauben den Wandrer zu frischem Trunk und fröhlichem Geschwätz
mit einer Römermaid einladen! Hier zeigen die wenigen Menschen, die einem auf¬
stoßen, auch nicht den leisesten Anhauch vou Fröhlichkeit. Eherner Ernst lagert auf
allen Gesichtern.

Man tut gut, durch das Adrianopler Tor in die Stadt hineinzugehn und sich
nach der Kahriehmoschee hindurchzufragen, einer ehemaligen Erlöserkirche, in der
die Gebetsuische und die Teppiche also ebenso schief orientiert sind wie in der Agin
Sophia. Die eigentliche Moschee ist kahl und schmucklos, aber sie hat in den Neben-
räumen, die nicht dem Gottesdienste gewidmet sind, die schönsten und besterhaltnen
byzantinischen Mosaik- und Freskobilder, die es in Konstantinopel überhaupt gibt.
Sie stammen aus dem Anfang des vierzehnten Jahrhunderts und erinnern in ihrer
ganzen Haltung und Stilisierung ungemein an Giotto, können es überhaupt dreist
mit den italienischen Werken derselben Gattung aufnehmen. Beim ersten Anblick
ist mau gar nicht geneigt, sie für byzantinische Arbeiten zu halten; so wenig zeigen
sie die dort sonst übliche starre Majestät und todsteife Würde. In freier Bewegung
und natürlicher Haltung der Figuren ziehn hier Szenen aus dem Leben des Herrn
und der Panagia an unserm Ange vorüber, nur der Christos Pantokrator zeigt
die unnahbare steinerne Hoheit des länglichen Gesichts und die Spinnenbeinen ver¬
gleichbaren langen, dünnen Finger, die ihm aus allen byzantinischen Gemälden
eigen sind. Übrigens bemühte sich der Imam dieser Moschee bei der Führung mit
uns zu sprechen, und zwar sogar deutsch, freilich ein völlig unmögliches. Daß sein
beständig unter demonstrativen Handbewegungen ausgestoßnes: "Schelk! Schelk!"
"schön" oder "sehr schön" bedeuten sollte, erfuhren wir erst, als es sich unser
Albanese ins Türkische zurückübersetzen ließ.

Innerhalb der Mauer an elenden Hütten vorbeigehend gelangten wir dann
an die Ecke, wo die Mauer des Theodosius durch die zweihundert Jahre später
gebaute des Heraklios abgelöst wird. Dieser Kaiser zog nämlich das ganze
Blacheruenviertel in den Befestigungsriug hinein, um deu berühmten Blacherueu-
palast mit der Muttergotteskirche zu sichern. An dieser Ecke liegt das Tekfurserciil,
d- h. Kaiserpalast (Tekfur aus Nikephoros -- Kaiser), fälschlich auch Hebdvmou
oder Palast des Belisar genannt. Schon bevor wir ihn erreichten, stürzten sich
ein alter Turban und ein junger Fes auf uns und zankten sich während der
ganzen Besichtigung um ihr Recht auf den Backschisch, was unsre historische Stimmung
nicht eben erhöhte. Der Teksurserail ist ein sehr ansehnliches Gebäude, das recht¬
winklig zwischen den beiden Stadtmauern erbaut ist, und zwar so, daß sein drittes
Stockwerk mit den Giebeln auf diese" ruht. Der Bau ist hübsch gemustert mit
bunten Ziegeln und Marmorstreifen, hat elegante auf Säulen ruhende Rundbogen
und einen hübschen Altan, der eine schöne Aussicht auf den griechischen Kirchhof


Grenzboten IV 1904 86
Aonstantinopolitanische Reiseerlebnisse

bewohnten Hauses in einem völlig verwahrlosten Grabe unter einem Weidenbnum.
Sie tiÄnsit Zloriit aurai! Aus der stolzen Konstantinstadt wurde nun das hölzerne,
winklige, barbarische Jstambul. Aber die Mauern künden auch in ihrem Verfall
noch von der großen alten Zeit, noch immer schwebt über den Torpsorten nach
der Stadtseite zu in Stein gehalten der kaiserliche Doppeladler.

Bald hinter dem Kanonentvr durchschreiten wir die Talsenknng, in der zur
Regenzeit der Lykusbach sein Wasser der Stadt zuführt. Er fließt hier von anßen
in einen der Türme hinein, worin er durch Sperrvorrichtungen gestaut werden
konnte, sodaß er den Graben zu füllen gezwungen wurde. An der Innenseite der
Mauer und in dein Wieseutal des Baches selbst Hausen hier Zigeuner in elenden
Baracken. Dann kommt Edirne-Kapu, das Adricmopler Tor, durch das die große
Hauptstraße des Landes führt. Trotzdem much hier, welche Verlassenheit, welche Öde!
Nur ein paar Holzhütten, ein paar Bretterbuden mit Läden sind in den Tor¬
eingang und an die Mauern geklebt, und zwischen den hohen Zypressen des alten
Erobererfriedhofs haben sich einige dürftige Hütten angesiedelt. Wie anders ist
es vor den Toren Roms, wo an allen Straßen die buntbemalten Osterien mit
ihren grünen Lauben den Wandrer zu frischem Trunk und fröhlichem Geschwätz
mit einer Römermaid einladen! Hier zeigen die wenigen Menschen, die einem auf¬
stoßen, auch nicht den leisesten Anhauch vou Fröhlichkeit. Eherner Ernst lagert auf
allen Gesichtern.

Man tut gut, durch das Adrianopler Tor in die Stadt hineinzugehn und sich
nach der Kahriehmoschee hindurchzufragen, einer ehemaligen Erlöserkirche, in der
die Gebetsuische und die Teppiche also ebenso schief orientiert sind wie in der Agin
Sophia. Die eigentliche Moschee ist kahl und schmucklos, aber sie hat in den Neben-
räumen, die nicht dem Gottesdienste gewidmet sind, die schönsten und besterhaltnen
byzantinischen Mosaik- und Freskobilder, die es in Konstantinopel überhaupt gibt.
Sie stammen aus dem Anfang des vierzehnten Jahrhunderts und erinnern in ihrer
ganzen Haltung und Stilisierung ungemein an Giotto, können es überhaupt dreist
mit den italienischen Werken derselben Gattung aufnehmen. Beim ersten Anblick
ist mau gar nicht geneigt, sie für byzantinische Arbeiten zu halten; so wenig zeigen
sie die dort sonst übliche starre Majestät und todsteife Würde. In freier Bewegung
und natürlicher Haltung der Figuren ziehn hier Szenen aus dem Leben des Herrn
und der Panagia an unserm Ange vorüber, nur der Christos Pantokrator zeigt
die unnahbare steinerne Hoheit des länglichen Gesichts und die Spinnenbeinen ver¬
gleichbaren langen, dünnen Finger, die ihm aus allen byzantinischen Gemälden
eigen sind. Übrigens bemühte sich der Imam dieser Moschee bei der Führung mit
uns zu sprechen, und zwar sogar deutsch, freilich ein völlig unmögliches. Daß sein
beständig unter demonstrativen Handbewegungen ausgestoßnes: „Schelk! Schelk!"
„schön" oder „sehr schön" bedeuten sollte, erfuhren wir erst, als es sich unser
Albanese ins Türkische zurückübersetzen ließ.

Innerhalb der Mauer an elenden Hütten vorbeigehend gelangten wir dann
an die Ecke, wo die Mauer des Theodosius durch die zweihundert Jahre später
gebaute des Heraklios abgelöst wird. Dieser Kaiser zog nämlich das ganze
Blacheruenviertel in den Befestigungsriug hinein, um deu berühmten Blacherueu-
palast mit der Muttergotteskirche zu sichern. An dieser Ecke liegt das Tekfurserciil,
d- h. Kaiserpalast (Tekfur aus Nikephoros — Kaiser), fälschlich auch Hebdvmou
oder Palast des Belisar genannt. Schon bevor wir ihn erreichten, stürzten sich
ein alter Turban und ein junger Fes auf uns und zankten sich während der
ganzen Besichtigung um ihr Recht auf den Backschisch, was unsre historische Stimmung
nicht eben erhöhte. Der Teksurserail ist ein sehr ansehnliches Gebäude, das recht¬
winklig zwischen den beiden Stadtmauern erbaut ist, und zwar so, daß sein drittes
Stockwerk mit den Giebeln auf diese» ruht. Der Bau ist hübsch gemustert mit
bunten Ziegeln und Marmorstreifen, hat elegante auf Säulen ruhende Rundbogen
und einen hübschen Altan, der eine schöne Aussicht auf den griechischen Kirchhof


Grenzboten IV 1904 86
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[0641] Aonstantinopolitanische Reiseerlebnisse bewohnten Hauses in einem völlig verwahrlosten Grabe unter einem Weidenbnum. Sie tiÄnsit Zloriit aurai! Aus der stolzen Konstantinstadt wurde nun das hölzerne, winklige, barbarische Jstambul. Aber die Mauern künden auch in ihrem Verfall noch von der großen alten Zeit, noch immer schwebt über den Torpsorten nach der Stadtseite zu in Stein gehalten der kaiserliche Doppeladler. Bald hinter dem Kanonentvr durchschreiten wir die Talsenknng, in der zur Regenzeit der Lykusbach sein Wasser der Stadt zuführt. Er fließt hier von anßen in einen der Türme hinein, worin er durch Sperrvorrichtungen gestaut werden konnte, sodaß er den Graben zu füllen gezwungen wurde. An der Innenseite der Mauer und in dein Wieseutal des Baches selbst Hausen hier Zigeuner in elenden Baracken. Dann kommt Edirne-Kapu, das Adricmopler Tor, durch das die große Hauptstraße des Landes führt. Trotzdem much hier, welche Verlassenheit, welche Öde! Nur ein paar Holzhütten, ein paar Bretterbuden mit Läden sind in den Tor¬ eingang und an die Mauern geklebt, und zwischen den hohen Zypressen des alten Erobererfriedhofs haben sich einige dürftige Hütten angesiedelt. Wie anders ist es vor den Toren Roms, wo an allen Straßen die buntbemalten Osterien mit ihren grünen Lauben den Wandrer zu frischem Trunk und fröhlichem Geschwätz mit einer Römermaid einladen! Hier zeigen die wenigen Menschen, die einem auf¬ stoßen, auch nicht den leisesten Anhauch vou Fröhlichkeit. Eherner Ernst lagert auf allen Gesichtern. Man tut gut, durch das Adrianopler Tor in die Stadt hineinzugehn und sich nach der Kahriehmoschee hindurchzufragen, einer ehemaligen Erlöserkirche, in der die Gebetsuische und die Teppiche also ebenso schief orientiert sind wie in der Agin Sophia. Die eigentliche Moschee ist kahl und schmucklos, aber sie hat in den Neben- räumen, die nicht dem Gottesdienste gewidmet sind, die schönsten und besterhaltnen byzantinischen Mosaik- und Freskobilder, die es in Konstantinopel überhaupt gibt. Sie stammen aus dem Anfang des vierzehnten Jahrhunderts und erinnern in ihrer ganzen Haltung und Stilisierung ungemein an Giotto, können es überhaupt dreist mit den italienischen Werken derselben Gattung aufnehmen. Beim ersten Anblick ist mau gar nicht geneigt, sie für byzantinische Arbeiten zu halten; so wenig zeigen sie die dort sonst übliche starre Majestät und todsteife Würde. In freier Bewegung und natürlicher Haltung der Figuren ziehn hier Szenen aus dem Leben des Herrn und der Panagia an unserm Ange vorüber, nur der Christos Pantokrator zeigt die unnahbare steinerne Hoheit des länglichen Gesichts und die Spinnenbeinen ver¬ gleichbaren langen, dünnen Finger, die ihm aus allen byzantinischen Gemälden eigen sind. Übrigens bemühte sich der Imam dieser Moschee bei der Führung mit uns zu sprechen, und zwar sogar deutsch, freilich ein völlig unmögliches. Daß sein beständig unter demonstrativen Handbewegungen ausgestoßnes: „Schelk! Schelk!" „schön" oder „sehr schön" bedeuten sollte, erfuhren wir erst, als es sich unser Albanese ins Türkische zurückübersetzen ließ. Innerhalb der Mauer an elenden Hütten vorbeigehend gelangten wir dann an die Ecke, wo die Mauer des Theodosius durch die zweihundert Jahre später gebaute des Heraklios abgelöst wird. Dieser Kaiser zog nämlich das ganze Blacheruenviertel in den Befestigungsriug hinein, um deu berühmten Blacherueu- palast mit der Muttergotteskirche zu sichern. An dieser Ecke liegt das Tekfurserciil, d- h. Kaiserpalast (Tekfur aus Nikephoros — Kaiser), fälschlich auch Hebdvmou oder Palast des Belisar genannt. Schon bevor wir ihn erreichten, stürzten sich ein alter Turban und ein junger Fes auf uns und zankten sich während der ganzen Besichtigung um ihr Recht auf den Backschisch, was unsre historische Stimmung nicht eben erhöhte. Der Teksurserail ist ein sehr ansehnliches Gebäude, das recht¬ winklig zwischen den beiden Stadtmauern erbaut ist, und zwar so, daß sein drittes Stockwerk mit den Giebeln auf diese» ruht. Der Bau ist hübsch gemustert mit bunten Ziegeln und Marmorstreifen, hat elegante auf Säulen ruhende Rundbogen und einen hübschen Altan, der eine schöne Aussicht auf den griechischen Kirchhof Grenzboten IV 1904 86

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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_295218/641>, abgerufen am 23.07.2024.