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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr.

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Die Ausbildung der vcrwaltungsbeamten in Preußen

In Hannover trat nach der Trennung der Rechtspflege von der Verwaltung
auch eine°Trennung in der Ausbildung der jungen Beamten ein. Gemeinsam
blieb das dreijährige juristische Studium und die erste juristische Prüfung, jedoch
wurde von dem angehenden Verwaltungsbeamten neben dem Studium der Rechts¬
wissenschaft der Nachweis des Studiums der Staatswissenschaften verlangt. Nach
dem ersten Examen mußte dann der Vcrwaltungsanditor vier Jahre lang tätig
sein, und zwar ein und ein halbes Jahr in der Verwaltung und ebenso lange
bei der Justiz. Das vierte Jahr konnte "auf sonst geeignete Weise" zur Aus¬
bildung verwandt werden, wurde aber meist bei einem Amte zugebracht.

Das Charakteristische der Ausbildung in Hannover bestand darin, daß die
der Universität entwachsenen jungen Leute ausschließlich in der untersten Instanz
bei den lokalen Behörden, bei den Ämtern und den Amtsgerichten im steten
unmittelbaren Verkehr mit der Bevölkerung beschäftigt wurden, nicht bei den
Regierungsbehörden. Diese Ämter, mit rechtskundigen Amtmännern besetzt,
waren, wie der frühere Oberbürgermeister Meckel von Göttingen in seinen,
Referate la. a. O. S 79) sagt, von einem örtlichen Umfange, daß alle Ver¬
waltungsgeschäfte möglichst in der Hand eines Mannes vereinigt waren und
dieser imstande war, der Regel nach alles durch direkte Verhandlung mit den
Amtseingesessenen zu erledigen. Es war, wie Meckel sich ausdrückt, diesen
Beamten möglich, sich durch eigne Anschauung von den Verhältnissen und Be¬
dürfnissen der Untergebnen zu unterrichten, deren Vertrauen zu erwerben und
weniger durch Zwang als durch geistigen und sittlichen Antrieb, durch Über¬
zeugung und Förderung eigner Einsicht und freier Tätigkeit zu wirken. In
der Teilnahme an dieser Wirksamkeit der untersten Instanz, in stetiger Be¬
rührung mit der Bevölkerung erhielten also in Hannover die jungen Ver-
waltungsbeamten ihre Ausbildung.

Hiernach ergeben sich also für die Regelung der Ausbildung drei Möglich¬
keiten. Man kann für die angehenden Verwaltungsbeamten von der Zeit an,
wo sie die Schule verlassen, einen besondern Bildungsgang vorschreiben; man
kann Juristen und Verwaltungsbeamte bis zum zweiten Examen auf derselbe"
Grundlage ausbilden wie in Bayern, Baden und in den Reichslanden und
dann die Verwaltung aus den juristisch gebildeten Beamten ergänzen, und man
kann drittens die Ausbildungszeit der Regierungsreferendare in eine juristische
und eine administrative teilen, wobei dann die Frage zu entscheiden ist, wie
viel Zeit auf die juristische Ausbildung verwandt werden soll.

Für einen besondern Bildungsgang von dem Abiturientenexamen an ist
nicht nur ein ungenannter Verwaltuugsbeamter in den Grenzboten eingetreten,*)
sondern auch der Abgeordnete Eugen Richter. Anklang hat dieser Gedanke an¬
scheinend nicht gefunden, und er gibt doch auch zu Bedenken Anlaß. Auch wenn
man annehmen wollte, daß die Verwirklichung dieses Vorschlages ohne eine
Änderung der Organisation unsrer Universitäten möglich ist, was doch zweifelhaft
erscheint, so könnte es doch kaum als nützlich angesehen werden, daß sich die
jungen Leute sofort nach Beendigung der Schulzeit für die Verwnltungslaufbahn



Heft 4, 5> des Jahrgangs 1903 der Grenzboten,
Die Ausbildung der vcrwaltungsbeamten in Preußen

In Hannover trat nach der Trennung der Rechtspflege von der Verwaltung
auch eine°Trennung in der Ausbildung der jungen Beamten ein. Gemeinsam
blieb das dreijährige juristische Studium und die erste juristische Prüfung, jedoch
wurde von dem angehenden Verwaltungsbeamten neben dem Studium der Rechts¬
wissenschaft der Nachweis des Studiums der Staatswissenschaften verlangt. Nach
dem ersten Examen mußte dann der Vcrwaltungsanditor vier Jahre lang tätig
sein, und zwar ein und ein halbes Jahr in der Verwaltung und ebenso lange
bei der Justiz. Das vierte Jahr konnte „auf sonst geeignete Weise" zur Aus¬
bildung verwandt werden, wurde aber meist bei einem Amte zugebracht.

Das Charakteristische der Ausbildung in Hannover bestand darin, daß die
der Universität entwachsenen jungen Leute ausschließlich in der untersten Instanz
bei den lokalen Behörden, bei den Ämtern und den Amtsgerichten im steten
unmittelbaren Verkehr mit der Bevölkerung beschäftigt wurden, nicht bei den
Regierungsbehörden. Diese Ämter, mit rechtskundigen Amtmännern besetzt,
waren, wie der frühere Oberbürgermeister Meckel von Göttingen in seinen,
Referate la. a. O. S 79) sagt, von einem örtlichen Umfange, daß alle Ver¬
waltungsgeschäfte möglichst in der Hand eines Mannes vereinigt waren und
dieser imstande war, der Regel nach alles durch direkte Verhandlung mit den
Amtseingesessenen zu erledigen. Es war, wie Meckel sich ausdrückt, diesen
Beamten möglich, sich durch eigne Anschauung von den Verhältnissen und Be¬
dürfnissen der Untergebnen zu unterrichten, deren Vertrauen zu erwerben und
weniger durch Zwang als durch geistigen und sittlichen Antrieb, durch Über¬
zeugung und Förderung eigner Einsicht und freier Tätigkeit zu wirken. In
der Teilnahme an dieser Wirksamkeit der untersten Instanz, in stetiger Be¬
rührung mit der Bevölkerung erhielten also in Hannover die jungen Ver-
waltungsbeamten ihre Ausbildung.

Hiernach ergeben sich also für die Regelung der Ausbildung drei Möglich¬
keiten. Man kann für die angehenden Verwaltungsbeamten von der Zeit an,
wo sie die Schule verlassen, einen besondern Bildungsgang vorschreiben; man
kann Juristen und Verwaltungsbeamte bis zum zweiten Examen auf derselbe«
Grundlage ausbilden wie in Bayern, Baden und in den Reichslanden und
dann die Verwaltung aus den juristisch gebildeten Beamten ergänzen, und man
kann drittens die Ausbildungszeit der Regierungsreferendare in eine juristische
und eine administrative teilen, wobei dann die Frage zu entscheiden ist, wie
viel Zeit auf die juristische Ausbildung verwandt werden soll.

Für einen besondern Bildungsgang von dem Abiturientenexamen an ist
nicht nur ein ungenannter Verwaltuugsbeamter in den Grenzboten eingetreten,*)
sondern auch der Abgeordnete Eugen Richter. Anklang hat dieser Gedanke an¬
scheinend nicht gefunden, und er gibt doch auch zu Bedenken Anlaß. Auch wenn
man annehmen wollte, daß die Verwirklichung dieses Vorschlages ohne eine
Änderung der Organisation unsrer Universitäten möglich ist, was doch zweifelhaft
erscheint, so könnte es doch kaum als nützlich angesehen werden, daß sich die
jungen Leute sofort nach Beendigung der Schulzeit für die Verwnltungslaufbahn



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[0617] Die Ausbildung der vcrwaltungsbeamten in Preußen In Hannover trat nach der Trennung der Rechtspflege von der Verwaltung auch eine°Trennung in der Ausbildung der jungen Beamten ein. Gemeinsam blieb das dreijährige juristische Studium und die erste juristische Prüfung, jedoch wurde von dem angehenden Verwaltungsbeamten neben dem Studium der Rechts¬ wissenschaft der Nachweis des Studiums der Staatswissenschaften verlangt. Nach dem ersten Examen mußte dann der Vcrwaltungsanditor vier Jahre lang tätig sein, und zwar ein und ein halbes Jahr in der Verwaltung und ebenso lange bei der Justiz. Das vierte Jahr konnte „auf sonst geeignete Weise" zur Aus¬ bildung verwandt werden, wurde aber meist bei einem Amte zugebracht. Das Charakteristische der Ausbildung in Hannover bestand darin, daß die der Universität entwachsenen jungen Leute ausschließlich in der untersten Instanz bei den lokalen Behörden, bei den Ämtern und den Amtsgerichten im steten unmittelbaren Verkehr mit der Bevölkerung beschäftigt wurden, nicht bei den Regierungsbehörden. Diese Ämter, mit rechtskundigen Amtmännern besetzt, waren, wie der frühere Oberbürgermeister Meckel von Göttingen in seinen, Referate la. a. O. S 79) sagt, von einem örtlichen Umfange, daß alle Ver¬ waltungsgeschäfte möglichst in der Hand eines Mannes vereinigt waren und dieser imstande war, der Regel nach alles durch direkte Verhandlung mit den Amtseingesessenen zu erledigen. Es war, wie Meckel sich ausdrückt, diesen Beamten möglich, sich durch eigne Anschauung von den Verhältnissen und Be¬ dürfnissen der Untergebnen zu unterrichten, deren Vertrauen zu erwerben und weniger durch Zwang als durch geistigen und sittlichen Antrieb, durch Über¬ zeugung und Förderung eigner Einsicht und freier Tätigkeit zu wirken. In der Teilnahme an dieser Wirksamkeit der untersten Instanz, in stetiger Be¬ rührung mit der Bevölkerung erhielten also in Hannover die jungen Ver- waltungsbeamten ihre Ausbildung. Hiernach ergeben sich also für die Regelung der Ausbildung drei Möglich¬ keiten. Man kann für die angehenden Verwaltungsbeamten von der Zeit an, wo sie die Schule verlassen, einen besondern Bildungsgang vorschreiben; man kann Juristen und Verwaltungsbeamte bis zum zweiten Examen auf derselbe« Grundlage ausbilden wie in Bayern, Baden und in den Reichslanden und dann die Verwaltung aus den juristisch gebildeten Beamten ergänzen, und man kann drittens die Ausbildungszeit der Regierungsreferendare in eine juristische und eine administrative teilen, wobei dann die Frage zu entscheiden ist, wie viel Zeit auf die juristische Ausbildung verwandt werden soll. Für einen besondern Bildungsgang von dem Abiturientenexamen an ist nicht nur ein ungenannter Verwaltuugsbeamter in den Grenzboten eingetreten,*) sondern auch der Abgeordnete Eugen Richter. Anklang hat dieser Gedanke an¬ scheinend nicht gefunden, und er gibt doch auch zu Bedenken Anlaß. Auch wenn man annehmen wollte, daß die Verwirklichung dieses Vorschlages ohne eine Änderung der Organisation unsrer Universitäten möglich ist, was doch zweifelhaft erscheint, so könnte es doch kaum als nützlich angesehen werden, daß sich die jungen Leute sofort nach Beendigung der Schulzeit für die Verwnltungslaufbahn Heft 4, 5> des Jahrgangs 1903 der Grenzboten,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_295218/617>, abgerufen am 23.07.2024.