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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr.

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Ronstantinopolitcmische Reiseerlebnisse

Leichenhügeln in die Kirche hinein, tauchte seine Hand in flüssiges Gold und
drückte sie zum Symbol der Besitzergreifung an die Mauer. Ein furchtbarer Tag,
als unter den Axthieben der wütenden Janitscharen die Pforten zusammenbrachen,
und die fanatische Soldateska über die dichtgedrängten Christenscharen, die bei der
göttlichen Weisheit Schutz zu finden hofften, erbarmungslos mit dem Schwerte
des Propheten herfiel. Da wurde nicht Alter, nicht Stand, nicht Geschlecht
verschont, und nur mit Mühe bahnte sich das Schlachtroß des finstern Eroberers
durch das Gemetzel seinen Weg. Als er vor den Hochaltar kam, riß er das Tier
am Zügel in die Höhe. Hochauf bäumte es sich und setzte mit einem Sprunge
auf den Altar, indem der Sieger frohlockend das Wort rief: "Es ist kein Gott
als Gott, und Mohammed ist sein Prophet." Aber auch eine geheimnisvolle
vermauerte Pforte zeigte uus unser Führer. Durch diese verschwand, als die
Türken eindrangen, der Priester, der gerade das Hochamt zelebrierte, indem er
den Kelch mit sich nahm. Hinter ihm schloß sich die Mauer. Am Tage, wo die
Moschee wieder zur Kirche geweiht werden wird, wird sich die Pforte wieder
offnen, und der Priester die uuterbrochne Messe zu Ende lesen. Eine schöne Sage!
Auch wer sich der Verdrängung des Halbmonds aus Europa gegenüber aus poli¬
tischen Erwägungen kühl verhält, der muß doch, wenn er die Agio Sophia betritt,
Von dem heißen Wunsch ergriffen werden, daß auf ihrer Kuppel wieder das
Kreuz thronen und dem barbarischen Unfug ein Ende bereiten möge. Dann wird
neues Leben in die seit vierhuudertuudfüufzig Jahren versteinerte Maske kommen.
Freilich, für den protestantischen Predigtgvttesdienst ist diese Kirche nicht geschaffen.
Sie bedarf eines reichen, glänzenden, sinnberückenden Kultus, wenn ihre Pracht
und Herrlichkeit zu voller Entfaltung kommen soll.

Wer die Agia Sophia gesehen hat, der hat eigentlich alle Kirchen des
griechischen und alle Moscheen des mohammedanischen Orients gesehen. Sie ist
vorbildlich geworden und geblieben für die gesamte Architektur des Ostens. Die
Bnukünstler vermochten sich nicht aus ihrem Zauberbanne zu lösen. Unmittelbar
nach ihr die benachbarte Achmedmoschee zu besuchen, hielt ich deshalb nicht nur
für überflüssig sondern für einen Frevel. Der große Eindruck durfte nicht durch
etwas ähnliches aber geringeres verwischt werden. Wir begnügten uns also, den
äußern, mit Bäumen bepflanzten Hof zu durchschreiten und den eigentlichen Vorhof
(Haram) zu betreten. spitzbogige Säulenarkaden umgeben ihn, und in seiner
Mitte steht ein kleiner sechseckiger, ebenfalls mit Samier gezierter Brunnen.
Hinter diesem türmt sich die Moschee gleich einem Gebirge hinter-, neben- und
übereinander aufsteigender Kuppeln und Halbkuppeln zu gewaltiger Höhe empor,
wie überhaupt die Achmedmoschee mit ihren riesigen Nebenanlagen und ihren sechs
organisch mit ihr verbundnen Minarets nach außen hin weit mehr imponiert als
die verbaute und verunzierte Sophia. Ich hob den Kodak und knipfte ab, um
das kupplige Steingebirge festzuhalten, aber fast in demselben Augenblick schoß ein
wütender Imam hinter dem Brunnen hervor mit einem Gesicht, als wolle er
mich umgekehrt in die Erde pflanzen, und verlangte mir klipp und klar meinen
Apparat ab. Photographieren sei hier verboten, er werde das Bild vernichten.
Unser Dellio legte sich ins Mittel, und es gab ein scharfes Wortgefecht zwischen
beiden. Der Albanese war jedoch dem Türken an Schlauheit über. Er sagte,
während ich schon ein Backschisch präparierte, ich hätte nur Photographieren wollen;
er habe mir aber gesagt, daß das verboten sei; da habe ich es gelassen. Jahr¬
hunderte währende Knechtschaft macht ein Volk eben zum Lügen geschickt. Unter
dem dumpfen Nachgrollen des Küsters nahmen wir unsern Rückzug. So ein
Mohammedaner, der seine Religion verletzt glaubt, sieht ganz gefährlich aus.

Vor der Achmedmoschee dehnt sich der lange, wüste, etwas verwahrloste
Atmeidcm, d. i. Roßplatz, aus, der alte Hippodrom, der die berühmten Zirkus¬
spiele, die Kämpfe der Blauen und der Grünen und den fürchterlichen Nikaauf-
stand von 532 gesehen hat, wobei Belisars Truppen eine der grauenvollsten


Ronstantinopolitcmische Reiseerlebnisse

Leichenhügeln in die Kirche hinein, tauchte seine Hand in flüssiges Gold und
drückte sie zum Symbol der Besitzergreifung an die Mauer. Ein furchtbarer Tag,
als unter den Axthieben der wütenden Janitscharen die Pforten zusammenbrachen,
und die fanatische Soldateska über die dichtgedrängten Christenscharen, die bei der
göttlichen Weisheit Schutz zu finden hofften, erbarmungslos mit dem Schwerte
des Propheten herfiel. Da wurde nicht Alter, nicht Stand, nicht Geschlecht
verschont, und nur mit Mühe bahnte sich das Schlachtroß des finstern Eroberers
durch das Gemetzel seinen Weg. Als er vor den Hochaltar kam, riß er das Tier
am Zügel in die Höhe. Hochauf bäumte es sich und setzte mit einem Sprunge
auf den Altar, indem der Sieger frohlockend das Wort rief: „Es ist kein Gott
als Gott, und Mohammed ist sein Prophet." Aber auch eine geheimnisvolle
vermauerte Pforte zeigte uus unser Führer. Durch diese verschwand, als die
Türken eindrangen, der Priester, der gerade das Hochamt zelebrierte, indem er
den Kelch mit sich nahm. Hinter ihm schloß sich die Mauer. Am Tage, wo die
Moschee wieder zur Kirche geweiht werden wird, wird sich die Pforte wieder
offnen, und der Priester die uuterbrochne Messe zu Ende lesen. Eine schöne Sage!
Auch wer sich der Verdrängung des Halbmonds aus Europa gegenüber aus poli¬
tischen Erwägungen kühl verhält, der muß doch, wenn er die Agio Sophia betritt,
Von dem heißen Wunsch ergriffen werden, daß auf ihrer Kuppel wieder das
Kreuz thronen und dem barbarischen Unfug ein Ende bereiten möge. Dann wird
neues Leben in die seit vierhuudertuudfüufzig Jahren versteinerte Maske kommen.
Freilich, für den protestantischen Predigtgvttesdienst ist diese Kirche nicht geschaffen.
Sie bedarf eines reichen, glänzenden, sinnberückenden Kultus, wenn ihre Pracht
und Herrlichkeit zu voller Entfaltung kommen soll.

Wer die Agia Sophia gesehen hat, der hat eigentlich alle Kirchen des
griechischen und alle Moscheen des mohammedanischen Orients gesehen. Sie ist
vorbildlich geworden und geblieben für die gesamte Architektur des Ostens. Die
Bnukünstler vermochten sich nicht aus ihrem Zauberbanne zu lösen. Unmittelbar
nach ihr die benachbarte Achmedmoschee zu besuchen, hielt ich deshalb nicht nur
für überflüssig sondern für einen Frevel. Der große Eindruck durfte nicht durch
etwas ähnliches aber geringeres verwischt werden. Wir begnügten uns also, den
äußern, mit Bäumen bepflanzten Hof zu durchschreiten und den eigentlichen Vorhof
(Haram) zu betreten. spitzbogige Säulenarkaden umgeben ihn, und in seiner
Mitte steht ein kleiner sechseckiger, ebenfalls mit Samier gezierter Brunnen.
Hinter diesem türmt sich die Moschee gleich einem Gebirge hinter-, neben- und
übereinander aufsteigender Kuppeln und Halbkuppeln zu gewaltiger Höhe empor,
wie überhaupt die Achmedmoschee mit ihren riesigen Nebenanlagen und ihren sechs
organisch mit ihr verbundnen Minarets nach außen hin weit mehr imponiert als
die verbaute und verunzierte Sophia. Ich hob den Kodak und knipfte ab, um
das kupplige Steingebirge festzuhalten, aber fast in demselben Augenblick schoß ein
wütender Imam hinter dem Brunnen hervor mit einem Gesicht, als wolle er
mich umgekehrt in die Erde pflanzen, und verlangte mir klipp und klar meinen
Apparat ab. Photographieren sei hier verboten, er werde das Bild vernichten.
Unser Dellio legte sich ins Mittel, und es gab ein scharfes Wortgefecht zwischen
beiden. Der Albanese war jedoch dem Türken an Schlauheit über. Er sagte,
während ich schon ein Backschisch präparierte, ich hätte nur Photographieren wollen;
er habe mir aber gesagt, daß das verboten sei; da habe ich es gelassen. Jahr¬
hunderte währende Knechtschaft macht ein Volk eben zum Lügen geschickt. Unter
dem dumpfen Nachgrollen des Küsters nahmen wir unsern Rückzug. So ein
Mohammedaner, der seine Religion verletzt glaubt, sieht ganz gefährlich aus.

Vor der Achmedmoschee dehnt sich der lange, wüste, etwas verwahrloste
Atmeidcm, d. i. Roßplatz, aus, der alte Hippodrom, der die berühmten Zirkus¬
spiele, die Kämpfe der Blauen und der Grünen und den fürchterlichen Nikaauf-
stand von 532 gesehen hat, wobei Belisars Truppen eine der grauenvollsten


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[0583] Ronstantinopolitcmische Reiseerlebnisse Leichenhügeln in die Kirche hinein, tauchte seine Hand in flüssiges Gold und drückte sie zum Symbol der Besitzergreifung an die Mauer. Ein furchtbarer Tag, als unter den Axthieben der wütenden Janitscharen die Pforten zusammenbrachen, und die fanatische Soldateska über die dichtgedrängten Christenscharen, die bei der göttlichen Weisheit Schutz zu finden hofften, erbarmungslos mit dem Schwerte des Propheten herfiel. Da wurde nicht Alter, nicht Stand, nicht Geschlecht verschont, und nur mit Mühe bahnte sich das Schlachtroß des finstern Eroberers durch das Gemetzel seinen Weg. Als er vor den Hochaltar kam, riß er das Tier am Zügel in die Höhe. Hochauf bäumte es sich und setzte mit einem Sprunge auf den Altar, indem der Sieger frohlockend das Wort rief: „Es ist kein Gott als Gott, und Mohammed ist sein Prophet." Aber auch eine geheimnisvolle vermauerte Pforte zeigte uus unser Führer. Durch diese verschwand, als die Türken eindrangen, der Priester, der gerade das Hochamt zelebrierte, indem er den Kelch mit sich nahm. Hinter ihm schloß sich die Mauer. Am Tage, wo die Moschee wieder zur Kirche geweiht werden wird, wird sich die Pforte wieder offnen, und der Priester die uuterbrochne Messe zu Ende lesen. Eine schöne Sage! Auch wer sich der Verdrängung des Halbmonds aus Europa gegenüber aus poli¬ tischen Erwägungen kühl verhält, der muß doch, wenn er die Agio Sophia betritt, Von dem heißen Wunsch ergriffen werden, daß auf ihrer Kuppel wieder das Kreuz thronen und dem barbarischen Unfug ein Ende bereiten möge. Dann wird neues Leben in die seit vierhuudertuudfüufzig Jahren versteinerte Maske kommen. Freilich, für den protestantischen Predigtgvttesdienst ist diese Kirche nicht geschaffen. Sie bedarf eines reichen, glänzenden, sinnberückenden Kultus, wenn ihre Pracht und Herrlichkeit zu voller Entfaltung kommen soll. Wer die Agia Sophia gesehen hat, der hat eigentlich alle Kirchen des griechischen und alle Moscheen des mohammedanischen Orients gesehen. Sie ist vorbildlich geworden und geblieben für die gesamte Architektur des Ostens. Die Bnukünstler vermochten sich nicht aus ihrem Zauberbanne zu lösen. Unmittelbar nach ihr die benachbarte Achmedmoschee zu besuchen, hielt ich deshalb nicht nur für überflüssig sondern für einen Frevel. Der große Eindruck durfte nicht durch etwas ähnliches aber geringeres verwischt werden. Wir begnügten uns also, den äußern, mit Bäumen bepflanzten Hof zu durchschreiten und den eigentlichen Vorhof (Haram) zu betreten. spitzbogige Säulenarkaden umgeben ihn, und in seiner Mitte steht ein kleiner sechseckiger, ebenfalls mit Samier gezierter Brunnen. Hinter diesem türmt sich die Moschee gleich einem Gebirge hinter-, neben- und übereinander aufsteigender Kuppeln und Halbkuppeln zu gewaltiger Höhe empor, wie überhaupt die Achmedmoschee mit ihren riesigen Nebenanlagen und ihren sechs organisch mit ihr verbundnen Minarets nach außen hin weit mehr imponiert als die verbaute und verunzierte Sophia. Ich hob den Kodak und knipfte ab, um das kupplige Steingebirge festzuhalten, aber fast in demselben Augenblick schoß ein wütender Imam hinter dem Brunnen hervor mit einem Gesicht, als wolle er mich umgekehrt in die Erde pflanzen, und verlangte mir klipp und klar meinen Apparat ab. Photographieren sei hier verboten, er werde das Bild vernichten. Unser Dellio legte sich ins Mittel, und es gab ein scharfes Wortgefecht zwischen beiden. Der Albanese war jedoch dem Türken an Schlauheit über. Er sagte, während ich schon ein Backschisch präparierte, ich hätte nur Photographieren wollen; er habe mir aber gesagt, daß das verboten sei; da habe ich es gelassen. Jahr¬ hunderte währende Knechtschaft macht ein Volk eben zum Lügen geschickt. Unter dem dumpfen Nachgrollen des Küsters nahmen wir unsern Rückzug. So ein Mohammedaner, der seine Religion verletzt glaubt, sieht ganz gefährlich aus. Vor der Achmedmoschee dehnt sich der lange, wüste, etwas verwahrloste Atmeidcm, d. i. Roßplatz, aus, der alte Hippodrom, der die berühmten Zirkus¬ spiele, die Kämpfe der Blauen und der Grünen und den fürchterlichen Nikaauf- stand von 532 gesehen hat, wobei Belisars Truppen eine der grauenvollsten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_295218/583>, abgerufen am 23.07.2024.