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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr.

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Uonstantinoxolitanische Reiseerlebnisse

ohne rechtes Klappen der Griffe und Wendungen. Eine lange Reihe steingefaßter
Wasserbecken zog sich unter den Arkaden der Vorhalle hin, vor denen auf breiten
Steinen sich waschende Gläubige hockten, während auf hölzernen schrägen ernste
Weißbärte in heiligen Schriften lasen. Die Moschee ist die schönste in Konstanti¬
nopel nächst der Agia Sophia, und da sie von dem türkischen Baumeister Sinan
geschaffen ist, der Stolz der Türken, zumal als ihre Kuppel um fünf Meter höher
ist als die des griechischen Gotteshauses, das ihr übrigens, wie allen Moscheen
Konstantinopels, zum Vorbild gedient hat. Das Innere glänzt durch gediegne
Pracht, wie sie eines Soliman des Prächtigen würdig ist. Da sieht man mächtige
Granitsäulen, die aus dem Kaiserpalast Justinians stammen, Marmorinkrustationen,
Glasmalereien -- natürlich keine Figuren, sondern Arabesken und Teppichmuster --,
marmorne Predigtkanzeln, große Kalligraphien, kolossale Kronleuchter und eine
Überfülle von Glasampeln, die in den heiligen Nächten einen märchenhaften Glanz
ausstrahlen müssen. Seltsam nehmen sich inmitten dieser gediegnen Pracht Straußen-
eier, Elfenbeinzähne und ähnliche Kinkerlitzchen aus, die zwischen den Glasampeln
von der Decke herunterhängen. Der Türke bleibt doch ein Barbar; sogar wenn
er einmal künstlerisch etwas geleistet hat, behängt er es nachträglich mit abge¬
schmackten Mtterkram.

Hinter allen großen Moscheen liegen in stillen Gärten unter Zypressen und
Platanen die Mausoleen (Turben) der Sultane, denen die Moschee ihren Ursprung
verdankt. Es sind achteckige Gebäude. Die Särge der Herrscher, ihrer Gemahlinnen
und Lieblingskinder stehn als Kenotaphe über den Gewölben, in denen die Leichen
ruhn. Kandelaber, Hängelampen, kostbare Fayencen geben den innern Schmuck der
Turben ab. Auf perlmuttergezierten großen Pulte" liegen prachtvolle Kvran-
mannskripte, darunter das Exemplar, das der Sultan mit eigner Hand während
seines Lebens abgeschrieben hat -- auch eine Regententcitigkett! Die Särge der
Sultane sind mit einem weißen Turban, schwarzen Reiherfedern, kostbaren Schals
und dergleichen Dingen geschmückt, die der Frauen kleiner und schmuckloser. Mehrere
solcher Turben zu besichtigen, verlohnt sich kaum der Mühe. Sie sind einander zu
ähnlich. Wir begnügten uns mit der Solimans des Prächtigen im Grabesgarten
der "Suleimcmje." In ihr stehn fünf Särge nnter einem Baldachin. Den einen
bezeichneten die uns führenden "Turbedare" als den der Roxolane, der herrsch¬
süchtigen, intriganten und grausamen Popentochter aus Jassy, die die Lieblingsfrau
Solimans war. Nach Meyer soll dagegen diese Dame ihre besondre Turbe haben.
Meyer spricht auch von achtunddreißig Marmorsäulen, die die Turbe Solimans
unistünden. Da von diesen Säulen nichts zu sehen war, ließ ich Dellio nach ihnen
fragen. Die Turbedare gaben zur Antwort, es gebe keine, und sie hätten auch nie
gehört, daß es welche gegeben habe. Da Meyer sonst durchaus zuverlässig ist, so
sind mir diese beiden Angaben unerklärlich. Zum Schlüsse wieder der ewige Trink¬
gelderkampf. Die Turbedare wollten mehr, als ihnen Dellio gab; der eine machte
sogar Miene, meinen Stock, den er in Gewahrsam genommen hatte, zurückzubehalten,
aber Dellio drohte energisch mit der Polizei und wies mit besonderm Nachdruck
auf unsre deutsche Nationalität hin; da gab der Türke nach.

An die Ostseite der Suleimcmje stößt der große mauerumgebne Platz, auf
dem das Seraskeriat (Kriegsministerium) und der Seraskerturm liegen. Dieser
bietet auf dem höchsten Punkte Stambuls die weiteste Aussicht und deu besten
Überblick. Ihn wollten wir nun besteigen und schritten auf das der Moschee
zunächstliegende Nordtor zu. Aber Dellio hörte schon, ehe wir heran waren, wie
ein Offizier zu dem Posten am Tore sagte- Laß sie nicht! Der Soldat vertrat
uns dann deu Weg. Wir mußten also um den ganzen weiten Plan herumwandern
bis zum Südtor. Auch die dort stehende Schildwache wies uns anfangs zurück.
Als aber Dellio sagte, wir wollten nur den Turm besteigen, sah sich der Soldat
°b kein Offizier in der Nähe sei, und ließ uns dann ein. Der Seraskerturm
ist bedeutend höher als der von Guinea. Wir stiegen zuerst in fast vollständiger


Uonstantinoxolitanische Reiseerlebnisse

ohne rechtes Klappen der Griffe und Wendungen. Eine lange Reihe steingefaßter
Wasserbecken zog sich unter den Arkaden der Vorhalle hin, vor denen auf breiten
Steinen sich waschende Gläubige hockten, während auf hölzernen schrägen ernste
Weißbärte in heiligen Schriften lasen. Die Moschee ist die schönste in Konstanti¬
nopel nächst der Agia Sophia, und da sie von dem türkischen Baumeister Sinan
geschaffen ist, der Stolz der Türken, zumal als ihre Kuppel um fünf Meter höher
ist als die des griechischen Gotteshauses, das ihr übrigens, wie allen Moscheen
Konstantinopels, zum Vorbild gedient hat. Das Innere glänzt durch gediegne
Pracht, wie sie eines Soliman des Prächtigen würdig ist. Da sieht man mächtige
Granitsäulen, die aus dem Kaiserpalast Justinians stammen, Marmorinkrustationen,
Glasmalereien — natürlich keine Figuren, sondern Arabesken und Teppichmuster —,
marmorne Predigtkanzeln, große Kalligraphien, kolossale Kronleuchter und eine
Überfülle von Glasampeln, die in den heiligen Nächten einen märchenhaften Glanz
ausstrahlen müssen. Seltsam nehmen sich inmitten dieser gediegnen Pracht Straußen-
eier, Elfenbeinzähne und ähnliche Kinkerlitzchen aus, die zwischen den Glasampeln
von der Decke herunterhängen. Der Türke bleibt doch ein Barbar; sogar wenn
er einmal künstlerisch etwas geleistet hat, behängt er es nachträglich mit abge¬
schmackten Mtterkram.

Hinter allen großen Moscheen liegen in stillen Gärten unter Zypressen und
Platanen die Mausoleen (Turben) der Sultane, denen die Moschee ihren Ursprung
verdankt. Es sind achteckige Gebäude. Die Särge der Herrscher, ihrer Gemahlinnen
und Lieblingskinder stehn als Kenotaphe über den Gewölben, in denen die Leichen
ruhn. Kandelaber, Hängelampen, kostbare Fayencen geben den innern Schmuck der
Turben ab. Auf perlmuttergezierten großen Pulte» liegen prachtvolle Kvran-
mannskripte, darunter das Exemplar, das der Sultan mit eigner Hand während
seines Lebens abgeschrieben hat — auch eine Regententcitigkett! Die Särge der
Sultane sind mit einem weißen Turban, schwarzen Reiherfedern, kostbaren Schals
und dergleichen Dingen geschmückt, die der Frauen kleiner und schmuckloser. Mehrere
solcher Turben zu besichtigen, verlohnt sich kaum der Mühe. Sie sind einander zu
ähnlich. Wir begnügten uns mit der Solimans des Prächtigen im Grabesgarten
der „Suleimcmje." In ihr stehn fünf Särge nnter einem Baldachin. Den einen
bezeichneten die uns führenden „Turbedare" als den der Roxolane, der herrsch¬
süchtigen, intriganten und grausamen Popentochter aus Jassy, die die Lieblingsfrau
Solimans war. Nach Meyer soll dagegen diese Dame ihre besondre Turbe haben.
Meyer spricht auch von achtunddreißig Marmorsäulen, die die Turbe Solimans
unistünden. Da von diesen Säulen nichts zu sehen war, ließ ich Dellio nach ihnen
fragen. Die Turbedare gaben zur Antwort, es gebe keine, und sie hätten auch nie
gehört, daß es welche gegeben habe. Da Meyer sonst durchaus zuverlässig ist, so
sind mir diese beiden Angaben unerklärlich. Zum Schlüsse wieder der ewige Trink¬
gelderkampf. Die Turbedare wollten mehr, als ihnen Dellio gab; der eine machte
sogar Miene, meinen Stock, den er in Gewahrsam genommen hatte, zurückzubehalten,
aber Dellio drohte energisch mit der Polizei und wies mit besonderm Nachdruck
auf unsre deutsche Nationalität hin; da gab der Türke nach.

An die Ostseite der Suleimcmje stößt der große mauerumgebne Platz, auf
dem das Seraskeriat (Kriegsministerium) und der Seraskerturm liegen. Dieser
bietet auf dem höchsten Punkte Stambuls die weiteste Aussicht und deu besten
Überblick. Ihn wollten wir nun besteigen und schritten auf das der Moschee
zunächstliegende Nordtor zu. Aber Dellio hörte schon, ehe wir heran waren, wie
ein Offizier zu dem Posten am Tore sagte- Laß sie nicht! Der Soldat vertrat
uns dann deu Weg. Wir mußten also um den ganzen weiten Plan herumwandern
bis zum Südtor. Auch die dort stehende Schildwache wies uns anfangs zurück.
Als aber Dellio sagte, wir wollten nur den Turm besteigen, sah sich der Soldat
°b kein Offizier in der Nähe sei, und ließ uns dann ein. Der Seraskerturm
ist bedeutend höher als der von Guinea. Wir stiegen zuerst in fast vollständiger


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[0578] Uonstantinoxolitanische Reiseerlebnisse ohne rechtes Klappen der Griffe und Wendungen. Eine lange Reihe steingefaßter Wasserbecken zog sich unter den Arkaden der Vorhalle hin, vor denen auf breiten Steinen sich waschende Gläubige hockten, während auf hölzernen schrägen ernste Weißbärte in heiligen Schriften lasen. Die Moschee ist die schönste in Konstanti¬ nopel nächst der Agia Sophia, und da sie von dem türkischen Baumeister Sinan geschaffen ist, der Stolz der Türken, zumal als ihre Kuppel um fünf Meter höher ist als die des griechischen Gotteshauses, das ihr übrigens, wie allen Moscheen Konstantinopels, zum Vorbild gedient hat. Das Innere glänzt durch gediegne Pracht, wie sie eines Soliman des Prächtigen würdig ist. Da sieht man mächtige Granitsäulen, die aus dem Kaiserpalast Justinians stammen, Marmorinkrustationen, Glasmalereien — natürlich keine Figuren, sondern Arabesken und Teppichmuster —, marmorne Predigtkanzeln, große Kalligraphien, kolossale Kronleuchter und eine Überfülle von Glasampeln, die in den heiligen Nächten einen märchenhaften Glanz ausstrahlen müssen. Seltsam nehmen sich inmitten dieser gediegnen Pracht Straußen- eier, Elfenbeinzähne und ähnliche Kinkerlitzchen aus, die zwischen den Glasampeln von der Decke herunterhängen. Der Türke bleibt doch ein Barbar; sogar wenn er einmal künstlerisch etwas geleistet hat, behängt er es nachträglich mit abge¬ schmackten Mtterkram. Hinter allen großen Moscheen liegen in stillen Gärten unter Zypressen und Platanen die Mausoleen (Turben) der Sultane, denen die Moschee ihren Ursprung verdankt. Es sind achteckige Gebäude. Die Särge der Herrscher, ihrer Gemahlinnen und Lieblingskinder stehn als Kenotaphe über den Gewölben, in denen die Leichen ruhn. Kandelaber, Hängelampen, kostbare Fayencen geben den innern Schmuck der Turben ab. Auf perlmuttergezierten großen Pulte» liegen prachtvolle Kvran- mannskripte, darunter das Exemplar, das der Sultan mit eigner Hand während seines Lebens abgeschrieben hat — auch eine Regententcitigkett! Die Särge der Sultane sind mit einem weißen Turban, schwarzen Reiherfedern, kostbaren Schals und dergleichen Dingen geschmückt, die der Frauen kleiner und schmuckloser. Mehrere solcher Turben zu besichtigen, verlohnt sich kaum der Mühe. Sie sind einander zu ähnlich. Wir begnügten uns mit der Solimans des Prächtigen im Grabesgarten der „Suleimcmje." In ihr stehn fünf Särge nnter einem Baldachin. Den einen bezeichneten die uns führenden „Turbedare" als den der Roxolane, der herrsch¬ süchtigen, intriganten und grausamen Popentochter aus Jassy, die die Lieblingsfrau Solimans war. Nach Meyer soll dagegen diese Dame ihre besondre Turbe haben. Meyer spricht auch von achtunddreißig Marmorsäulen, die die Turbe Solimans unistünden. Da von diesen Säulen nichts zu sehen war, ließ ich Dellio nach ihnen fragen. Die Turbedare gaben zur Antwort, es gebe keine, und sie hätten auch nie gehört, daß es welche gegeben habe. Da Meyer sonst durchaus zuverlässig ist, so sind mir diese beiden Angaben unerklärlich. Zum Schlüsse wieder der ewige Trink¬ gelderkampf. Die Turbedare wollten mehr, als ihnen Dellio gab; der eine machte sogar Miene, meinen Stock, den er in Gewahrsam genommen hatte, zurückzubehalten, aber Dellio drohte energisch mit der Polizei und wies mit besonderm Nachdruck auf unsre deutsche Nationalität hin; da gab der Türke nach. An die Ostseite der Suleimcmje stößt der große mauerumgebne Platz, auf dem das Seraskeriat (Kriegsministerium) und der Seraskerturm liegen. Dieser bietet auf dem höchsten Punkte Stambuls die weiteste Aussicht und deu besten Überblick. Ihn wollten wir nun besteigen und schritten auf das der Moschee zunächstliegende Nordtor zu. Aber Dellio hörte schon, ehe wir heran waren, wie ein Offizier zu dem Posten am Tore sagte- Laß sie nicht! Der Soldat vertrat uns dann deu Weg. Wir mußten also um den ganzen weiten Plan herumwandern bis zum Südtor. Auch die dort stehende Schildwache wies uns anfangs zurück. Als aber Dellio sagte, wir wollten nur den Turm besteigen, sah sich der Soldat °b kein Offizier in der Nähe sei, und ließ uns dann ein. Der Seraskerturm ist bedeutend höher als der von Guinea. Wir stiegen zuerst in fast vollständiger

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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_295218/578>, abgerufen am 23.07.2024.