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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr.

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Uonstcintinopoliwnische Reiseerlebnisse

lose Barockornnmente, doch von imponierender Schlichtheit und Puritcmischer Strenge,
würdig des gewaltigen Kriegsfürsten, der das Gotteshaus erbaute.

Dicht bei der Moschee Mohammeds, aber trotzdem schwer zu finden, ist der
Eingang zu einer der allergrößten Merkwürdigkeiten Stcunbuls. Von dem Moschee-
Hügel nämlich bis hinüber zu dem Hügel des Seraskeriats spannt sich der ge¬
waltige, zweistöckige Aquädukt, den Kaiser Valens vollendete, und der noch heute
eiuen Teil der Stadt mit Wasser versorgt. Schon aus der Ferne sieht die
doppelte Reihe mächtiger Rundbogen, oben dicht überhangen von Gebüsch, Gräsern
und Schlinggewächsen, höchst imposant aus. Den Aufstieg empfiehlt Meyer nur
schwindelfreien Personen. Wir fanden die Eingangstür offen, stiegen die schmale
Treppe in die Höhe und standen bald staunend auf der langen Hochstraße. Ein
schmaler Mittelpfad wurde auf beiden Seiten durch Gras, Unkraut und Gestrüpp
begrenzt, das über die Ränder und Bogen hinnnterfiel. Die ersten Schritte da
oben waren unsicher, dann gewöhnte sich das Ange an die Höhe und sah nun
trunkner Blickes, was sich ihm bot; in der Ferne das Goldne Horn, das Mar-
marameer, Galata und Pera, in der Nähe und unmittelbar unter uns Stambul
mit seinen Moscheen und Minarets und engem Straßengewirr. Wir waren vielleicht
hundert Schritte weit gegangen, da kam uns schreiend und gestikulierend der
Wächter nach, der seines Trinkgelds nicht verlustig gehn wollte. Er übernahm nun
die Führung und machte uns besonders auf die "Taxim" oder Wnsserteiler auf¬
merksam, die die Zuflüsse um die einzelnen Stadtbezirke verteilen, siebartige Tröge,
durch die das Wasser in gesonderte Röhren abfließt. Einzelne der Löcher waren
in primitiver Weise durch Steine verstopft. Wegen des Baues der Prinzenmoschee
ist ein Teil des Aquädukts niedergerissen worden. Wir mußten deshalb eine sehr
baufällige, tiefstufige Treppe hinab zu einer Pforte, die unser Begleiter nicht eher
aufschloß, als bis wir ihm jeder einen Franken gaben. Er hätte ebensogut fünf
oder zehn verlangen können. Wir waren ja ganz in seine Hand gegeben. Dann
gingen wir unten an der andern Hälfte des Aquädukts entlang bis zu seinem
Ende, wo uns der Führer wieder hinaufführte und mit uns bis zu der Durch¬
bruchstelle zurückging. Wiederum ging es eine gefährliche Treppe hinunter, und
wiederum forderte der Kerl an der verschlossenen Pforte einen Franken pro Person.
Diesesmal weigerten wir uns, sicherlich vergeblich, wenn uns nicht das Glück zu
Hilfe gekommen wäre. Ein wasserholender Knabe öffnete von außen mit einem
Schlüssel die Pforte, wir grüßten höhnisch-höflich und traten hinaus ius Freie,
während der biedre Wasseroukel, der so um sein zweites zu erpressendes Trinkgeld
kam, deu nichtsahnenden Jungen mit einer Flut vou Scheltworten überschüttete.

Wir waren dann doch von Herzen zufrieden, als wir uns durch einige weitere
unheimliche Gassen durchgeschlagen hatten bis zum großen Basar. Dort gibt es
nämlich eine heimatlich anmutende Oase in der Wüste asiatischer Fremdheit und
Unkultur. Sie heißt "Tokatlian" und ist das einzige europäisch eingerichtete
Restaurant in ganz Stambul. Fröhlich setzten wir uns in den obern Räumen zu
Tisch und streckten die Hände zum lecker bereiteten Mahl aus. Wir hatten es in
der Tat verdient. Ich glaube, nicht jeder macht uns die Wege nach, die wir an
diesem Tage schon gegangen waren. Das Teuerste bei Tokntliau ist das -- Wasser,
wenigstens das kühle, gute Quellwasser, wofür man einen Piaster (18 Pfennige)
Pro Karaffe erlegt. Es gibt auch schlechteres Leituugswasser, das nicht bezahlt
wird, davon zu trinken ist jedoch für den Europäer nicht ratsam.

Der Basar selbst ist zwar von einem einzigen viel gekuppelten und ge¬
wölbten, bläulich bemalten Dache überdeckt, bildet aber trotzdem eine Stadt für sich,
in deren engen hnlbdunkeln Gassen man unfehlbar jede Richtung und Orientierung
verliert und beim Uniherirren von jedem Händler als gute Beute angesehen, von
allen Seiten angeschrien, ja sogar an den Ärmeln gezogen wird. Der Mittelpunkt
und gleichsam Marktplatz dieser Stadt ist der düstre Besestän oder Waffenbasar.
>;etes Gewerbe hat seine besondre Gusse, und man kann, wenn man energisch


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lose Barockornnmente, doch von imponierender Schlichtheit und Puritcmischer Strenge,
würdig des gewaltigen Kriegsfürsten, der das Gotteshaus erbaute.

Dicht bei der Moschee Mohammeds, aber trotzdem schwer zu finden, ist der
Eingang zu einer der allergrößten Merkwürdigkeiten Stcunbuls. Von dem Moschee-
Hügel nämlich bis hinüber zu dem Hügel des Seraskeriats spannt sich der ge¬
waltige, zweistöckige Aquädukt, den Kaiser Valens vollendete, und der noch heute
eiuen Teil der Stadt mit Wasser versorgt. Schon aus der Ferne sieht die
doppelte Reihe mächtiger Rundbogen, oben dicht überhangen von Gebüsch, Gräsern
und Schlinggewächsen, höchst imposant aus. Den Aufstieg empfiehlt Meyer nur
schwindelfreien Personen. Wir fanden die Eingangstür offen, stiegen die schmale
Treppe in die Höhe und standen bald staunend auf der langen Hochstraße. Ein
schmaler Mittelpfad wurde auf beiden Seiten durch Gras, Unkraut und Gestrüpp
begrenzt, das über die Ränder und Bogen hinnnterfiel. Die ersten Schritte da
oben waren unsicher, dann gewöhnte sich das Ange an die Höhe und sah nun
trunkner Blickes, was sich ihm bot; in der Ferne das Goldne Horn, das Mar-
marameer, Galata und Pera, in der Nähe und unmittelbar unter uns Stambul
mit seinen Moscheen und Minarets und engem Straßengewirr. Wir waren vielleicht
hundert Schritte weit gegangen, da kam uns schreiend und gestikulierend der
Wächter nach, der seines Trinkgelds nicht verlustig gehn wollte. Er übernahm nun
die Führung und machte uns besonders auf die „Taxim" oder Wnsserteiler auf¬
merksam, die die Zuflüsse um die einzelnen Stadtbezirke verteilen, siebartige Tröge,
durch die das Wasser in gesonderte Röhren abfließt. Einzelne der Löcher waren
in primitiver Weise durch Steine verstopft. Wegen des Baues der Prinzenmoschee
ist ein Teil des Aquädukts niedergerissen worden. Wir mußten deshalb eine sehr
baufällige, tiefstufige Treppe hinab zu einer Pforte, die unser Begleiter nicht eher
aufschloß, als bis wir ihm jeder einen Franken gaben. Er hätte ebensogut fünf
oder zehn verlangen können. Wir waren ja ganz in seine Hand gegeben. Dann
gingen wir unten an der andern Hälfte des Aquädukts entlang bis zu seinem
Ende, wo uns der Führer wieder hinaufführte und mit uns bis zu der Durch¬
bruchstelle zurückging. Wiederum ging es eine gefährliche Treppe hinunter, und
wiederum forderte der Kerl an der verschlossenen Pforte einen Franken pro Person.
Diesesmal weigerten wir uns, sicherlich vergeblich, wenn uns nicht das Glück zu
Hilfe gekommen wäre. Ein wasserholender Knabe öffnete von außen mit einem
Schlüssel die Pforte, wir grüßten höhnisch-höflich und traten hinaus ius Freie,
während der biedre Wasseroukel, der so um sein zweites zu erpressendes Trinkgeld
kam, deu nichtsahnenden Jungen mit einer Flut vou Scheltworten überschüttete.

Wir waren dann doch von Herzen zufrieden, als wir uns durch einige weitere
unheimliche Gassen durchgeschlagen hatten bis zum großen Basar. Dort gibt es
nämlich eine heimatlich anmutende Oase in der Wüste asiatischer Fremdheit und
Unkultur. Sie heißt „Tokatlian" und ist das einzige europäisch eingerichtete
Restaurant in ganz Stambul. Fröhlich setzten wir uns in den obern Räumen zu
Tisch und streckten die Hände zum lecker bereiteten Mahl aus. Wir hatten es in
der Tat verdient. Ich glaube, nicht jeder macht uns die Wege nach, die wir an
diesem Tage schon gegangen waren. Das Teuerste bei Tokntliau ist das — Wasser,
wenigstens das kühle, gute Quellwasser, wofür man einen Piaster (18 Pfennige)
Pro Karaffe erlegt. Es gibt auch schlechteres Leituugswasser, das nicht bezahlt
wird, davon zu trinken ist jedoch für den Europäer nicht ratsam.

Der Basar selbst ist zwar von einem einzigen viel gekuppelten und ge¬
wölbten, bläulich bemalten Dache überdeckt, bildet aber trotzdem eine Stadt für sich,
in deren engen hnlbdunkeln Gassen man unfehlbar jede Richtung und Orientierung
verliert und beim Uniherirren von jedem Händler als gute Beute angesehen, von
allen Seiten angeschrien, ja sogar an den Ärmeln gezogen wird. Der Mittelpunkt
und gleichsam Marktplatz dieser Stadt ist der düstre Besestän oder Waffenbasar.
>;etes Gewerbe hat seine besondre Gusse, und man kann, wenn man energisch


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[0576] Uonstcintinopoliwnische Reiseerlebnisse lose Barockornnmente, doch von imponierender Schlichtheit und Puritcmischer Strenge, würdig des gewaltigen Kriegsfürsten, der das Gotteshaus erbaute. Dicht bei der Moschee Mohammeds, aber trotzdem schwer zu finden, ist der Eingang zu einer der allergrößten Merkwürdigkeiten Stcunbuls. Von dem Moschee- Hügel nämlich bis hinüber zu dem Hügel des Seraskeriats spannt sich der ge¬ waltige, zweistöckige Aquädukt, den Kaiser Valens vollendete, und der noch heute eiuen Teil der Stadt mit Wasser versorgt. Schon aus der Ferne sieht die doppelte Reihe mächtiger Rundbogen, oben dicht überhangen von Gebüsch, Gräsern und Schlinggewächsen, höchst imposant aus. Den Aufstieg empfiehlt Meyer nur schwindelfreien Personen. Wir fanden die Eingangstür offen, stiegen die schmale Treppe in die Höhe und standen bald staunend auf der langen Hochstraße. Ein schmaler Mittelpfad wurde auf beiden Seiten durch Gras, Unkraut und Gestrüpp begrenzt, das über die Ränder und Bogen hinnnterfiel. Die ersten Schritte da oben waren unsicher, dann gewöhnte sich das Ange an die Höhe und sah nun trunkner Blickes, was sich ihm bot; in der Ferne das Goldne Horn, das Mar- marameer, Galata und Pera, in der Nähe und unmittelbar unter uns Stambul mit seinen Moscheen und Minarets und engem Straßengewirr. Wir waren vielleicht hundert Schritte weit gegangen, da kam uns schreiend und gestikulierend der Wächter nach, der seines Trinkgelds nicht verlustig gehn wollte. Er übernahm nun die Führung und machte uns besonders auf die „Taxim" oder Wnsserteiler auf¬ merksam, die die Zuflüsse um die einzelnen Stadtbezirke verteilen, siebartige Tröge, durch die das Wasser in gesonderte Röhren abfließt. Einzelne der Löcher waren in primitiver Weise durch Steine verstopft. Wegen des Baues der Prinzenmoschee ist ein Teil des Aquädukts niedergerissen worden. Wir mußten deshalb eine sehr baufällige, tiefstufige Treppe hinab zu einer Pforte, die unser Begleiter nicht eher aufschloß, als bis wir ihm jeder einen Franken gaben. Er hätte ebensogut fünf oder zehn verlangen können. Wir waren ja ganz in seine Hand gegeben. Dann gingen wir unten an der andern Hälfte des Aquädukts entlang bis zu seinem Ende, wo uns der Führer wieder hinaufführte und mit uns bis zu der Durch¬ bruchstelle zurückging. Wiederum ging es eine gefährliche Treppe hinunter, und wiederum forderte der Kerl an der verschlossenen Pforte einen Franken pro Person. Diesesmal weigerten wir uns, sicherlich vergeblich, wenn uns nicht das Glück zu Hilfe gekommen wäre. Ein wasserholender Knabe öffnete von außen mit einem Schlüssel die Pforte, wir grüßten höhnisch-höflich und traten hinaus ius Freie, während der biedre Wasseroukel, der so um sein zweites zu erpressendes Trinkgeld kam, deu nichtsahnenden Jungen mit einer Flut vou Scheltworten überschüttete. Wir waren dann doch von Herzen zufrieden, als wir uns durch einige weitere unheimliche Gassen durchgeschlagen hatten bis zum großen Basar. Dort gibt es nämlich eine heimatlich anmutende Oase in der Wüste asiatischer Fremdheit und Unkultur. Sie heißt „Tokatlian" und ist das einzige europäisch eingerichtete Restaurant in ganz Stambul. Fröhlich setzten wir uns in den obern Räumen zu Tisch und streckten die Hände zum lecker bereiteten Mahl aus. Wir hatten es in der Tat verdient. Ich glaube, nicht jeder macht uns die Wege nach, die wir an diesem Tage schon gegangen waren. Das Teuerste bei Tokntliau ist das — Wasser, wenigstens das kühle, gute Quellwasser, wofür man einen Piaster (18 Pfennige) Pro Karaffe erlegt. Es gibt auch schlechteres Leituugswasser, das nicht bezahlt wird, davon zu trinken ist jedoch für den Europäer nicht ratsam. Der Basar selbst ist zwar von einem einzigen viel gekuppelten und ge¬ wölbten, bläulich bemalten Dache überdeckt, bildet aber trotzdem eine Stadt für sich, in deren engen hnlbdunkeln Gassen man unfehlbar jede Richtung und Orientierung verliert und beim Uniherirren von jedem Händler als gute Beute angesehen, von allen Seiten angeschrien, ja sogar an den Ärmeln gezogen wird. Der Mittelpunkt und gleichsam Marktplatz dieser Stadt ist der düstre Besestän oder Waffenbasar. >;etes Gewerbe hat seine besondre Gusse, und man kann, wenn man energisch

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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_295218/576>, abgerufen am 23.07.2024.