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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

dem Kriege sehr bald dahinterkommen, daß es ihn nicht für seine Interessen, sondern
für die seiner Konkurrenten geführt hat, und da es uns an der Wiedererstarkung
auf die Dauer doch nicht hindern könnte, so würde es sich obendrein einen unver¬
söhnlichen deutschen Geguer geschaffen haben, der heute uicht vorhanden ist.

Deutschland als politische Macht bedroht heute nirgend englische Interessen,
würde das auch nicht tun, wenn die deutsche Flotte die doppelte Stärke hätte. Der
Kampf, den wir heute mit England führen, ist ein ehrlicher Konkurrenzkampf der
Industrie, des Handels und der Schiffahrt, der Kampf der offnen Tür. Wenn
England daraus die Motive zu einem Vernichtungskriege gegen Deutschland her¬
leiten will, wie auszusprechen englische Blätter sich nicht entblödet haben, so würde
es damit nur die Inferiorität seiner Industrie, seines Handels und
seiner Schiffahrt einräumen. Es würde zugestehn, daß es in einem ehrlichen
Konkurrenzkampfe besiegt zu werden fürchtet, und daß es deshalb, allein deshalb,
seine Zuflucht zur Gewalttat nimmt. Denn eine deutsche Kriegsflotte von 38 Linien¬
schiffen, die zum Teil leider erst auf dein Papier vorhanden sind, bedroht doch das
seemächtige England mit seiner fast doppelten Zahl an Schlachtschiffen, wobei 29
aus den Jahren 1862 bis 1893 noch gar nicht eingerechnet sind, sowie seiner ge¬
waltigen Überzahl an Kreuzern in keiner Weise. Wohl aber ergibt sich aus dieser
Haltung eines Teils der öffentlichen Meinung in England für uns Deutsche die
Lehre, daß die Neigung, eines Tags uns zu überfallen, nur so lange bestehn
wird, als wir schwach sind, daß aber diese Neigung in dem Maße ab¬
nehmen wird, je stärker wir werden. Haben wir endlich einmal unsre
Rotte von vier Doppelgeschwadern, 64 Linienschiffe in der Front, dann werden
die Engländer, der Artikelschreiber der ^.im^ iuict Nao^ vmotts eingeschlossen,
der diese 64 deutschen Linienschiffe hoffentlich noch erlebt, uns gerührt als
Freunde an die Brust sinken. Von Wert für alle andern Nationen ist es
aber immerhin, daß die Tradition, die 1801 und 1807 zur Wegnahme der
dänischen Flotte, zu der grausamen Beschießung und zur Zerstörung eines Teils
von Kopenhagen führte, heute noch im englischen Volke lebendig ist. Berufne
Persönlichkeiten haben sich angelegen sein lassen, den ungünstigen Eindruck jener
Auslassungen zu verwischen, und in deu deutschen maßgebenden Kreisen besteht sicherlich
das feste Vertrauen zu König Edward und seiner Regierung, daß diese solche An¬
schauungen nicht nur nicht teilen, sondern in hohem Maße bedauern. Dennoch
müssen wir fortan auch für unsre Seewehr das hier schon wiederholt zitierte
Bismarckische Wort gelten lassen: "Rechnen wir mit dem schlimmsten Fall, mit dem
Überfall, und wir werden uns nicht verrechnen." Gewisse Vorsichtsmaßregeln, wie
sie für unsre Grenzfestungen bestehn, werden auch für Wilhelmshaven und Cux-
haven ergriffen werden müssen.

Mit dieser Unterströmung in England parallel läuft eine starke Strömung in
Frankreich, die eben wieder in einem Votum des Pariser Gemeinderath zu einem quasi
offiziellen Ausdruck gelangt ist. Nun kann man ja zugeben, daß anch in den größern
deutschen Städten die Vertretungen der Bürgerschaft oft recht seltsame Beschlüsse fassen,
aber doch immerhin nicht solche, die einen so starken Brandgeruch an sich tragen. Der
zum Beschluß erhobne Antrag im Pariser Gemeinderat ist aus Anlaß des Besuchs
der skandinavischen Parlamentarier gefaßt und lautet dahin, daß das hauptsächlichste
Hindernis für den Triumph des Schiedsgerichtsprinzips "die Zerstücklung Frank¬
reichs im Jahre 1871" sei. und daß es im Interesse aller der Sache des Friedens
aufrichtig anhängenden Völker liege, sich zu verständigen und für das durch den
Vertrag, der Frankreich Elsaß-Lothringen entrissen habe, verletzte Recht einzutreten.
Da nun anch auf die clcmos violönee verschiedner Nationen hin Deutschland den
Schlüssel zu seinem Hause schwerlich gutwillig an den französischen Nachbar aus¬
liefern wird, so scheint der Pariser Gemeinderat der Ansicht zu sein, daß die andern
Völker verpflichtet seien, Frankreich bei dieser "Revindikation" zu helfen und Vor¬
spann zu leisten. Will man diese Frage überhaupt diskutieren, so wäre das Nächst¬
liegende wohl die Erwartung, daß der Pariser Gemeinderat als Konsequenz seines


Maßgebliches und Unmaßgebliches

dem Kriege sehr bald dahinterkommen, daß es ihn nicht für seine Interessen, sondern
für die seiner Konkurrenten geführt hat, und da es uns an der Wiedererstarkung
auf die Dauer doch nicht hindern könnte, so würde es sich obendrein einen unver¬
söhnlichen deutschen Geguer geschaffen haben, der heute uicht vorhanden ist.

Deutschland als politische Macht bedroht heute nirgend englische Interessen,
würde das auch nicht tun, wenn die deutsche Flotte die doppelte Stärke hätte. Der
Kampf, den wir heute mit England führen, ist ein ehrlicher Konkurrenzkampf der
Industrie, des Handels und der Schiffahrt, der Kampf der offnen Tür. Wenn
England daraus die Motive zu einem Vernichtungskriege gegen Deutschland her¬
leiten will, wie auszusprechen englische Blätter sich nicht entblödet haben, so würde
es damit nur die Inferiorität seiner Industrie, seines Handels und
seiner Schiffahrt einräumen. Es würde zugestehn, daß es in einem ehrlichen
Konkurrenzkampfe besiegt zu werden fürchtet, und daß es deshalb, allein deshalb,
seine Zuflucht zur Gewalttat nimmt. Denn eine deutsche Kriegsflotte von 38 Linien¬
schiffen, die zum Teil leider erst auf dein Papier vorhanden sind, bedroht doch das
seemächtige England mit seiner fast doppelten Zahl an Schlachtschiffen, wobei 29
aus den Jahren 1862 bis 1893 noch gar nicht eingerechnet sind, sowie seiner ge¬
waltigen Überzahl an Kreuzern in keiner Weise. Wohl aber ergibt sich aus dieser
Haltung eines Teils der öffentlichen Meinung in England für uns Deutsche die
Lehre, daß die Neigung, eines Tags uns zu überfallen, nur so lange bestehn
wird, als wir schwach sind, daß aber diese Neigung in dem Maße ab¬
nehmen wird, je stärker wir werden. Haben wir endlich einmal unsre
Rotte von vier Doppelgeschwadern, 64 Linienschiffe in der Front, dann werden
die Engländer, der Artikelschreiber der ^.im^ iuict Nao^ vmotts eingeschlossen,
der diese 64 deutschen Linienschiffe hoffentlich noch erlebt, uns gerührt als
Freunde an die Brust sinken. Von Wert für alle andern Nationen ist es
aber immerhin, daß die Tradition, die 1801 und 1807 zur Wegnahme der
dänischen Flotte, zu der grausamen Beschießung und zur Zerstörung eines Teils
von Kopenhagen führte, heute noch im englischen Volke lebendig ist. Berufne
Persönlichkeiten haben sich angelegen sein lassen, den ungünstigen Eindruck jener
Auslassungen zu verwischen, und in deu deutschen maßgebenden Kreisen besteht sicherlich
das feste Vertrauen zu König Edward und seiner Regierung, daß diese solche An¬
schauungen nicht nur nicht teilen, sondern in hohem Maße bedauern. Dennoch
müssen wir fortan auch für unsre Seewehr das hier schon wiederholt zitierte
Bismarckische Wort gelten lassen: „Rechnen wir mit dem schlimmsten Fall, mit dem
Überfall, und wir werden uns nicht verrechnen." Gewisse Vorsichtsmaßregeln, wie
sie für unsre Grenzfestungen bestehn, werden auch für Wilhelmshaven und Cux-
haven ergriffen werden müssen.

Mit dieser Unterströmung in England parallel läuft eine starke Strömung in
Frankreich, die eben wieder in einem Votum des Pariser Gemeinderath zu einem quasi
offiziellen Ausdruck gelangt ist. Nun kann man ja zugeben, daß anch in den größern
deutschen Städten die Vertretungen der Bürgerschaft oft recht seltsame Beschlüsse fassen,
aber doch immerhin nicht solche, die einen so starken Brandgeruch an sich tragen. Der
zum Beschluß erhobne Antrag im Pariser Gemeinderat ist aus Anlaß des Besuchs
der skandinavischen Parlamentarier gefaßt und lautet dahin, daß das hauptsächlichste
Hindernis für den Triumph des Schiedsgerichtsprinzips „die Zerstücklung Frank¬
reichs im Jahre 1871" sei. und daß es im Interesse aller der Sache des Friedens
aufrichtig anhängenden Völker liege, sich zu verständigen und für das durch den
Vertrag, der Frankreich Elsaß-Lothringen entrissen habe, verletzte Recht einzutreten.
Da nun anch auf die clcmos violönee verschiedner Nationen hin Deutschland den
Schlüssel zu seinem Hause schwerlich gutwillig an den französischen Nachbar aus¬
liefern wird, so scheint der Pariser Gemeinderat der Ansicht zu sein, daß die andern
Völker verpflichtet seien, Frankreich bei dieser „Revindikation" zu helfen und Vor¬
spann zu leisten. Will man diese Frage überhaupt diskutieren, so wäre das Nächst¬
liegende wohl die Erwartung, daß der Pariser Gemeinderat als Konsequenz seines


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[0535] Maßgebliches und Unmaßgebliches dem Kriege sehr bald dahinterkommen, daß es ihn nicht für seine Interessen, sondern für die seiner Konkurrenten geführt hat, und da es uns an der Wiedererstarkung auf die Dauer doch nicht hindern könnte, so würde es sich obendrein einen unver¬ söhnlichen deutschen Geguer geschaffen haben, der heute uicht vorhanden ist. Deutschland als politische Macht bedroht heute nirgend englische Interessen, würde das auch nicht tun, wenn die deutsche Flotte die doppelte Stärke hätte. Der Kampf, den wir heute mit England führen, ist ein ehrlicher Konkurrenzkampf der Industrie, des Handels und der Schiffahrt, der Kampf der offnen Tür. Wenn England daraus die Motive zu einem Vernichtungskriege gegen Deutschland her¬ leiten will, wie auszusprechen englische Blätter sich nicht entblödet haben, so würde es damit nur die Inferiorität seiner Industrie, seines Handels und seiner Schiffahrt einräumen. Es würde zugestehn, daß es in einem ehrlichen Konkurrenzkampfe besiegt zu werden fürchtet, und daß es deshalb, allein deshalb, seine Zuflucht zur Gewalttat nimmt. Denn eine deutsche Kriegsflotte von 38 Linien¬ schiffen, die zum Teil leider erst auf dein Papier vorhanden sind, bedroht doch das seemächtige England mit seiner fast doppelten Zahl an Schlachtschiffen, wobei 29 aus den Jahren 1862 bis 1893 noch gar nicht eingerechnet sind, sowie seiner ge¬ waltigen Überzahl an Kreuzern in keiner Weise. Wohl aber ergibt sich aus dieser Haltung eines Teils der öffentlichen Meinung in England für uns Deutsche die Lehre, daß die Neigung, eines Tags uns zu überfallen, nur so lange bestehn wird, als wir schwach sind, daß aber diese Neigung in dem Maße ab¬ nehmen wird, je stärker wir werden. Haben wir endlich einmal unsre Rotte von vier Doppelgeschwadern, 64 Linienschiffe in der Front, dann werden die Engländer, der Artikelschreiber der ^.im^ iuict Nao^ vmotts eingeschlossen, der diese 64 deutschen Linienschiffe hoffentlich noch erlebt, uns gerührt als Freunde an die Brust sinken. Von Wert für alle andern Nationen ist es aber immerhin, daß die Tradition, die 1801 und 1807 zur Wegnahme der dänischen Flotte, zu der grausamen Beschießung und zur Zerstörung eines Teils von Kopenhagen führte, heute noch im englischen Volke lebendig ist. Berufne Persönlichkeiten haben sich angelegen sein lassen, den ungünstigen Eindruck jener Auslassungen zu verwischen, und in deu deutschen maßgebenden Kreisen besteht sicherlich das feste Vertrauen zu König Edward und seiner Regierung, daß diese solche An¬ schauungen nicht nur nicht teilen, sondern in hohem Maße bedauern. Dennoch müssen wir fortan auch für unsre Seewehr das hier schon wiederholt zitierte Bismarckische Wort gelten lassen: „Rechnen wir mit dem schlimmsten Fall, mit dem Überfall, und wir werden uns nicht verrechnen." Gewisse Vorsichtsmaßregeln, wie sie für unsre Grenzfestungen bestehn, werden auch für Wilhelmshaven und Cux- haven ergriffen werden müssen. Mit dieser Unterströmung in England parallel läuft eine starke Strömung in Frankreich, die eben wieder in einem Votum des Pariser Gemeinderath zu einem quasi offiziellen Ausdruck gelangt ist. Nun kann man ja zugeben, daß anch in den größern deutschen Städten die Vertretungen der Bürgerschaft oft recht seltsame Beschlüsse fassen, aber doch immerhin nicht solche, die einen so starken Brandgeruch an sich tragen. Der zum Beschluß erhobne Antrag im Pariser Gemeinderat ist aus Anlaß des Besuchs der skandinavischen Parlamentarier gefaßt und lautet dahin, daß das hauptsächlichste Hindernis für den Triumph des Schiedsgerichtsprinzips „die Zerstücklung Frank¬ reichs im Jahre 1871" sei. und daß es im Interesse aller der Sache des Friedens aufrichtig anhängenden Völker liege, sich zu verständigen und für das durch den Vertrag, der Frankreich Elsaß-Lothringen entrissen habe, verletzte Recht einzutreten. Da nun anch auf die clcmos violönee verschiedner Nationen hin Deutschland den Schlüssel zu seinem Hause schwerlich gutwillig an den französischen Nachbar aus¬ liefern wird, so scheint der Pariser Gemeinderat der Ansicht zu sein, daß die andern Völker verpflichtet seien, Frankreich bei dieser „Revindikation" zu helfen und Vor¬ spann zu leisten. Will man diese Frage überhaupt diskutieren, so wäre das Nächst¬ liegende wohl die Erwartung, daß der Pariser Gemeinderat als Konsequenz seines

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_295218/535>, abgerufen am 23.07.2024.