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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr.

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Die Sage vom Strandsegen und das Strandrecht ein der deutschen Rüste

Superioritüt über den preußischen wegen der höhern wissenschaftlichen Aus¬
bildung in Anspruch genommen wurde. Wo bleibt, so fragen wir, bei solchem
Auftreten die Selbsterkenntnis? Sind die Lehren der Feldzüge von 1866 und
von 1870 für Bayern so ganz vergeblich gewesen? Standen nicht in beiden
Feldzügen dieselben Offiziere an der Spitze des bayrischen Heeres? Aber
freilich mit welch himmelweit verschiednen Erfolge! Dort blieb unter ihnen das
bayrische Heer in ruhmloser Untätigkeit im Lande, hier pflückte es sich von den
Lorbeeren dieses Feldzugs mit die ersten und die schönsten. Und warum? Dort
war das bayrische Heer auf sich angewiesen, hier kämpfte es unter preußischer
Führung. Wer möchte in Abrede stellen, daß in dieser Beziehung die poli¬
tische Haltung des sächsischen Volks den Vorzug verdient? Loyal wie der
Sachse ist, hat er bei aller Wachsamkeit, mit der er auf seine Selbständigkeit
hält, doch das richtige Gefühl dafür, daß eine Herabdrückung des Ansehens
und der Verdienste Preußens gleichbedeutend ist mit einer Herabdrückung des
Ansehens des Reichs und damit auch mit eiuer Einbuße am eignen Ansehen;
loyal wie er ist, sucht er Vorzüge da, wo sie wirklich sind, nicht wegzuleugnen,
sondern erkennt sie willig an und strebt, sie sich Anzueignen. Wir wiederholen
auch hier: wir sagen das niemand zulieb und niemand zuleid, wir sagen es
nur zur Steuer der Wahrheit, mit der man besonders in bayrischen Organen,
wenn es Sachsen gilt, nur zu häusig geneigt ist, recht einseitig umzuspringen.




Die Sage vom Strandsegen und das Strandrecht
an der deutschen Küste
Ludwig Aemmer vonin
(Schluß)

>in März des Jahres 1795 nahm, wie der Hamburger Publizist
erzählt, ein Amerikaner, dessen Schiff eine wertvolle Ladung
Kolonialwaren trug, von Helgoland vier Lotsen als Führer nach
Kuxhaven mit. Das Schiff wurde durch Treibeis von seinem
__!Ziele ab-, und da die Lotsen sich weigerten, es wieder in die
hohe See zu führen, auf den großen Vogelhaut gedrängt. Mit mehreren
Helgoländer Schniggen, die sich danach einfanden, vereinbarte der Kapitän
die Leichterung des Schiffes. Als dieses sich beim Eintritt der Ebbe aufWW^



Der Verfasser ist mit Forschungen zur Geschichte des Rettungswesens an der deutschen
Küste beschäftigt. Das amtliche Material ist ihm in der freundlichsten Weise zugänglich gemacht
worden. Leider zeigt es Lücken. Der Verfasser wäre deshalb sehr dankbar, wenn Beamte und
Private, deren Erinnerungen über das Jahr 1885 zurückgehn, durch freundliche Mitteilungen
über die Rettungseinrichtungen, die an der deutschen Küste in den ersten zwei Dritteln des
neunzehnten Jahrhunderts bestanden, es ihm ermöglichten, den guten Willen und die tüchtige
Arbeit, die auch an die Anfänge unsers Küstenrettungswesens gewandt worden sind, vor dem
Vergessenwerden zu bewahren. (Adresse: ol'. Ludwig Kenner, München, Arcisstraße 32.)
Die Sage vom Strandsegen und das Strandrecht ein der deutschen Rüste

Superioritüt über den preußischen wegen der höhern wissenschaftlichen Aus¬
bildung in Anspruch genommen wurde. Wo bleibt, so fragen wir, bei solchem
Auftreten die Selbsterkenntnis? Sind die Lehren der Feldzüge von 1866 und
von 1870 für Bayern so ganz vergeblich gewesen? Standen nicht in beiden
Feldzügen dieselben Offiziere an der Spitze des bayrischen Heeres? Aber
freilich mit welch himmelweit verschiednen Erfolge! Dort blieb unter ihnen das
bayrische Heer in ruhmloser Untätigkeit im Lande, hier pflückte es sich von den
Lorbeeren dieses Feldzugs mit die ersten und die schönsten. Und warum? Dort
war das bayrische Heer auf sich angewiesen, hier kämpfte es unter preußischer
Führung. Wer möchte in Abrede stellen, daß in dieser Beziehung die poli¬
tische Haltung des sächsischen Volks den Vorzug verdient? Loyal wie der
Sachse ist, hat er bei aller Wachsamkeit, mit der er auf seine Selbständigkeit
hält, doch das richtige Gefühl dafür, daß eine Herabdrückung des Ansehens
und der Verdienste Preußens gleichbedeutend ist mit einer Herabdrückung des
Ansehens des Reichs und damit auch mit eiuer Einbuße am eignen Ansehen;
loyal wie er ist, sucht er Vorzüge da, wo sie wirklich sind, nicht wegzuleugnen,
sondern erkennt sie willig an und strebt, sie sich Anzueignen. Wir wiederholen
auch hier: wir sagen das niemand zulieb und niemand zuleid, wir sagen es
nur zur Steuer der Wahrheit, mit der man besonders in bayrischen Organen,
wenn es Sachsen gilt, nur zu häusig geneigt ist, recht einseitig umzuspringen.




Die Sage vom Strandsegen und das Strandrecht
an der deutschen Küste
Ludwig Aemmer vonin
(Schluß)

>in März des Jahres 1795 nahm, wie der Hamburger Publizist
erzählt, ein Amerikaner, dessen Schiff eine wertvolle Ladung
Kolonialwaren trug, von Helgoland vier Lotsen als Führer nach
Kuxhaven mit. Das Schiff wurde durch Treibeis von seinem
__!Ziele ab-, und da die Lotsen sich weigerten, es wieder in die
hohe See zu führen, auf den großen Vogelhaut gedrängt. Mit mehreren
Helgoländer Schniggen, die sich danach einfanden, vereinbarte der Kapitän
die Leichterung des Schiffes. Als dieses sich beim Eintritt der Ebbe aufWW^



Der Verfasser ist mit Forschungen zur Geschichte des Rettungswesens an der deutschen
Küste beschäftigt. Das amtliche Material ist ihm in der freundlichsten Weise zugänglich gemacht
worden. Leider zeigt es Lücken. Der Verfasser wäre deshalb sehr dankbar, wenn Beamte und
Private, deren Erinnerungen über das Jahr 1885 zurückgehn, durch freundliche Mitteilungen
über die Rettungseinrichtungen, die an der deutschen Küste in den ersten zwei Dritteln des
neunzehnten Jahrhunderts bestanden, es ihm ermöglichten, den guten Willen und die tüchtige
Arbeit, die auch an die Anfänge unsers Küstenrettungswesens gewandt worden sind, vor dem
Vergessenwerden zu bewahren. (Adresse: ol'. Ludwig Kenner, München, Arcisstraße 32.)
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[0487] Die Sage vom Strandsegen und das Strandrecht ein der deutschen Rüste Superioritüt über den preußischen wegen der höhern wissenschaftlichen Aus¬ bildung in Anspruch genommen wurde. Wo bleibt, so fragen wir, bei solchem Auftreten die Selbsterkenntnis? Sind die Lehren der Feldzüge von 1866 und von 1870 für Bayern so ganz vergeblich gewesen? Standen nicht in beiden Feldzügen dieselben Offiziere an der Spitze des bayrischen Heeres? Aber freilich mit welch himmelweit verschiednen Erfolge! Dort blieb unter ihnen das bayrische Heer in ruhmloser Untätigkeit im Lande, hier pflückte es sich von den Lorbeeren dieses Feldzugs mit die ersten und die schönsten. Und warum? Dort war das bayrische Heer auf sich angewiesen, hier kämpfte es unter preußischer Führung. Wer möchte in Abrede stellen, daß in dieser Beziehung die poli¬ tische Haltung des sächsischen Volks den Vorzug verdient? Loyal wie der Sachse ist, hat er bei aller Wachsamkeit, mit der er auf seine Selbständigkeit hält, doch das richtige Gefühl dafür, daß eine Herabdrückung des Ansehens und der Verdienste Preußens gleichbedeutend ist mit einer Herabdrückung des Ansehens des Reichs und damit auch mit eiuer Einbuße am eignen Ansehen; loyal wie er ist, sucht er Vorzüge da, wo sie wirklich sind, nicht wegzuleugnen, sondern erkennt sie willig an und strebt, sie sich Anzueignen. Wir wiederholen auch hier: wir sagen das niemand zulieb und niemand zuleid, wir sagen es nur zur Steuer der Wahrheit, mit der man besonders in bayrischen Organen, wenn es Sachsen gilt, nur zu häusig geneigt ist, recht einseitig umzuspringen. Die Sage vom Strandsegen und das Strandrecht an der deutschen Küste Ludwig Aemmer vonin (Schluß) >in März des Jahres 1795 nahm, wie der Hamburger Publizist erzählt, ein Amerikaner, dessen Schiff eine wertvolle Ladung Kolonialwaren trug, von Helgoland vier Lotsen als Führer nach Kuxhaven mit. Das Schiff wurde durch Treibeis von seinem __!Ziele ab-, und da die Lotsen sich weigerten, es wieder in die hohe See zu führen, auf den großen Vogelhaut gedrängt. Mit mehreren Helgoländer Schniggen, die sich danach einfanden, vereinbarte der Kapitän die Leichterung des Schiffes. Als dieses sich beim Eintritt der Ebbe aufWW^ Der Verfasser ist mit Forschungen zur Geschichte des Rettungswesens an der deutschen Küste beschäftigt. Das amtliche Material ist ihm in der freundlichsten Weise zugänglich gemacht worden. Leider zeigt es Lücken. Der Verfasser wäre deshalb sehr dankbar, wenn Beamte und Private, deren Erinnerungen über das Jahr 1885 zurückgehn, durch freundliche Mitteilungen über die Rettungseinrichtungen, die an der deutschen Küste in den ersten zwei Dritteln des neunzehnten Jahrhunderts bestanden, es ihm ermöglichten, den guten Willen und die tüchtige Arbeit, die auch an die Anfänge unsers Küstenrettungswesens gewandt worden sind, vor dem Vergessenwerden zu bewahren. (Adresse: ol'. Ludwig Kenner, München, Arcisstraße 32.)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_295218/487>, abgerufen am 23.07.2024.