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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Maßgebliches und Unmaßgebliches
Reichsspiegel.

Die lippische Angelegenheit ist nun endlich auf das richtige
Geleise geschoben. Die Tatsache ist in Deutschland allgemein mit großer Befriedigung
aufgenommen worden, zugleich darf in dieser Art der Erledigung ein wertvolles
Präzedens für künftige Streitfälle um Thronrechte gesehen werden. Es hat sich
somit doch ergeben, daß ein sehr einfacher Weg gangbar ist, solche Dinge ohne
jede Verbitterung auszutragen. Für die Gegenwart gereicht das zur Befriedigung,
für die Zukunft zur Beruhigung. Die Frage der Vereidigung des lippischen Ba¬
taillons auf den jetzigen Regenten ist dabei ziemlich irrelevant. Ob es vom mon¬
archischen Standpunkt aus gerade in unsern Tagen richtig sein mag, den Massen
zu zeigen, daß es "auch so," ohne Vereidigung, gehe, bleibe dahingestellt, jedenfalls
müssen aber doch die jetzt eingetretnen Rekruten einen Fahneneid leisten. Das ist
weder eine rein dynastische noch eine rein militärische Frage, sondern eine höchst
politische. Die Leistung des Fahneneides ist durch die Reichsverfassung vorge¬
schrieben. Die Erneuerung der Vereidigung bei einem Thronwechsel oder bei
Eintritt einer Regentschaft kann ausgesetzt werde", die Vereidigung der Rekruten
muß verfassungsgemäß geschehen, schon deshalb, weil der Fahneneid nicht nur dem
Landesherrn, sondern auch dem Kaiser, dem obersten Kriegsherrn, geschworen wird.
Auch hierbei handelt es sich nicht nur um den vorliegenden Fall, sondern um eine
Angelegenheit von genereller Bedeutung. Hoffen wir, daß die Geschicklichkeit und
die Energie, mit der der Reichskanzler den leidigen Thronfolgestreit der allein
richtigen Lösung zugeführt hat, auch in der Vereidigungsfrage den richtigen Weg
öffnet, zumal nachdem "die Anerkennung" durch die Zulassung des lippischen Ver¬
treters in den Bundesrat ihre Lösung gefunden hat. Auch die Fahneneidfrage läßt
sich in Zukunft wenigstens für alle unter der preußischen Armeeverwaltung stehenden
Truppenteile sehr einfach lösen. Da der Fahneneid in der Reichsverfassung vor¬
geschrieben ist, ist er eine unter der Verantwortlichkeit des Reichskanzlers stehende
Angelegenheit. Bei einem Regierungswechsel muß demgemäß der Reichskanzler
den Kriegsminister benachrichtigen, ob der Vereidigung irgendwelche Bedenken ent¬
gegenstehn, und der Kriegsminister muß dann das betreffende Kommando entsprechend
anweisen. Die Anerkennnngsfrage, die ja bei direktem unbestrittnem Erbgange
ohnehin ausscheidet, ist also vorher vom Reichskanzler mit dem Kaiser ins reine zu
bringen. So würde sicherlich auch im vorliegenden Falle Verfahren worden sein,
wenn die lippische Negierung eine amtliche Anzeige an den Reichskanzler, und nicht
vorher der neue Regent ein Telegramm an den Kaiser gerichtet hätte. In so
delikaten Fragen ist die äußerste Korrektheit geboten, geringfügige Verstöße, bei
denen sich niemand etwas denkt, können leicht eine ebenso unerwünschte als unab¬
sehbare Tragweite haben. Hätte sich die lippische Regierung sofort an den Reichs¬
kanzler gewandt, so würde wahrscheinlich der ganze Feuerlärm, der wochenlang die
deutsche Presse durchtobte und alle Staatsrechtslehrer, mit oder ohne Berühmtheit,
in den Sattel rief, vermieden worden fein. Hoffentlich hat der Reichstag soviel
Takt, nicht alle diese Leid- und Leitartikel noch einmal aufzuwärmen, sondern die
ganze Sache ruhig ihren endlich gewiesnen Gang gehn zu lassen. Hat das Reichs¬
gericht erst einmal gesprochen, und ist der lippische Fall erledigt, dann wäre vielleicht
zu erwägen, ob die Reichsverfassung nicht für die formale Behandlung solcher Dinge
einer Ergänzung bedarf, die so unerquickliche Schwierigkeiten für alle Zukunft möglichst
ausschließt.

Daß der Reichstagsabgeordnete Reichsgerichtsrat spähn ein Landtagsmandat
angenommen hat, hat in der Presse Erörterungen darüber hervorgerufen, daß Herr
spähn, der am lautesten über die Überlastung der Mitglieder des Reichsgerichts
klage, nicht Anstand nehme, seine Arbeitslast noch in so außerordentlicher Weise zu
vermehren. Im Grunde genommen ist es Sache jedes Einzelnen, zumal jedes


Grenzboten IV 1904 55
Maßgebliches und Unmaßgebliches

Maßgebliches und Unmaßgebliches
Reichsspiegel.

Die lippische Angelegenheit ist nun endlich auf das richtige
Geleise geschoben. Die Tatsache ist in Deutschland allgemein mit großer Befriedigung
aufgenommen worden, zugleich darf in dieser Art der Erledigung ein wertvolles
Präzedens für künftige Streitfälle um Thronrechte gesehen werden. Es hat sich
somit doch ergeben, daß ein sehr einfacher Weg gangbar ist, solche Dinge ohne
jede Verbitterung auszutragen. Für die Gegenwart gereicht das zur Befriedigung,
für die Zukunft zur Beruhigung. Die Frage der Vereidigung des lippischen Ba¬
taillons auf den jetzigen Regenten ist dabei ziemlich irrelevant. Ob es vom mon¬
archischen Standpunkt aus gerade in unsern Tagen richtig sein mag, den Massen
zu zeigen, daß es „auch so," ohne Vereidigung, gehe, bleibe dahingestellt, jedenfalls
müssen aber doch die jetzt eingetretnen Rekruten einen Fahneneid leisten. Das ist
weder eine rein dynastische noch eine rein militärische Frage, sondern eine höchst
politische. Die Leistung des Fahneneides ist durch die Reichsverfassung vorge¬
schrieben. Die Erneuerung der Vereidigung bei einem Thronwechsel oder bei
Eintritt einer Regentschaft kann ausgesetzt werde», die Vereidigung der Rekruten
muß verfassungsgemäß geschehen, schon deshalb, weil der Fahneneid nicht nur dem
Landesherrn, sondern auch dem Kaiser, dem obersten Kriegsherrn, geschworen wird.
Auch hierbei handelt es sich nicht nur um den vorliegenden Fall, sondern um eine
Angelegenheit von genereller Bedeutung. Hoffen wir, daß die Geschicklichkeit und
die Energie, mit der der Reichskanzler den leidigen Thronfolgestreit der allein
richtigen Lösung zugeführt hat, auch in der Vereidigungsfrage den richtigen Weg
öffnet, zumal nachdem „die Anerkennung" durch die Zulassung des lippischen Ver¬
treters in den Bundesrat ihre Lösung gefunden hat. Auch die Fahneneidfrage läßt
sich in Zukunft wenigstens für alle unter der preußischen Armeeverwaltung stehenden
Truppenteile sehr einfach lösen. Da der Fahneneid in der Reichsverfassung vor¬
geschrieben ist, ist er eine unter der Verantwortlichkeit des Reichskanzlers stehende
Angelegenheit. Bei einem Regierungswechsel muß demgemäß der Reichskanzler
den Kriegsminister benachrichtigen, ob der Vereidigung irgendwelche Bedenken ent¬
gegenstehn, und der Kriegsminister muß dann das betreffende Kommando entsprechend
anweisen. Die Anerkennnngsfrage, die ja bei direktem unbestrittnem Erbgange
ohnehin ausscheidet, ist also vorher vom Reichskanzler mit dem Kaiser ins reine zu
bringen. So würde sicherlich auch im vorliegenden Falle Verfahren worden sein,
wenn die lippische Negierung eine amtliche Anzeige an den Reichskanzler, und nicht
vorher der neue Regent ein Telegramm an den Kaiser gerichtet hätte. In so
delikaten Fragen ist die äußerste Korrektheit geboten, geringfügige Verstöße, bei
denen sich niemand etwas denkt, können leicht eine ebenso unerwünschte als unab¬
sehbare Tragweite haben. Hätte sich die lippische Regierung sofort an den Reichs¬
kanzler gewandt, so würde wahrscheinlich der ganze Feuerlärm, der wochenlang die
deutsche Presse durchtobte und alle Staatsrechtslehrer, mit oder ohne Berühmtheit,
in den Sattel rief, vermieden worden fein. Hoffentlich hat der Reichstag soviel
Takt, nicht alle diese Leid- und Leitartikel noch einmal aufzuwärmen, sondern die
ganze Sache ruhig ihren endlich gewiesnen Gang gehn zu lassen. Hat das Reichs¬
gericht erst einmal gesprochen, und ist der lippische Fall erledigt, dann wäre vielleicht
zu erwägen, ob die Reichsverfassung nicht für die formale Behandlung solcher Dinge
einer Ergänzung bedarf, die so unerquickliche Schwierigkeiten für alle Zukunft möglichst
ausschließt.

Daß der Reichstagsabgeordnete Reichsgerichtsrat spähn ein Landtagsmandat
angenommen hat, hat in der Presse Erörterungen darüber hervorgerufen, daß Herr
spähn, der am lautesten über die Überlastung der Mitglieder des Reichsgerichts
klage, nicht Anstand nehme, seine Arbeitslast noch in so außerordentlicher Weise zu
vermehren. Im Grunde genommen ist es Sache jedes Einzelnen, zumal jedes


Grenzboten IV 1904 55
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[0411] Maßgebliches und Unmaßgebliches Maßgebliches und Unmaßgebliches Reichsspiegel. Die lippische Angelegenheit ist nun endlich auf das richtige Geleise geschoben. Die Tatsache ist in Deutschland allgemein mit großer Befriedigung aufgenommen worden, zugleich darf in dieser Art der Erledigung ein wertvolles Präzedens für künftige Streitfälle um Thronrechte gesehen werden. Es hat sich somit doch ergeben, daß ein sehr einfacher Weg gangbar ist, solche Dinge ohne jede Verbitterung auszutragen. Für die Gegenwart gereicht das zur Befriedigung, für die Zukunft zur Beruhigung. Die Frage der Vereidigung des lippischen Ba¬ taillons auf den jetzigen Regenten ist dabei ziemlich irrelevant. Ob es vom mon¬ archischen Standpunkt aus gerade in unsern Tagen richtig sein mag, den Massen zu zeigen, daß es „auch so," ohne Vereidigung, gehe, bleibe dahingestellt, jedenfalls müssen aber doch die jetzt eingetretnen Rekruten einen Fahneneid leisten. Das ist weder eine rein dynastische noch eine rein militärische Frage, sondern eine höchst politische. Die Leistung des Fahneneides ist durch die Reichsverfassung vorge¬ schrieben. Die Erneuerung der Vereidigung bei einem Thronwechsel oder bei Eintritt einer Regentschaft kann ausgesetzt werde», die Vereidigung der Rekruten muß verfassungsgemäß geschehen, schon deshalb, weil der Fahneneid nicht nur dem Landesherrn, sondern auch dem Kaiser, dem obersten Kriegsherrn, geschworen wird. Auch hierbei handelt es sich nicht nur um den vorliegenden Fall, sondern um eine Angelegenheit von genereller Bedeutung. Hoffen wir, daß die Geschicklichkeit und die Energie, mit der der Reichskanzler den leidigen Thronfolgestreit der allein richtigen Lösung zugeführt hat, auch in der Vereidigungsfrage den richtigen Weg öffnet, zumal nachdem „die Anerkennung" durch die Zulassung des lippischen Ver¬ treters in den Bundesrat ihre Lösung gefunden hat. Auch die Fahneneidfrage läßt sich in Zukunft wenigstens für alle unter der preußischen Armeeverwaltung stehenden Truppenteile sehr einfach lösen. Da der Fahneneid in der Reichsverfassung vor¬ geschrieben ist, ist er eine unter der Verantwortlichkeit des Reichskanzlers stehende Angelegenheit. Bei einem Regierungswechsel muß demgemäß der Reichskanzler den Kriegsminister benachrichtigen, ob der Vereidigung irgendwelche Bedenken ent¬ gegenstehn, und der Kriegsminister muß dann das betreffende Kommando entsprechend anweisen. Die Anerkennnngsfrage, die ja bei direktem unbestrittnem Erbgange ohnehin ausscheidet, ist also vorher vom Reichskanzler mit dem Kaiser ins reine zu bringen. So würde sicherlich auch im vorliegenden Falle Verfahren worden sein, wenn die lippische Negierung eine amtliche Anzeige an den Reichskanzler, und nicht vorher der neue Regent ein Telegramm an den Kaiser gerichtet hätte. In so delikaten Fragen ist die äußerste Korrektheit geboten, geringfügige Verstöße, bei denen sich niemand etwas denkt, können leicht eine ebenso unerwünschte als unab¬ sehbare Tragweite haben. Hätte sich die lippische Regierung sofort an den Reichs¬ kanzler gewandt, so würde wahrscheinlich der ganze Feuerlärm, der wochenlang die deutsche Presse durchtobte und alle Staatsrechtslehrer, mit oder ohne Berühmtheit, in den Sattel rief, vermieden worden fein. Hoffentlich hat der Reichstag soviel Takt, nicht alle diese Leid- und Leitartikel noch einmal aufzuwärmen, sondern die ganze Sache ruhig ihren endlich gewiesnen Gang gehn zu lassen. Hat das Reichs¬ gericht erst einmal gesprochen, und ist der lippische Fall erledigt, dann wäre vielleicht zu erwägen, ob die Reichsverfassung nicht für die formale Behandlung solcher Dinge einer Ergänzung bedarf, die so unerquickliche Schwierigkeiten für alle Zukunft möglichst ausschließt. Daß der Reichstagsabgeordnete Reichsgerichtsrat spähn ein Landtagsmandat angenommen hat, hat in der Presse Erörterungen darüber hervorgerufen, daß Herr spähn, der am lautesten über die Überlastung der Mitglieder des Reichsgerichts klage, nicht Anstand nehme, seine Arbeitslast noch in so außerordentlicher Weise zu vermehren. Im Grunde genommen ist es Sache jedes Einzelnen, zumal jedes Grenzboten IV 1904 55

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_295218/411>, abgerufen am 03.07.2024.