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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr.

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Äapoleo" der Lrste in Dresden ^60?

an seinen Anblick gewöhnt wären. Kurz, man bemerkte kaum den Ernst und
die Majestät seiner Gegenwart, so heiter und natürlich war das Interesse, welches
er an den Äußerungen dieser muntern Jugend zeigte. Er besah nach jener
Prüfung das Innere des Hauses, wobei er die Umstehenden über mehrere
Gegenstünde so fragte, daß er aus dem Einzelnen auf das Ganze schließen
konnte. Er hielt sich insbesondre in einem der beiden großem Lehrsäle auf,
wo er die in der letzten Lektion an die Tafel gezeichneten Figuren erklären
ließ und die von den Zöglingen verfertigten Situationsplüne und andre Arbeiten,
zum Beispiel die von ihnen aufgenommne und von einem Kadetten gezeichnete
Gegend der Stellung bei Boxdorf und die von einem andern gezeichnete Statue
des Generals Seydlitz genau betrachtete. Er verließ hierauf das Haus mit der
Äußerung seiner Zufriedenheit. Als Beweis derselben hat er einige Tage nachher
dem Kommandanten, dem Obersten von Emmerich, eine goldne Dose mit seiner
Namenschiffre in Brillanten durch seinen Großstallmeister, Herrn von Faulincourt,
mit der ausdrücklichen Versicherung seines Beifalls über die gefundne gute
Ordnung und Applikation zustellen lassen."

Nach dieser Unterbrechung seines Rittes begab sich der Kaiser mit seinem
Gefolge wieder nach der Altstadt und unterzog auch hier die Befestigungen
einer kurzen Prüfung. Er verließ die Stadt durch das Pirnaische Tor, ritt
die Außenwälle entlang und kehrte gegen zehn Uhr durch das Seetor über den
Altmarkt nach dem Schlosse zurück.

Den übrigen Teil des Tags verbrachte der Kaiser im Schlosse, arbeitend,
im Verkehr mit der königlichen Familie und mit der Betrachtung der königlichen
Sammlungen. Nach der Rückkehr fand zunächst gemeinsame Frühstückstafel statt.
Der Kaiser behielt durchaus seine eigne Tagesordnung bei, die sich von der des
sächsischen Hofes wesentlich unterschied. Während der Tafel marschierte vor dem
Schlosse die königliche Leibgrenadiergarde in Parade auf. In der königlichen
Hofkirche wurde zur Feier des Friedens und der Anwesenheit Napoleons ein
feierliches ?o Dsum gesungen. Dazu donnerten dreimal die zwölf Kanonen
aus dein Fcuerwcrksplatzc hinter dem Zwinger, und dann wurden noch einmal
um die ganze Festung die Kanonen gelöst. In den Zwischenräumen gab die
Garde dreimal Salve.

Am Nachmittag besichtigte der Kaiser in Begleitung des Königs und der
königlichen Familie die Rüstkammer und besonders die Gemäldegalerie. Diese
war damals noch im Schlosse, und zwar im zweiten Stockwerk des Stnllge-
büudes am Jüdenhof, von wo sie erst 1855 in den Scmperschen Ban am
Zwinger übersiedelte.

Um sieben Uhr fand die Abendtafel wieder ganz vn tamills statt. Die
zahlreich anwesenden Fürsten und Prinzen der deutschen Kleinstaaten, die zu¬
gleich in Dresden eingetroffen waren und nach Napoleons Huld geizten, so die
Fürsten von Reuß, die Herzöge von Koburg, von Gotha und von Weimar,
wurden grundsätzlich von jeder Intimität fern gehalten und blieben auch die
folgenden Tage von den Hofsestlichkeiten ausgeschlossen.*) Von dem französischen
Gefolge waren nur die Großwürdenträger, der Großherzog von Berg und der



Vgl. F. A, O-Byrn, Camillo Graf Marcolini, S. 125.
Äapoleo» der Lrste in Dresden ^60?

an seinen Anblick gewöhnt wären. Kurz, man bemerkte kaum den Ernst und
die Majestät seiner Gegenwart, so heiter und natürlich war das Interesse, welches
er an den Äußerungen dieser muntern Jugend zeigte. Er besah nach jener
Prüfung das Innere des Hauses, wobei er die Umstehenden über mehrere
Gegenstünde so fragte, daß er aus dem Einzelnen auf das Ganze schließen
konnte. Er hielt sich insbesondre in einem der beiden großem Lehrsäle auf,
wo er die in der letzten Lektion an die Tafel gezeichneten Figuren erklären
ließ und die von den Zöglingen verfertigten Situationsplüne und andre Arbeiten,
zum Beispiel die von ihnen aufgenommne und von einem Kadetten gezeichnete
Gegend der Stellung bei Boxdorf und die von einem andern gezeichnete Statue
des Generals Seydlitz genau betrachtete. Er verließ hierauf das Haus mit der
Äußerung seiner Zufriedenheit. Als Beweis derselben hat er einige Tage nachher
dem Kommandanten, dem Obersten von Emmerich, eine goldne Dose mit seiner
Namenschiffre in Brillanten durch seinen Großstallmeister, Herrn von Faulincourt,
mit der ausdrücklichen Versicherung seines Beifalls über die gefundne gute
Ordnung und Applikation zustellen lassen."

Nach dieser Unterbrechung seines Rittes begab sich der Kaiser mit seinem
Gefolge wieder nach der Altstadt und unterzog auch hier die Befestigungen
einer kurzen Prüfung. Er verließ die Stadt durch das Pirnaische Tor, ritt
die Außenwälle entlang und kehrte gegen zehn Uhr durch das Seetor über den
Altmarkt nach dem Schlosse zurück.

Den übrigen Teil des Tags verbrachte der Kaiser im Schlosse, arbeitend,
im Verkehr mit der königlichen Familie und mit der Betrachtung der königlichen
Sammlungen. Nach der Rückkehr fand zunächst gemeinsame Frühstückstafel statt.
Der Kaiser behielt durchaus seine eigne Tagesordnung bei, die sich von der des
sächsischen Hofes wesentlich unterschied. Während der Tafel marschierte vor dem
Schlosse die königliche Leibgrenadiergarde in Parade auf. In der königlichen
Hofkirche wurde zur Feier des Friedens und der Anwesenheit Napoleons ein
feierliches ?o Dsum gesungen. Dazu donnerten dreimal die zwölf Kanonen
aus dein Fcuerwcrksplatzc hinter dem Zwinger, und dann wurden noch einmal
um die ganze Festung die Kanonen gelöst. In den Zwischenräumen gab die
Garde dreimal Salve.

Am Nachmittag besichtigte der Kaiser in Begleitung des Königs und der
königlichen Familie die Rüstkammer und besonders die Gemäldegalerie. Diese
war damals noch im Schlosse, und zwar im zweiten Stockwerk des Stnllge-
büudes am Jüdenhof, von wo sie erst 1855 in den Scmperschen Ban am
Zwinger übersiedelte.

Um sieben Uhr fand die Abendtafel wieder ganz vn tamills statt. Die
zahlreich anwesenden Fürsten und Prinzen der deutschen Kleinstaaten, die zu¬
gleich in Dresden eingetroffen waren und nach Napoleons Huld geizten, so die
Fürsten von Reuß, die Herzöge von Koburg, von Gotha und von Weimar,
wurden grundsätzlich von jeder Intimität fern gehalten und blieben auch die
folgenden Tage von den Hofsestlichkeiten ausgeschlossen.*) Von dem französischen
Gefolge waren nur die Großwürdenträger, der Großherzog von Berg und der



Vgl. F. A, O-Byrn, Camillo Graf Marcolini, S. 125.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_295218/380>, abgerufen am 23.07.2024.