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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr.

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treten bei sachlicher Arbeit, mit voller Einsetzung seiner Kräfte und seiner Gesund¬
heit. Man wird also rin ihm in Wien sehr sachlich verhandeln müssen; seine
Zeit ist bei der großen, auf dem Staatssekretär des Neichsmnts des Innern
ruhenden Arbeitslast sehr knapp bemessen, und mit liebenswürdiger Gemütlichkeit
allein sind bei ihm schwerlich Geschäfte zu machen. Am wenigsten dürfte er auf
dem Standpunkte stehn, daß Deutschland "seine Bundesgenossen wirtschaftlich
stärken müsse," er wird vielmehr bei den Wiener Verhandlungen weit mehr den
deutschen Reichstag als die österreichischen und die ungarischen Minister vor sich
sehen. Auch ist er wohl persönlich gut unterrichtet über die Zugeständnisse, die
Österreich-Ungarn machen kann oder nicht machen kann. Für Österreich-Ungarn
ist der Handelsvertrag mindestens so begehrenswert wie sür Deutschland. Dafür
zeugt nicht nur der Umstand, daß sich unsre Nachbarn jahrzehntelang die größte,
aber bei Bismarck immer vergebliche Mühe gegeben haben, zu einem Handels¬
vertrage mit Deutschland zu gelangen, auch vor 1866 waren die Anstrengungen
der Wiener Politik darauf gerichtet, dem Kaiserstaate den Eintritt in den Zoll¬
verein zu ermöglichen. Allerdings kam dem wirtschaftlichen Bedürfnis dabei der
politische Gedanke zu Hilfe, an Stelle Preußens an die Spitze des Zollvereins
zu treten. Die Ausfuhr Österreich-Ungarns nach Deutschland ist, stetig wachsend,
viel größer als die Einfuhr aus dem Deutschen Reiche in den Donaustaat. Nach
Angabe des Gothaer Hofkalenders betrug die Einfuhr aus Österreich-Ungarn in
Millionen Mark im Jahre 1901 693.3.'1902 719,5; die deutsche Ausfuhr dort¬
hin: 491,5, 533,1. Nach den österreichischen Ausschreibungen in Tausenden von
Kronen: die Ausfuhr nach Deutschland: 1901 977776, 1902 988498; die Ein¬
fuhr aus Deutschland: 1901 634 589, 1902 652012.

Diesen Zahlen gegenüber darf man in der Tat sagen, daß in Wien und Pest
das Interesse an dem Vertrage doch viel größer sein muß als in Berlin. Die
Schwierigkeiten auf deutscher Seite liegen nur darin, daß sich das Interesse auf
verschiedne Bundesstaaten verteilt, deren Regierungen sich mit ihren Landtagen
auseinanderzusetzen haben. Trotz allem dürfte immerhi" die Annahme gerechtfertigt
sein, daß, unterstützt durch die diplomatische Geschicklichkeit des Reichskanzlers, der
Vertrag schon zur Tatsache geworden ist oder doch nahe daran ist, es zu werde",
bis diese Zeilen im Druck erscheine". Für unsre innern Verhältnisse sind Handels¬
verträge, die der Industrie eine auch innerlich annehmbare Dauer und der Land¬
wirtschaft den nötigen Schutz gewähre", so sehr politisches Lebensbedürfnis, daß
die Spekulation des Auslandes, bei dem wir doch überall als Käufer auftreten,
aus der deutschen Haut Riemen zu schneide", vergeblich sei" dürfte. Für Deutschland
gilt seit den vorigen Handelsvertragsverhandlnngen das äiseits moniti! Manche Vor¬
gänge, die damals unsre Interessen, zum Teil "och in der letzten Stunde. ungünstig
beeinflußten, dürften sich nicht mehr wiederholen. Wenn sogar der Staatssekretär von
Marschall seinerzeit aussprach, daß wir einen solchen Handelsvertrag mit Österreich-
Ungarn schwerlich noch einmal schließen würden, so darf von der überlegnen Staats¬
kunst des Grafen Bülow und der außerordentlichen Sachkenntnis des Grafen Posa-
dowsky mit voller Bestimmtheit erwartet werden, daß diesesmal die deutschen
Interessen zu ihrem vollen Rechte kommen werden.

Auf das Ergebnis warten bekanntlich auch die Reichsfinanzen mit einiger
Sehnsucht, das Reich bedarf dringend gesteigerter Einnahmen. Aber auch wenn
die neuen Handelsverträge am 1. Januar 1906 in Kraft treten, wird sich ihre
volle Wirksamkeit erst um Jahre 1907 geltend machen, also erst für 1908 in Be¬
tracht gezogen werden können. Wie groß die Mehrerträge sein werden, steht auch
noch dahin. Wir müssen doch mehr auf eine Steigerung unsrer Ausfuhr als der
fremden Einfuhr bedacht sei". Auf der Hebung des innern nationalen Wohlstandes,
nicht der Zolleinnahmen beruht unsre nationale Kraft. Für die großen Aufgaben
des Reichs liefert nur der innere Wohlstand dauernd die Mittel. Da's Wort Moltkes:
"Ein großer Staat steht nur sicher auf sich selbst" gilt auch von den Finanzen.


treten bei sachlicher Arbeit, mit voller Einsetzung seiner Kräfte und seiner Gesund¬
heit. Man wird also rin ihm in Wien sehr sachlich verhandeln müssen; seine
Zeit ist bei der großen, auf dem Staatssekretär des Neichsmnts des Innern
ruhenden Arbeitslast sehr knapp bemessen, und mit liebenswürdiger Gemütlichkeit
allein sind bei ihm schwerlich Geschäfte zu machen. Am wenigsten dürfte er auf
dem Standpunkte stehn, daß Deutschland „seine Bundesgenossen wirtschaftlich
stärken müsse," er wird vielmehr bei den Wiener Verhandlungen weit mehr den
deutschen Reichstag als die österreichischen und die ungarischen Minister vor sich
sehen. Auch ist er wohl persönlich gut unterrichtet über die Zugeständnisse, die
Österreich-Ungarn machen kann oder nicht machen kann. Für Österreich-Ungarn
ist der Handelsvertrag mindestens so begehrenswert wie sür Deutschland. Dafür
zeugt nicht nur der Umstand, daß sich unsre Nachbarn jahrzehntelang die größte,
aber bei Bismarck immer vergebliche Mühe gegeben haben, zu einem Handels¬
vertrage mit Deutschland zu gelangen, auch vor 1866 waren die Anstrengungen
der Wiener Politik darauf gerichtet, dem Kaiserstaate den Eintritt in den Zoll¬
verein zu ermöglichen. Allerdings kam dem wirtschaftlichen Bedürfnis dabei der
politische Gedanke zu Hilfe, an Stelle Preußens an die Spitze des Zollvereins
zu treten. Die Ausfuhr Österreich-Ungarns nach Deutschland ist, stetig wachsend,
viel größer als die Einfuhr aus dem Deutschen Reiche in den Donaustaat. Nach
Angabe des Gothaer Hofkalenders betrug die Einfuhr aus Österreich-Ungarn in
Millionen Mark im Jahre 1901 693.3.'1902 719,5; die deutsche Ausfuhr dort¬
hin: 491,5, 533,1. Nach den österreichischen Ausschreibungen in Tausenden von
Kronen: die Ausfuhr nach Deutschland: 1901 977776, 1902 988498; die Ein¬
fuhr aus Deutschland: 1901 634 589, 1902 652012.

Diesen Zahlen gegenüber darf man in der Tat sagen, daß in Wien und Pest
das Interesse an dem Vertrage doch viel größer sein muß als in Berlin. Die
Schwierigkeiten auf deutscher Seite liegen nur darin, daß sich das Interesse auf
verschiedne Bundesstaaten verteilt, deren Regierungen sich mit ihren Landtagen
auseinanderzusetzen haben. Trotz allem dürfte immerhi» die Annahme gerechtfertigt
sein, daß, unterstützt durch die diplomatische Geschicklichkeit des Reichskanzlers, der
Vertrag schon zur Tatsache geworden ist oder doch nahe daran ist, es zu werde»,
bis diese Zeilen im Druck erscheine». Für unsre innern Verhältnisse sind Handels¬
verträge, die der Industrie eine auch innerlich annehmbare Dauer und der Land¬
wirtschaft den nötigen Schutz gewähre», so sehr politisches Lebensbedürfnis, daß
die Spekulation des Auslandes, bei dem wir doch überall als Käufer auftreten,
aus der deutschen Haut Riemen zu schneide», vergeblich sei» dürfte. Für Deutschland
gilt seit den vorigen Handelsvertragsverhandlnngen das äiseits moniti! Manche Vor¬
gänge, die damals unsre Interessen, zum Teil »och in der letzten Stunde. ungünstig
beeinflußten, dürften sich nicht mehr wiederholen. Wenn sogar der Staatssekretär von
Marschall seinerzeit aussprach, daß wir einen solchen Handelsvertrag mit Österreich-
Ungarn schwerlich noch einmal schließen würden, so darf von der überlegnen Staats¬
kunst des Grafen Bülow und der außerordentlichen Sachkenntnis des Grafen Posa-
dowsky mit voller Bestimmtheit erwartet werden, daß diesesmal die deutschen
Interessen zu ihrem vollen Rechte kommen werden.

Auf das Ergebnis warten bekanntlich auch die Reichsfinanzen mit einiger
Sehnsucht, das Reich bedarf dringend gesteigerter Einnahmen. Aber auch wenn
die neuen Handelsverträge am 1. Januar 1906 in Kraft treten, wird sich ihre
volle Wirksamkeit erst um Jahre 1907 geltend machen, also erst für 1908 in Be¬
tracht gezogen werden können. Wie groß die Mehrerträge sein werden, steht auch
noch dahin. Wir müssen doch mehr auf eine Steigerung unsrer Ausfuhr als der
fremden Einfuhr bedacht sei». Auf der Hebung des innern nationalen Wohlstandes,
nicht der Zolleinnahmen beruht unsre nationale Kraft. Für die großen Aufgaben
des Reichs liefert nur der innere Wohlstand dauernd die Mittel. Da's Wort Moltkes:
„Ein großer Staat steht nur sicher auf sich selbst" gilt auch von den Finanzen.


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[0352] treten bei sachlicher Arbeit, mit voller Einsetzung seiner Kräfte und seiner Gesund¬ heit. Man wird also rin ihm in Wien sehr sachlich verhandeln müssen; seine Zeit ist bei der großen, auf dem Staatssekretär des Neichsmnts des Innern ruhenden Arbeitslast sehr knapp bemessen, und mit liebenswürdiger Gemütlichkeit allein sind bei ihm schwerlich Geschäfte zu machen. Am wenigsten dürfte er auf dem Standpunkte stehn, daß Deutschland „seine Bundesgenossen wirtschaftlich stärken müsse," er wird vielmehr bei den Wiener Verhandlungen weit mehr den deutschen Reichstag als die österreichischen und die ungarischen Minister vor sich sehen. Auch ist er wohl persönlich gut unterrichtet über die Zugeständnisse, die Österreich-Ungarn machen kann oder nicht machen kann. Für Österreich-Ungarn ist der Handelsvertrag mindestens so begehrenswert wie sür Deutschland. Dafür zeugt nicht nur der Umstand, daß sich unsre Nachbarn jahrzehntelang die größte, aber bei Bismarck immer vergebliche Mühe gegeben haben, zu einem Handels¬ vertrage mit Deutschland zu gelangen, auch vor 1866 waren die Anstrengungen der Wiener Politik darauf gerichtet, dem Kaiserstaate den Eintritt in den Zoll¬ verein zu ermöglichen. Allerdings kam dem wirtschaftlichen Bedürfnis dabei der politische Gedanke zu Hilfe, an Stelle Preußens an die Spitze des Zollvereins zu treten. Die Ausfuhr Österreich-Ungarns nach Deutschland ist, stetig wachsend, viel größer als die Einfuhr aus dem Deutschen Reiche in den Donaustaat. Nach Angabe des Gothaer Hofkalenders betrug die Einfuhr aus Österreich-Ungarn in Millionen Mark im Jahre 1901 693.3.'1902 719,5; die deutsche Ausfuhr dort¬ hin: 491,5, 533,1. Nach den österreichischen Ausschreibungen in Tausenden von Kronen: die Ausfuhr nach Deutschland: 1901 977776, 1902 988498; die Ein¬ fuhr aus Deutschland: 1901 634 589, 1902 652012. Diesen Zahlen gegenüber darf man in der Tat sagen, daß in Wien und Pest das Interesse an dem Vertrage doch viel größer sein muß als in Berlin. Die Schwierigkeiten auf deutscher Seite liegen nur darin, daß sich das Interesse auf verschiedne Bundesstaaten verteilt, deren Regierungen sich mit ihren Landtagen auseinanderzusetzen haben. Trotz allem dürfte immerhi» die Annahme gerechtfertigt sein, daß, unterstützt durch die diplomatische Geschicklichkeit des Reichskanzlers, der Vertrag schon zur Tatsache geworden ist oder doch nahe daran ist, es zu werde», bis diese Zeilen im Druck erscheine». Für unsre innern Verhältnisse sind Handels¬ verträge, die der Industrie eine auch innerlich annehmbare Dauer und der Land¬ wirtschaft den nötigen Schutz gewähre», so sehr politisches Lebensbedürfnis, daß die Spekulation des Auslandes, bei dem wir doch überall als Käufer auftreten, aus der deutschen Haut Riemen zu schneide», vergeblich sei» dürfte. Für Deutschland gilt seit den vorigen Handelsvertragsverhandlnngen das äiseits moniti! Manche Vor¬ gänge, die damals unsre Interessen, zum Teil »och in der letzten Stunde. ungünstig beeinflußten, dürften sich nicht mehr wiederholen. Wenn sogar der Staatssekretär von Marschall seinerzeit aussprach, daß wir einen solchen Handelsvertrag mit Österreich- Ungarn schwerlich noch einmal schließen würden, so darf von der überlegnen Staats¬ kunst des Grafen Bülow und der außerordentlichen Sachkenntnis des Grafen Posa- dowsky mit voller Bestimmtheit erwartet werden, daß diesesmal die deutschen Interessen zu ihrem vollen Rechte kommen werden. Auf das Ergebnis warten bekanntlich auch die Reichsfinanzen mit einiger Sehnsucht, das Reich bedarf dringend gesteigerter Einnahmen. Aber auch wenn die neuen Handelsverträge am 1. Januar 1906 in Kraft treten, wird sich ihre volle Wirksamkeit erst um Jahre 1907 geltend machen, also erst für 1908 in Be¬ tracht gezogen werden können. Wie groß die Mehrerträge sein werden, steht auch noch dahin. Wir müssen doch mehr auf eine Steigerung unsrer Ausfuhr als der fremden Einfuhr bedacht sei». Auf der Hebung des innern nationalen Wohlstandes, nicht der Zolleinnahmen beruht unsre nationale Kraft. Für die großen Aufgaben des Reichs liefert nur der innere Wohlstand dauernd die Mittel. Da's Wort Moltkes: „Ein großer Staat steht nur sicher auf sich selbst" gilt auch von den Finanzen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_295218/352>, abgerufen am 29.09.2024.