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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

zu erziehn. Aber die Partikularistische Arbeit ist seit dreißig Jahren im Gange, die
jetzigen Anträge sind ihre Frucht. Ist der erste Teil der Arbeit in der bisherigen
Staatsform geglückt, so wird diese auch für den zweiten Teil ausreichend sein: für
die feste Verankerung des Zugehörigkeitsgefühls zu Deutschland, für ein starkes
National- und Reichsgefühl zwischen Rhein und Vogesen. Das werden wir nicht
dadurch erreichen, daß wir den dortigen Institutionen noch mehr den Charakter
eines Duodezstaates verleihen, unter Ausschaltung der Reichsorgaue und der Reichs¬
gewalt, sondern im Gegenteil durch eine engere Verbindung mit dieser. Als König
Wilhelm am Abend des 15. Juli 1870 von Ems in seine patriotisch hoch erregte
Hauptstadt heimkehrte, fiel in einer Gruppe von drei junge" Leuten die Bemerkung,
es sei auffällig, daß Berlin so wenig geflaggt habe. Ein andrer erwiderte: Wir
sollten eine Fahne macheu mit der Inschrift: Elsaß und Lothringen müssen die
Morgengabe des deutschen Kaisers sein. Der Gedanke ist auch heute noch richtig.
Wie einst Schleswig-Holstein und die deutsche Flotte unzertrennlich von der deutschen
Einheitsidee waren, so hängt Elsaß und Lothringen an der Kaiserwürde und Kaiser¬
krone. Das "Reichsland" war schon im September 1870, nach Sedan, in feste
Absicht genommen, als Präsident Delbrück in München zu erklären hatte, daß
Preußen nichts für sich begehre, und damit einen dicken Strich durch die bayrischen
Vergrößerungswünsche zog. Dann kam in den siebziger und den achtziger Jahren die
Idee der Vereinigung des Landes mit Baden unter Erhebung Badens zum König¬
reiche. Das Projekt gilt als Roggeubachsche Arbeit, Bismarck erklärte es für eine
Absurdität. Niemand hat sich entrüsteter über die Idee ausgesprochen als der
damalige Kronprinz, der spätere Kaiser Friedrich, der an der Westgrenze keine
andre Macht gelten lassen wollte als die Reichsmacht, und einer neuen Krone
auch seinem von ihm so aufrichtig geschätzten Schwager gegenüber jede Daseins¬
berechtigung absprach. Elsaß-Lothringen ist gemeinsamer Besitz des Reichs und soll
das bleiben, kein deutscher Bundesstaat dürfte geneigt sein, sein ideelles Mitbesitz-
recht aufzugeben; die Versailler Abmachungen mit Bayern beruhn auf dieser
Grundlage.

Was geändert werde" könnte, wäre vielleicht die Stellung des Kaisers zum
Lande, dere" Form keine logisch durchgebildete ist. Nach dem Gesetz von? 4. Juli 1379
"übt der Kaiser die landesherrliche Gewalt in Elsaß-Lothringen aus." Da die
Kaiserwürde erblich ist, ist demnach auch die Ausübung der landesherrlichen Gewalt
eine erbliche. Trotzdem ist das Verhältnis des Kaisers zu", Lande nicht das eines
erblichen Landesherrn im Sinne des deutsche" Stantsrechts, sondern der Kaiser ist
gewissermaßen dort nur der erbliche Statthalter des Reichs, in dessen Name" er
regiert. Aus Straßburg ist i" de" letzten Jahren die Idee einer "Erbstatthalter¬
schaft" lanciert worden, die die dem "Bundesstaate Elsaß-Lothringen" fehlende
Souveränität ersetzen soll. Der Erbstatthalter als Neuschöpfung hat keinen Sinn,
Erbstatthalter ist der Kaiser selbst, der bei seiner Thronbesteigung dieses Mandat
durch Erbgang und Verfassung empfängt. In frühern Jahrhunderten wäre Elsaß-
Lothringen so ein Allodium der Kaiserkrone gewesen. Jetzt empfängt der Kaiser
die Ausübung der landesherrlichen Gewalt gleichsam von sich selbst zum erbliche"
Lehen. Dieses verfassungsmäßige Recht sollte fortan auch im Titel zum Ausdruck
gelangen, und hinter dem Titel des Königs von Preußen der des Landgrafen
oder Markgrafen von Elsaß-Lothringen eingefügt werden, mit besondrer
Stimme im Bundesrat für elsaß-lothringische Angelegenheiten, soweit es
sich nicht um Verfassungsfragen handelt. Damit gelangte nicht nnr die Stellung
des Kaisers zum Lande, souderu auch die heutige und einzig mögliche staatsrechtliche
Form zum vollen logische" Ausdruck, namentlich aber bliebe der Gedanke des ge¬
meinsamen Besitzes rede" der erblichen, um Kaiserlitel haftenden Landgrafschaft
unberührt. Daneben würde vielleicht die Frage eines Beitrags z"r Kaiserliche"
Zivilliste auftauche". Bekanntlich bezieht der Kaiser von, Reiche keinen Pfennig.
Als eine Art Ersatz hat der Reichstag seinerzeit die Erbauung der Jacht "Hohen-


Maßgebliches und Unmaßgebliches

zu erziehn. Aber die Partikularistische Arbeit ist seit dreißig Jahren im Gange, die
jetzigen Anträge sind ihre Frucht. Ist der erste Teil der Arbeit in der bisherigen
Staatsform geglückt, so wird diese auch für den zweiten Teil ausreichend sein: für
die feste Verankerung des Zugehörigkeitsgefühls zu Deutschland, für ein starkes
National- und Reichsgefühl zwischen Rhein und Vogesen. Das werden wir nicht
dadurch erreichen, daß wir den dortigen Institutionen noch mehr den Charakter
eines Duodezstaates verleihen, unter Ausschaltung der Reichsorgaue und der Reichs¬
gewalt, sondern im Gegenteil durch eine engere Verbindung mit dieser. Als König
Wilhelm am Abend des 15. Juli 1870 von Ems in seine patriotisch hoch erregte
Hauptstadt heimkehrte, fiel in einer Gruppe von drei junge» Leuten die Bemerkung,
es sei auffällig, daß Berlin so wenig geflaggt habe. Ein andrer erwiderte: Wir
sollten eine Fahne macheu mit der Inschrift: Elsaß und Lothringen müssen die
Morgengabe des deutschen Kaisers sein. Der Gedanke ist auch heute noch richtig.
Wie einst Schleswig-Holstein und die deutsche Flotte unzertrennlich von der deutschen
Einheitsidee waren, so hängt Elsaß und Lothringen an der Kaiserwürde und Kaiser¬
krone. Das „Reichsland" war schon im September 1870, nach Sedan, in feste
Absicht genommen, als Präsident Delbrück in München zu erklären hatte, daß
Preußen nichts für sich begehre, und damit einen dicken Strich durch die bayrischen
Vergrößerungswünsche zog. Dann kam in den siebziger und den achtziger Jahren die
Idee der Vereinigung des Landes mit Baden unter Erhebung Badens zum König¬
reiche. Das Projekt gilt als Roggeubachsche Arbeit, Bismarck erklärte es für eine
Absurdität. Niemand hat sich entrüsteter über die Idee ausgesprochen als der
damalige Kronprinz, der spätere Kaiser Friedrich, der an der Westgrenze keine
andre Macht gelten lassen wollte als die Reichsmacht, und einer neuen Krone
auch seinem von ihm so aufrichtig geschätzten Schwager gegenüber jede Daseins¬
berechtigung absprach. Elsaß-Lothringen ist gemeinsamer Besitz des Reichs und soll
das bleiben, kein deutscher Bundesstaat dürfte geneigt sein, sein ideelles Mitbesitz-
recht aufzugeben; die Versailler Abmachungen mit Bayern beruhn auf dieser
Grundlage.

Was geändert werde» könnte, wäre vielleicht die Stellung des Kaisers zum
Lande, dere» Form keine logisch durchgebildete ist. Nach dem Gesetz von? 4. Juli 1379
„übt der Kaiser die landesherrliche Gewalt in Elsaß-Lothringen aus." Da die
Kaiserwürde erblich ist, ist demnach auch die Ausübung der landesherrlichen Gewalt
eine erbliche. Trotzdem ist das Verhältnis des Kaisers zu», Lande nicht das eines
erblichen Landesherrn im Sinne des deutsche» Stantsrechts, sondern der Kaiser ist
gewissermaßen dort nur der erbliche Statthalter des Reichs, in dessen Name» er
regiert. Aus Straßburg ist i» de» letzten Jahren die Idee einer „Erbstatthalter¬
schaft" lanciert worden, die die dem „Bundesstaate Elsaß-Lothringen" fehlende
Souveränität ersetzen soll. Der Erbstatthalter als Neuschöpfung hat keinen Sinn,
Erbstatthalter ist der Kaiser selbst, der bei seiner Thronbesteigung dieses Mandat
durch Erbgang und Verfassung empfängt. In frühern Jahrhunderten wäre Elsaß-
Lothringen so ein Allodium der Kaiserkrone gewesen. Jetzt empfängt der Kaiser
die Ausübung der landesherrlichen Gewalt gleichsam von sich selbst zum erbliche»
Lehen. Dieses verfassungsmäßige Recht sollte fortan auch im Titel zum Ausdruck
gelangen, und hinter dem Titel des Königs von Preußen der des Landgrafen
oder Markgrafen von Elsaß-Lothringen eingefügt werden, mit besondrer
Stimme im Bundesrat für elsaß-lothringische Angelegenheiten, soweit es
sich nicht um Verfassungsfragen handelt. Damit gelangte nicht nnr die Stellung
des Kaisers zum Lande, souderu auch die heutige und einzig mögliche staatsrechtliche
Form zum vollen logische» Ausdruck, namentlich aber bliebe der Gedanke des ge¬
meinsamen Besitzes rede» der erblichen, um Kaiserlitel haftenden Landgrafschaft
unberührt. Daneben würde vielleicht die Frage eines Beitrags z»r Kaiserliche»
Zivilliste auftauche». Bekanntlich bezieht der Kaiser von, Reiche keinen Pfennig.
Als eine Art Ersatz hat der Reichstag seinerzeit die Erbauung der Jacht „Hohen-


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[0300] Maßgebliches und Unmaßgebliches zu erziehn. Aber die Partikularistische Arbeit ist seit dreißig Jahren im Gange, die jetzigen Anträge sind ihre Frucht. Ist der erste Teil der Arbeit in der bisherigen Staatsform geglückt, so wird diese auch für den zweiten Teil ausreichend sein: für die feste Verankerung des Zugehörigkeitsgefühls zu Deutschland, für ein starkes National- und Reichsgefühl zwischen Rhein und Vogesen. Das werden wir nicht dadurch erreichen, daß wir den dortigen Institutionen noch mehr den Charakter eines Duodezstaates verleihen, unter Ausschaltung der Reichsorgaue und der Reichs¬ gewalt, sondern im Gegenteil durch eine engere Verbindung mit dieser. Als König Wilhelm am Abend des 15. Juli 1870 von Ems in seine patriotisch hoch erregte Hauptstadt heimkehrte, fiel in einer Gruppe von drei junge» Leuten die Bemerkung, es sei auffällig, daß Berlin so wenig geflaggt habe. Ein andrer erwiderte: Wir sollten eine Fahne macheu mit der Inschrift: Elsaß und Lothringen müssen die Morgengabe des deutschen Kaisers sein. Der Gedanke ist auch heute noch richtig. Wie einst Schleswig-Holstein und die deutsche Flotte unzertrennlich von der deutschen Einheitsidee waren, so hängt Elsaß und Lothringen an der Kaiserwürde und Kaiser¬ krone. Das „Reichsland" war schon im September 1870, nach Sedan, in feste Absicht genommen, als Präsident Delbrück in München zu erklären hatte, daß Preußen nichts für sich begehre, und damit einen dicken Strich durch die bayrischen Vergrößerungswünsche zog. Dann kam in den siebziger und den achtziger Jahren die Idee der Vereinigung des Landes mit Baden unter Erhebung Badens zum König¬ reiche. Das Projekt gilt als Roggeubachsche Arbeit, Bismarck erklärte es für eine Absurdität. Niemand hat sich entrüsteter über die Idee ausgesprochen als der damalige Kronprinz, der spätere Kaiser Friedrich, der an der Westgrenze keine andre Macht gelten lassen wollte als die Reichsmacht, und einer neuen Krone auch seinem von ihm so aufrichtig geschätzten Schwager gegenüber jede Daseins¬ berechtigung absprach. Elsaß-Lothringen ist gemeinsamer Besitz des Reichs und soll das bleiben, kein deutscher Bundesstaat dürfte geneigt sein, sein ideelles Mitbesitz- recht aufzugeben; die Versailler Abmachungen mit Bayern beruhn auf dieser Grundlage. Was geändert werde» könnte, wäre vielleicht die Stellung des Kaisers zum Lande, dere» Form keine logisch durchgebildete ist. Nach dem Gesetz von? 4. Juli 1379 „übt der Kaiser die landesherrliche Gewalt in Elsaß-Lothringen aus." Da die Kaiserwürde erblich ist, ist demnach auch die Ausübung der landesherrlichen Gewalt eine erbliche. Trotzdem ist das Verhältnis des Kaisers zu», Lande nicht das eines erblichen Landesherrn im Sinne des deutsche» Stantsrechts, sondern der Kaiser ist gewissermaßen dort nur der erbliche Statthalter des Reichs, in dessen Name» er regiert. Aus Straßburg ist i» de» letzten Jahren die Idee einer „Erbstatthalter¬ schaft" lanciert worden, die die dem „Bundesstaate Elsaß-Lothringen" fehlende Souveränität ersetzen soll. Der Erbstatthalter als Neuschöpfung hat keinen Sinn, Erbstatthalter ist der Kaiser selbst, der bei seiner Thronbesteigung dieses Mandat durch Erbgang und Verfassung empfängt. In frühern Jahrhunderten wäre Elsaß- Lothringen so ein Allodium der Kaiserkrone gewesen. Jetzt empfängt der Kaiser die Ausübung der landesherrlichen Gewalt gleichsam von sich selbst zum erbliche» Lehen. Dieses verfassungsmäßige Recht sollte fortan auch im Titel zum Ausdruck gelangen, und hinter dem Titel des Königs von Preußen der des Landgrafen oder Markgrafen von Elsaß-Lothringen eingefügt werden, mit besondrer Stimme im Bundesrat für elsaß-lothringische Angelegenheiten, soweit es sich nicht um Verfassungsfragen handelt. Damit gelangte nicht nnr die Stellung des Kaisers zum Lande, souderu auch die heutige und einzig mögliche staatsrechtliche Form zum vollen logische» Ausdruck, namentlich aber bliebe der Gedanke des ge¬ meinsamen Besitzes rede» der erblichen, um Kaiserlitel haftenden Landgrafschaft unberührt. Daneben würde vielleicht die Frage eines Beitrags z»r Kaiserliche» Zivilliste auftauche». Bekanntlich bezieht der Kaiser von, Reiche keinen Pfennig. Als eine Art Ersatz hat der Reichstag seinerzeit die Erbauung der Jacht „Hohen-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_295218/300>, abgerufen am 23.07.2024.