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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr.

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Der oberösterreichische Bauernaufstand

kamen auch im Vertrauen auf ihr gutes Recht, der Statthalter ließ sie aber
von Soldaten umringen, ritt in ihre Mitte und befahl, die Richter von Franken¬
burg lind Vöcklamarkt und die Ausschüsse, die sogenannten Achter, der Pfarreien
vor ihn zu führen. Es waren im ganzen 38 Personen. Diesen erklärte er,
sie hätten eigentlich alle das Leben verwirkt, er wolle es aber der Hälfte
schenken, und sie müßten darum würfeln. Es wurde ein schwarzer Mantel
ausgebreitet, und man zwang die Unglückseliger zu dem Spiel. Von den Ver¬
lierenden wurden noch zwei auf Bitten des Priesters begnadigt, die übrigen
siebzehn aber aufgehängt, zum Teil gleich an der Linde. Über dieses Ver¬
fahren kann nur einerlei Meinung gelten, und es ist auch nur zu erklären aus
der grausamen Härte jener Zeit und aus der allgemeinen Mißachtung der
rechtlosen Bauern, die uicht einmal einen Stand bildeten, keine Richter und
keine Vertretung hatten. Übrigens erzählt mau eine ähnliche Wnrfelgeschichte
um ein Jahrhundert früher vom Herzog Ulrich von Württemberg aus dem
Bauernaufstand des "armen Konrad." Die Bauern des Traunviertels hatten
die empörende Gewalttat ohne Widerstand geschehen lassen, da sie unbewaffnet
waren.

Äußerlich herrschte vollkommne Ruhe im Lande, aber die Linde ans dem
Haushammerfelde war nicht vergessen. Es ging eine stille Bewegung durch
das Land, die zum Teil durch die protestantischen Stände genährt wurde, die
von einem allgemeinen Widerstande auch für sich Besserung hofften. Die ge¬
heimen Fäden liefen in der Hand des Hutmachers Stephan Fadinger zusammen,
der sehr umsichtig verfuhr. Als Ostern 1626 zur Ausführung des zweiten
Religionsdekrets geschritten wurde, Edelleute und Bürger das Abendmahl in
der katholischen Kirche nehmen und die widerstrebenden Bauern durch Ein¬
quartierung zur Auswanderung gezwungen werden sollten, da brach der all¬
gemeine Sturm los. Fast am Jahrestage der Frankenburger Greueltat, um
17. Mai, wurde am Fadingerhof bei Aschan im Hausruckviertel das Zeichen
gegeben, und binnen kurzem stand das ganze Land zu beiden Seiten der Donau
in vollem Aufruhr. Herbersdorf, der gerade auf dem ihm vom Kaiser ge¬
schenkten Schlosse Orth im Trnunsee war, eilte kurz entschlossen nach Linz, das
er noch glücklich erreichte. Er raffte eilig die nächsten Besatzungen zusammen
und zog, als er etwa 1200 Mann beisammen hatte, den Bauern entgegen in
der Meinung, er werde mit ihnen ebenso leicht fertig werden wie im Jahre
vorher. Er führte auch gleich den Scharfrichter mit, der reichlich mit Stricken
und Ketten versehen war. Am 21. Mai stieß er zwischen Peuerbach und
Weizenkirchen auf Fadinger, der dort gegen 8000 Mann beisammen hatte und
mit verschlagner Umsicht vorging. Er ließ nur eine kleine Abteilung am Saum
des Waldes sehen, und als Herbersdorf sofort ans diese losgehn und Feuer
geben ließ, brachen plötzlich die Bauern von allen Seiten über die überraschten
und ungeordneten Truppen herein, die gar nicht so weit kamen, sich wehren
zu können. Die Stückknechte jagten in eiligster Flucht dahin, die Geschütze
kamen nicht zum Schuß, von den Söldnern wurden zweihundert erschlagen,
die übrige" zerstreut, kaum rettete sich der Statthalter mit wenig Reitern
nach Linz.


Der oberösterreichische Bauernaufstand

kamen auch im Vertrauen auf ihr gutes Recht, der Statthalter ließ sie aber
von Soldaten umringen, ritt in ihre Mitte und befahl, die Richter von Franken¬
burg lind Vöcklamarkt und die Ausschüsse, die sogenannten Achter, der Pfarreien
vor ihn zu führen. Es waren im ganzen 38 Personen. Diesen erklärte er,
sie hätten eigentlich alle das Leben verwirkt, er wolle es aber der Hälfte
schenken, und sie müßten darum würfeln. Es wurde ein schwarzer Mantel
ausgebreitet, und man zwang die Unglückseliger zu dem Spiel. Von den Ver¬
lierenden wurden noch zwei auf Bitten des Priesters begnadigt, die übrigen
siebzehn aber aufgehängt, zum Teil gleich an der Linde. Über dieses Ver¬
fahren kann nur einerlei Meinung gelten, und es ist auch nur zu erklären aus
der grausamen Härte jener Zeit und aus der allgemeinen Mißachtung der
rechtlosen Bauern, die uicht einmal einen Stand bildeten, keine Richter und
keine Vertretung hatten. Übrigens erzählt mau eine ähnliche Wnrfelgeschichte
um ein Jahrhundert früher vom Herzog Ulrich von Württemberg aus dem
Bauernaufstand des „armen Konrad." Die Bauern des Traunviertels hatten
die empörende Gewalttat ohne Widerstand geschehen lassen, da sie unbewaffnet
waren.

Äußerlich herrschte vollkommne Ruhe im Lande, aber die Linde ans dem
Haushammerfelde war nicht vergessen. Es ging eine stille Bewegung durch
das Land, die zum Teil durch die protestantischen Stände genährt wurde, die
von einem allgemeinen Widerstande auch für sich Besserung hofften. Die ge¬
heimen Fäden liefen in der Hand des Hutmachers Stephan Fadinger zusammen,
der sehr umsichtig verfuhr. Als Ostern 1626 zur Ausführung des zweiten
Religionsdekrets geschritten wurde, Edelleute und Bürger das Abendmahl in
der katholischen Kirche nehmen und die widerstrebenden Bauern durch Ein¬
quartierung zur Auswanderung gezwungen werden sollten, da brach der all¬
gemeine Sturm los. Fast am Jahrestage der Frankenburger Greueltat, um
17. Mai, wurde am Fadingerhof bei Aschan im Hausruckviertel das Zeichen
gegeben, und binnen kurzem stand das ganze Land zu beiden Seiten der Donau
in vollem Aufruhr. Herbersdorf, der gerade auf dem ihm vom Kaiser ge¬
schenkten Schlosse Orth im Trnunsee war, eilte kurz entschlossen nach Linz, das
er noch glücklich erreichte. Er raffte eilig die nächsten Besatzungen zusammen
und zog, als er etwa 1200 Mann beisammen hatte, den Bauern entgegen in
der Meinung, er werde mit ihnen ebenso leicht fertig werden wie im Jahre
vorher. Er führte auch gleich den Scharfrichter mit, der reichlich mit Stricken
und Ketten versehen war. Am 21. Mai stieß er zwischen Peuerbach und
Weizenkirchen auf Fadinger, der dort gegen 8000 Mann beisammen hatte und
mit verschlagner Umsicht vorging. Er ließ nur eine kleine Abteilung am Saum
des Waldes sehen, und als Herbersdorf sofort ans diese losgehn und Feuer
geben ließ, brachen plötzlich die Bauern von allen Seiten über die überraschten
und ungeordneten Truppen herein, die gar nicht so weit kamen, sich wehren
zu können. Die Stückknechte jagten in eiligster Flucht dahin, die Geschütze
kamen nicht zum Schuß, von den Söldnern wurden zweihundert erschlagen,
die übrige» zerstreut, kaum rettete sich der Statthalter mit wenig Reitern
nach Linz.


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[0257] Der oberösterreichische Bauernaufstand kamen auch im Vertrauen auf ihr gutes Recht, der Statthalter ließ sie aber von Soldaten umringen, ritt in ihre Mitte und befahl, die Richter von Franken¬ burg lind Vöcklamarkt und die Ausschüsse, die sogenannten Achter, der Pfarreien vor ihn zu führen. Es waren im ganzen 38 Personen. Diesen erklärte er, sie hätten eigentlich alle das Leben verwirkt, er wolle es aber der Hälfte schenken, und sie müßten darum würfeln. Es wurde ein schwarzer Mantel ausgebreitet, und man zwang die Unglückseliger zu dem Spiel. Von den Ver¬ lierenden wurden noch zwei auf Bitten des Priesters begnadigt, die übrigen siebzehn aber aufgehängt, zum Teil gleich an der Linde. Über dieses Ver¬ fahren kann nur einerlei Meinung gelten, und es ist auch nur zu erklären aus der grausamen Härte jener Zeit und aus der allgemeinen Mißachtung der rechtlosen Bauern, die uicht einmal einen Stand bildeten, keine Richter und keine Vertretung hatten. Übrigens erzählt mau eine ähnliche Wnrfelgeschichte um ein Jahrhundert früher vom Herzog Ulrich von Württemberg aus dem Bauernaufstand des „armen Konrad." Die Bauern des Traunviertels hatten die empörende Gewalttat ohne Widerstand geschehen lassen, da sie unbewaffnet waren. Äußerlich herrschte vollkommne Ruhe im Lande, aber die Linde ans dem Haushammerfelde war nicht vergessen. Es ging eine stille Bewegung durch das Land, die zum Teil durch die protestantischen Stände genährt wurde, die von einem allgemeinen Widerstande auch für sich Besserung hofften. Die ge¬ heimen Fäden liefen in der Hand des Hutmachers Stephan Fadinger zusammen, der sehr umsichtig verfuhr. Als Ostern 1626 zur Ausführung des zweiten Religionsdekrets geschritten wurde, Edelleute und Bürger das Abendmahl in der katholischen Kirche nehmen und die widerstrebenden Bauern durch Ein¬ quartierung zur Auswanderung gezwungen werden sollten, da brach der all¬ gemeine Sturm los. Fast am Jahrestage der Frankenburger Greueltat, um 17. Mai, wurde am Fadingerhof bei Aschan im Hausruckviertel das Zeichen gegeben, und binnen kurzem stand das ganze Land zu beiden Seiten der Donau in vollem Aufruhr. Herbersdorf, der gerade auf dem ihm vom Kaiser ge¬ schenkten Schlosse Orth im Trnunsee war, eilte kurz entschlossen nach Linz, das er noch glücklich erreichte. Er raffte eilig die nächsten Besatzungen zusammen und zog, als er etwa 1200 Mann beisammen hatte, den Bauern entgegen in der Meinung, er werde mit ihnen ebenso leicht fertig werden wie im Jahre vorher. Er führte auch gleich den Scharfrichter mit, der reichlich mit Stricken und Ketten versehen war. Am 21. Mai stieß er zwischen Peuerbach und Weizenkirchen auf Fadinger, der dort gegen 8000 Mann beisammen hatte und mit verschlagner Umsicht vorging. Er ließ nur eine kleine Abteilung am Saum des Waldes sehen, und als Herbersdorf sofort ans diese losgehn und Feuer geben ließ, brachen plötzlich die Bauern von allen Seiten über die überraschten und ungeordneten Truppen herein, die gar nicht so weit kamen, sich wehren zu können. Die Stückknechte jagten in eiligster Flucht dahin, die Geschütze kamen nicht zum Schuß, von den Söldnern wurden zweihundert erschlagen, die übrige» zerstreut, kaum rettete sich der Statthalter mit wenig Reitern nach Linz.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_295218/257>, abgerufen am 23.07.2024.