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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr.

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Rückblick auf die Schicksale des Königreichs Hachsen
im Dahre ^866
Hermann Vrtloff von in
1

n dem für die Auflösung des Deutschen Bundes kritischen Jahre
1866, wo die Souveränität der mächtigern Staaten dnrch das
Emporstreben Preußens als norddeutscher Großmacht aufs äußerste
gefährdet war, suchte auch die Regierung des Königreichs Sachsen
ihre Souveränität bis aufs äußerste zu schützen. König Johann,
der gelehrteste unter den deutschen Fürsten, und Kronprinz Albert, der ein
persönlicher Freund des österreichischen Kaisers Franz Joseph war. neigten
schon wegen ihrer streng konservativen Gesinnung für die Vorherrschaft Öster¬
reichs im Deutschen Bunde und als treue Anhänger der katholischen Kirche
mehr zu dem südlich angrenzenden Großstaate als zu dem auf den andern
Seiten Sachsen umfassenden Preußen hin, zumal da es ja schon die Provinz
Sachsen hatte abgeben müssen. Beide Fürsten hatten sich von der Preußen
feindlich gegenübertretenden Politik des Ministers von Beust zum nächsten
Anschluß an die österreichische Politik bestimmen lassen, der nach der Schil¬
derung Heinrich Friedjnngs im ersten Bande des Geschichtswerks: "Der
Kampf um die Vorherrschaft in Deutschland 1859 bis 1866," Seite 280, in
feiner Beweglichkeit ihre Absichten mitunter lauter wiedergab, als sie es
wünschten, sich durch Noten und Reden mehr als ein deutscher Minister be¬
merkbar machte und sich in seinem geschäftigen Treiben mit großem Selbst¬
bewußtsein wohlgefällig hervorzutun bemühte, ja sich sogar getraute, mit dem
preußischen Ministerpräsidenten Grafen von Bismarck in einen Wettstreit zu
treten. Nach der Revolution von 1849 hatte Beust erst ein strenges konser¬
vatives Regiment eingeführt, lenkte aber dann in etwas liberalere Bahnen
ein, betonte selbstgefällig, wie sich die sächsische Freiheit von dem preußischen
Druck absehe, und gefiel sich in dem Bemühen, Bismnrck mit einem ehrlichen
Haß zu ärgern. Beust war kein ungefährlicher Gegner, er war voll diploma¬
tischer Intriguen und galt an den kleinen deutschen Höfen als eine Art
politischen Genies. Seit Jahren stand er mit dem Wiener Kabinett in ver¬
traulicher Verbindung als Ratgeber und Warner in guten und bösen Tagen,


Grenzboten IV 1904 38


Rückblick auf die Schicksale des Königreichs Hachsen
im Dahre ^866
Hermann Vrtloff von in
1

n dem für die Auflösung des Deutschen Bundes kritischen Jahre
1866, wo die Souveränität der mächtigern Staaten dnrch das
Emporstreben Preußens als norddeutscher Großmacht aufs äußerste
gefährdet war, suchte auch die Regierung des Königreichs Sachsen
ihre Souveränität bis aufs äußerste zu schützen. König Johann,
der gelehrteste unter den deutschen Fürsten, und Kronprinz Albert, der ein
persönlicher Freund des österreichischen Kaisers Franz Joseph war. neigten
schon wegen ihrer streng konservativen Gesinnung für die Vorherrschaft Öster¬
reichs im Deutschen Bunde und als treue Anhänger der katholischen Kirche
mehr zu dem südlich angrenzenden Großstaate als zu dem auf den andern
Seiten Sachsen umfassenden Preußen hin, zumal da es ja schon die Provinz
Sachsen hatte abgeben müssen. Beide Fürsten hatten sich von der Preußen
feindlich gegenübertretenden Politik des Ministers von Beust zum nächsten
Anschluß an die österreichische Politik bestimmen lassen, der nach der Schil¬
derung Heinrich Friedjnngs im ersten Bande des Geschichtswerks: „Der
Kampf um die Vorherrschaft in Deutschland 1859 bis 1866," Seite 280, in
feiner Beweglichkeit ihre Absichten mitunter lauter wiedergab, als sie es
wünschten, sich durch Noten und Reden mehr als ein deutscher Minister be¬
merkbar machte und sich in seinem geschäftigen Treiben mit großem Selbst¬
bewußtsein wohlgefällig hervorzutun bemühte, ja sich sogar getraute, mit dem
preußischen Ministerpräsidenten Grafen von Bismarck in einen Wettstreit zu
treten. Nach der Revolution von 1849 hatte Beust erst ein strenges konser¬
vatives Regiment eingeführt, lenkte aber dann in etwas liberalere Bahnen
ein, betonte selbstgefällig, wie sich die sächsische Freiheit von dem preußischen
Druck absehe, und gefiel sich in dem Bemühen, Bismnrck mit einem ehrlichen
Haß zu ärgern. Beust war kein ungefährlicher Gegner, er war voll diploma¬
tischer Intriguen und galt an den kleinen deutschen Höfen als eine Art
politischen Genies. Seit Jahren stand er mit dem Wiener Kabinett in ver¬
traulicher Verbindung als Ratgeber und Warner in guten und bösen Tagen,


Grenzboten IV 1904 38
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_295218/245>, abgerufen am 23.07.2024.