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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr.

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Glücksinseln und Träume

so bestimmt gesehen hatte wie ich. Die praktische Erwägung seiner Hausfrau: Das
gibt nicht einmal eine ordentliche Schüssel voll Salat! schloß brummend das Verhör.
Aber im Aufstehn vom Tisch, das ich heute beeilte, traf mich ein so neckischer Blick
aus Luisens Auge, daß ich meinte, es träte der allerhellste Stern hinter Wolken
vor. Sie weiß es, was kümmern mich die andern; und sie zürnt nicht!

Wir lehnten den Nachmittag an der Brücke, die über den Bach rechter Hand
in den Garten führt; an dem leuchtenden Frühlingssonnentag war es eine Wohltat,
den Bach entlang über den dunkeln Wasserspiegel hinzusehen, auf den Erlen nieder¬
hingen, deren Laub noch nicht schwarzgrün wie im Sommer war. -- Sehen Sie,
wie ernst im hellgrünen Glänze die schwarzen Früchtchen stehn? Das ist gerade
das Gegenteil von dem, wie es am Abend hier aussieht, wenn die Sterne in dem
schweigenden Wasser liegen wie eingesprengtes Gold in einem ganz dunkeln Kristall. --
Solcherlei und andres, meist wohl ziemlich weit hergeholtes, sprach ich zu dem
Mädchen, das nicht viel antwortete, aber nicht ungern zuzuhören schien. Ich hatte
mit der Zeit das Gefühl, daß das ein Herumreden sei. Das blaue Auge richtete
sich sehr hell auf mich, aber nicht so völlig kristallhaft kalt, wie es Wohl blicken
konnte; ich dachte an einen ganz hellen Saphir, den ich auf dunkeln, Sammet hatte
liegen sehen. Ihre Lippen öffneten sich nicht, sie wußten wohl, daß die Frage
dieses Auges mir nicht unverstanden blieb; auch meine Lippen waren versiegelt,
aber mein Ange sagte: Ja, ich habe das L gesät, und die Röte, die ich in den
Wangen fühlte, bekräftigte es: Ja, er hat wirklich die Keckheit gehabt. So sahen
wir uns an, und ich weiß nicht, warum ich meinen Blick nicht von dem ihren lösen
konnte. Es war ein unbestimmtes Vertrauen, dessen ich aus diesem Auge nicht
genug schöpfen konnte. Und endlich brach es wie ein Quell hervor: Wie schön ist
es doch, daß Sie jetzt da sind, wo die Sonne jeden Tag Heller und wärmer scheint,
Fräulein Luise. Es wurde vorher schon schön und gut von dem Augenblick an,
wo Sie kamen, und um wird jeder Tag herrlicher. Für mich sind Sie der einzige
Mensch, an den ich mich hier anschließen konnte, sie sind jung -- Aber nicht so
jung wie Sie, Fritz, warf sie lächelnd ein -- und haben nichts mit dem Geschäft
zu tun, sie kommen aus meiner Stadt und kennen sogar die Straße, wo meine
Eltern wohnen, für das alles bin ich Ihnen dankbar. Ich weiß Wohl, daß das
Dinge sind, die Sie ganz gleichgiltig lassen, Sie sollen sich mich gar nicht dumm
kümmern, Sie haben ja besseres zu tun. Aber wenn ichs kurz sagen soll, ich freue
mich eben einfach, daß Sie da sind, sehen Sie, es ist nicht anders, als wenn
wir jetzt Morgens einen so recht dicken Strauß Anemonen in das alte dunkle
Apothekenzimmer stellen, das leuchtet wie ein Sonnenstrahl, und alles nimmt von
dem Licht der frohen Blumen an und wird selbst hell und froh davon. Der Blumen¬
strauß allein weiß nichts davon. So, Fräulein Luise, ist es mit Ihnen.

Luisens Auge lachte hell, als sie sagte: Es ist ja recht schmeichelhaft, mit einem
ganzen Strauß Frühlingsblumen verglichen zu werden. Mir wäre es genug, wenn
Sie mich mit einer einzigen Blume verglichen.

Nein, das geht nicht, sagte ich; wegen des Lichts muß es ein Strauß sein,
denn im Vergleich mit der Freude, die aus Ihrem Gesicht auf die Welt ausgeht,
ist eine Anemone nur Dämmerung. Nein, es muß etwas Leuchtendes sein, was
man mit Ihrem Angesicht vergleicht.

Luise errötete, wollte uicht weiter darüber geredet haben, ob Strauß oder
Blume, sondern fragte mit demselben schelmischen Lächeln, das ich vorhin über ihr
Gesicht hatte gleiten sehen: Ist es wirklich ein L, das Sie mit Kresse angesät haben?

Ja, und Ihr L, nur Ihres, das höchste L, das es gibt. Mit Kressensamen,
der es schnell verrät, sät ich es gern auf jedes frische Beet.

Nicht weiter, fiel mir Luise ins Wort, und ich verstummte, im stillen halb
und halb erstaunt, mich freuend über meine eigne Kühnheit. Als aber nun Luise
mit kühler, absichtlich gesetzter, fast geschäftsmäßiger Stimme sagte: Es ist nun da
und wächst. Was tut man damit? Zum Ausroden ist es zu spät! -- bewunderte


Glücksinseln und Träume

so bestimmt gesehen hatte wie ich. Die praktische Erwägung seiner Hausfrau: Das
gibt nicht einmal eine ordentliche Schüssel voll Salat! schloß brummend das Verhör.
Aber im Aufstehn vom Tisch, das ich heute beeilte, traf mich ein so neckischer Blick
aus Luisens Auge, daß ich meinte, es träte der allerhellste Stern hinter Wolken
vor. Sie weiß es, was kümmern mich die andern; und sie zürnt nicht!

Wir lehnten den Nachmittag an der Brücke, die über den Bach rechter Hand
in den Garten führt; an dem leuchtenden Frühlingssonnentag war es eine Wohltat,
den Bach entlang über den dunkeln Wasserspiegel hinzusehen, auf den Erlen nieder¬
hingen, deren Laub noch nicht schwarzgrün wie im Sommer war. — Sehen Sie,
wie ernst im hellgrünen Glänze die schwarzen Früchtchen stehn? Das ist gerade
das Gegenteil von dem, wie es am Abend hier aussieht, wenn die Sterne in dem
schweigenden Wasser liegen wie eingesprengtes Gold in einem ganz dunkeln Kristall. —
Solcherlei und andres, meist wohl ziemlich weit hergeholtes, sprach ich zu dem
Mädchen, das nicht viel antwortete, aber nicht ungern zuzuhören schien. Ich hatte
mit der Zeit das Gefühl, daß das ein Herumreden sei. Das blaue Auge richtete
sich sehr hell auf mich, aber nicht so völlig kristallhaft kalt, wie es Wohl blicken
konnte; ich dachte an einen ganz hellen Saphir, den ich auf dunkeln, Sammet hatte
liegen sehen. Ihre Lippen öffneten sich nicht, sie wußten wohl, daß die Frage
dieses Auges mir nicht unverstanden blieb; auch meine Lippen waren versiegelt,
aber mein Ange sagte: Ja, ich habe das L gesät, und die Röte, die ich in den
Wangen fühlte, bekräftigte es: Ja, er hat wirklich die Keckheit gehabt. So sahen
wir uns an, und ich weiß nicht, warum ich meinen Blick nicht von dem ihren lösen
konnte. Es war ein unbestimmtes Vertrauen, dessen ich aus diesem Auge nicht
genug schöpfen konnte. Und endlich brach es wie ein Quell hervor: Wie schön ist
es doch, daß Sie jetzt da sind, wo die Sonne jeden Tag Heller und wärmer scheint,
Fräulein Luise. Es wurde vorher schon schön und gut von dem Augenblick an,
wo Sie kamen, und um wird jeder Tag herrlicher. Für mich sind Sie der einzige
Mensch, an den ich mich hier anschließen konnte, sie sind jung — Aber nicht so
jung wie Sie, Fritz, warf sie lächelnd ein — und haben nichts mit dem Geschäft
zu tun, sie kommen aus meiner Stadt und kennen sogar die Straße, wo meine
Eltern wohnen, für das alles bin ich Ihnen dankbar. Ich weiß Wohl, daß das
Dinge sind, die Sie ganz gleichgiltig lassen, Sie sollen sich mich gar nicht dumm
kümmern, Sie haben ja besseres zu tun. Aber wenn ichs kurz sagen soll, ich freue
mich eben einfach, daß Sie da sind, sehen Sie, es ist nicht anders, als wenn
wir jetzt Morgens einen so recht dicken Strauß Anemonen in das alte dunkle
Apothekenzimmer stellen, das leuchtet wie ein Sonnenstrahl, und alles nimmt von
dem Licht der frohen Blumen an und wird selbst hell und froh davon. Der Blumen¬
strauß allein weiß nichts davon. So, Fräulein Luise, ist es mit Ihnen.

Luisens Auge lachte hell, als sie sagte: Es ist ja recht schmeichelhaft, mit einem
ganzen Strauß Frühlingsblumen verglichen zu werden. Mir wäre es genug, wenn
Sie mich mit einer einzigen Blume verglichen.

Nein, das geht nicht, sagte ich; wegen des Lichts muß es ein Strauß sein,
denn im Vergleich mit der Freude, die aus Ihrem Gesicht auf die Welt ausgeht,
ist eine Anemone nur Dämmerung. Nein, es muß etwas Leuchtendes sein, was
man mit Ihrem Angesicht vergleicht.

Luise errötete, wollte uicht weiter darüber geredet haben, ob Strauß oder
Blume, sondern fragte mit demselben schelmischen Lächeln, das ich vorhin über ihr
Gesicht hatte gleiten sehen: Ist es wirklich ein L, das Sie mit Kresse angesät haben?

Ja, und Ihr L, nur Ihres, das höchste L, das es gibt. Mit Kressensamen,
der es schnell verrät, sät ich es gern auf jedes frische Beet.

Nicht weiter, fiel mir Luise ins Wort, und ich verstummte, im stillen halb
und halb erstaunt, mich freuend über meine eigne Kühnheit. Als aber nun Luise
mit kühler, absichtlich gesetzter, fast geschäftsmäßiger Stimme sagte: Es ist nun da
und wächst. Was tut man damit? Zum Ausroden ist es zu spät! — bewunderte


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[0229] Glücksinseln und Träume so bestimmt gesehen hatte wie ich. Die praktische Erwägung seiner Hausfrau: Das gibt nicht einmal eine ordentliche Schüssel voll Salat! schloß brummend das Verhör. Aber im Aufstehn vom Tisch, das ich heute beeilte, traf mich ein so neckischer Blick aus Luisens Auge, daß ich meinte, es träte der allerhellste Stern hinter Wolken vor. Sie weiß es, was kümmern mich die andern; und sie zürnt nicht! Wir lehnten den Nachmittag an der Brücke, die über den Bach rechter Hand in den Garten führt; an dem leuchtenden Frühlingssonnentag war es eine Wohltat, den Bach entlang über den dunkeln Wasserspiegel hinzusehen, auf den Erlen nieder¬ hingen, deren Laub noch nicht schwarzgrün wie im Sommer war. — Sehen Sie, wie ernst im hellgrünen Glänze die schwarzen Früchtchen stehn? Das ist gerade das Gegenteil von dem, wie es am Abend hier aussieht, wenn die Sterne in dem schweigenden Wasser liegen wie eingesprengtes Gold in einem ganz dunkeln Kristall. — Solcherlei und andres, meist wohl ziemlich weit hergeholtes, sprach ich zu dem Mädchen, das nicht viel antwortete, aber nicht ungern zuzuhören schien. Ich hatte mit der Zeit das Gefühl, daß das ein Herumreden sei. Das blaue Auge richtete sich sehr hell auf mich, aber nicht so völlig kristallhaft kalt, wie es Wohl blicken konnte; ich dachte an einen ganz hellen Saphir, den ich auf dunkeln, Sammet hatte liegen sehen. Ihre Lippen öffneten sich nicht, sie wußten wohl, daß die Frage dieses Auges mir nicht unverstanden blieb; auch meine Lippen waren versiegelt, aber mein Ange sagte: Ja, ich habe das L gesät, und die Röte, die ich in den Wangen fühlte, bekräftigte es: Ja, er hat wirklich die Keckheit gehabt. So sahen wir uns an, und ich weiß nicht, warum ich meinen Blick nicht von dem ihren lösen konnte. Es war ein unbestimmtes Vertrauen, dessen ich aus diesem Auge nicht genug schöpfen konnte. Und endlich brach es wie ein Quell hervor: Wie schön ist es doch, daß Sie jetzt da sind, wo die Sonne jeden Tag Heller und wärmer scheint, Fräulein Luise. Es wurde vorher schon schön und gut von dem Augenblick an, wo Sie kamen, und um wird jeder Tag herrlicher. Für mich sind Sie der einzige Mensch, an den ich mich hier anschließen konnte, sie sind jung — Aber nicht so jung wie Sie, Fritz, warf sie lächelnd ein — und haben nichts mit dem Geschäft zu tun, sie kommen aus meiner Stadt und kennen sogar die Straße, wo meine Eltern wohnen, für das alles bin ich Ihnen dankbar. Ich weiß Wohl, daß das Dinge sind, die Sie ganz gleichgiltig lassen, Sie sollen sich mich gar nicht dumm kümmern, Sie haben ja besseres zu tun. Aber wenn ichs kurz sagen soll, ich freue mich eben einfach, daß Sie da sind, sehen Sie, es ist nicht anders, als wenn wir jetzt Morgens einen so recht dicken Strauß Anemonen in das alte dunkle Apothekenzimmer stellen, das leuchtet wie ein Sonnenstrahl, und alles nimmt von dem Licht der frohen Blumen an und wird selbst hell und froh davon. Der Blumen¬ strauß allein weiß nichts davon. So, Fräulein Luise, ist es mit Ihnen. Luisens Auge lachte hell, als sie sagte: Es ist ja recht schmeichelhaft, mit einem ganzen Strauß Frühlingsblumen verglichen zu werden. Mir wäre es genug, wenn Sie mich mit einer einzigen Blume verglichen. Nein, das geht nicht, sagte ich; wegen des Lichts muß es ein Strauß sein, denn im Vergleich mit der Freude, die aus Ihrem Gesicht auf die Welt ausgeht, ist eine Anemone nur Dämmerung. Nein, es muß etwas Leuchtendes sein, was man mit Ihrem Angesicht vergleicht. Luise errötete, wollte uicht weiter darüber geredet haben, ob Strauß oder Blume, sondern fragte mit demselben schelmischen Lächeln, das ich vorhin über ihr Gesicht hatte gleiten sehen: Ist es wirklich ein L, das Sie mit Kresse angesät haben? Ja, und Ihr L, nur Ihres, das höchste L, das es gibt. Mit Kressensamen, der es schnell verrät, sät ich es gern auf jedes frische Beet. Nicht weiter, fiel mir Luise ins Wort, und ich verstummte, im stillen halb und halb erstaunt, mich freuend über meine eigne Kühnheit. Als aber nun Luise mit kühler, absichtlich gesetzter, fast geschäftsmäßiger Stimme sagte: Es ist nun da und wächst. Was tut man damit? Zum Ausroden ist es zu spät! — bewunderte

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_295218/229>, abgerufen am 23.07.2024.