Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Sage von: Strandsegen und das Strandrecht an der deutschen Rüste

spricht er sein Befremden aus, daß in dein miteingereichten Reglement gar
nichts von der Strandung, "wenn nehmlich Schiffe, an einer Küste wie in
Preussen stranden, und wie es dabey zu halten," erwähnt wird, und führt
dann fort: "Das ist aber eine nötige Sache und muß deren allerdings darm
mit Erwehnnng geschehen. Denn Ich will die, an einigen Orten, gebräuchliche
übele Gewohnheit, daß wenn ein Schiff das Unglük hat, zu stranden, die
KttstenBewohner, sich dessen sammt der Ladung, soviel sie davon, nur retten
können, ganz und gar zueignen, und das unglütliche Schiffs-Boll neckend
und blos, fvrtschikeu, weder in Preussen noch in Pommern, gestatten; Viel¬
mehr sollen die Leute an den Küsten schuldig und gehalten sehn, des solchen
Vorfällen, dein verunglükten Schiff, auf das schleunigste zur Hülfe zu kommen,
und alle Meuschmö gliche Mühe anzuwenden, und von deu Guebern und
Waaren aus dem Schiff, so viel zu bergen und zu retten, wie sie uur können,
ohne das mindeste davon sich zu zueignen, sie sollen auch hiernächst, für die
geleistete Hülfe, keine übermäßige Forderungen machen, sondern mit einer
billigmäßigcn Bezahlung für die Arbeit, sich begnügen, die vbengedachteS
tüolleMiin, rsAuliren kann."

Die Erhebungen, die darauf der Kanzler von Carmer durch die ost¬
preußische Regierung, das Kvmmerzien- und Admiralitätskollegium und den
Königsberger Magistrat verunstaltete, ergaben, daß Schweden, Dänemark,
Schleswig-Holstein, Kurland und Ostfriesland, trotz seiner Zugehörigkeit zu
Preußen, noch das Strandrecht handhabten und durch preußische Nctvrsions-
maßregeln getroffen werden konnten. Auf die von der pommerschen Regierung
gestellte Frage, ob der König durch seine Kabinettsorder die in seiner Deklara¬
tion der Strandungsordnung erwähnten Netorsionsmaßregeln aufgehoben wissen
wollte, scheint jedoch keine Antwort mehr erfolgt zu sein. Auch ob und wie
der Magistrat von Königsberg auf seinen Antrag, das Strandrecht in Kur¬
land durch eine Konvention zu beseitigen, beschieden wurde, konnte ich nicht
feststellen. Der müde König schloß die Augen. Am Strande des vom Stamm-
lande so weit entfernten Gebiets an der Eins Ordnung zu schaffen, blieb
andern Kräften und Zeiten vorbehalten. Doch ragt in die letzten Jahre des
Königs noch der Beginn einer höhern Auffassung der Pflichten gegenüber
dem mit der See ringenden Nächsten. Fast schien es, als sollte die muster¬
hafte Strandungsordnung Friedrich Wilhelms des Ersten von seinem Sohne
durch die Schaffung von Nettungseinrichtungen auf die Stufe unsrer Zeit er¬
hoben werden, als der Kolberger Tuchmachermeister Ehrgott Friedrich Schaefer
im Jahre 1784 seinem König ein Verfahren zur Rettung Schiffbrüchiger vor¬
legte und der greise Herrscher die Erfindung prüfen ließ. Doch damit waren
der König und der Bürger ihrer Zeit vorausgeeilt/")



(Fortsetzung folgt)




*) Vergleiche den Aufsatz: "Zur Geschichte des Rettungswesens an der deutschen Küste"
in Nummer 24 des Jahrgangs 1903 der GrenzSoten.
Die Sage von: Strandsegen und das Strandrecht an der deutschen Rüste

spricht er sein Befremden aus, daß in dein miteingereichten Reglement gar
nichts von der Strandung, „wenn nehmlich Schiffe, an einer Küste wie in
Preussen stranden, und wie es dabey zu halten," erwähnt wird, und führt
dann fort: „Das ist aber eine nötige Sache und muß deren allerdings darm
mit Erwehnnng geschehen. Denn Ich will die, an einigen Orten, gebräuchliche
übele Gewohnheit, daß wenn ein Schiff das Unglük hat, zu stranden, die
KttstenBewohner, sich dessen sammt der Ladung, soviel sie davon, nur retten
können, ganz und gar zueignen, und das unglütliche Schiffs-Boll neckend
und blos, fvrtschikeu, weder in Preussen noch in Pommern, gestatten; Viel¬
mehr sollen die Leute an den Küsten schuldig und gehalten sehn, des solchen
Vorfällen, dein verunglükten Schiff, auf das schleunigste zur Hülfe zu kommen,
und alle Meuschmö gliche Mühe anzuwenden, und von deu Guebern und
Waaren aus dem Schiff, so viel zu bergen und zu retten, wie sie uur können,
ohne das mindeste davon sich zu zueignen, sie sollen auch hiernächst, für die
geleistete Hülfe, keine übermäßige Forderungen machen, sondern mit einer
billigmäßigcn Bezahlung für die Arbeit, sich begnügen, die vbengedachteS
tüolleMiin, rsAuliren kann."

Die Erhebungen, die darauf der Kanzler von Carmer durch die ost¬
preußische Regierung, das Kvmmerzien- und Admiralitätskollegium und den
Königsberger Magistrat verunstaltete, ergaben, daß Schweden, Dänemark,
Schleswig-Holstein, Kurland und Ostfriesland, trotz seiner Zugehörigkeit zu
Preußen, noch das Strandrecht handhabten und durch preußische Nctvrsions-
maßregeln getroffen werden konnten. Auf die von der pommerschen Regierung
gestellte Frage, ob der König durch seine Kabinettsorder die in seiner Deklara¬
tion der Strandungsordnung erwähnten Netorsionsmaßregeln aufgehoben wissen
wollte, scheint jedoch keine Antwort mehr erfolgt zu sein. Auch ob und wie
der Magistrat von Königsberg auf seinen Antrag, das Strandrecht in Kur¬
land durch eine Konvention zu beseitigen, beschieden wurde, konnte ich nicht
feststellen. Der müde König schloß die Augen. Am Strande des vom Stamm-
lande so weit entfernten Gebiets an der Eins Ordnung zu schaffen, blieb
andern Kräften und Zeiten vorbehalten. Doch ragt in die letzten Jahre des
Königs noch der Beginn einer höhern Auffassung der Pflichten gegenüber
dem mit der See ringenden Nächsten. Fast schien es, als sollte die muster¬
hafte Strandungsordnung Friedrich Wilhelms des Ersten von seinem Sohne
durch die Schaffung von Nettungseinrichtungen auf die Stufe unsrer Zeit er¬
hoben werden, als der Kolberger Tuchmachermeister Ehrgott Friedrich Schaefer
im Jahre 1784 seinem König ein Verfahren zur Rettung Schiffbrüchiger vor¬
legte und der greise Herrscher die Erfindung prüfen ließ. Doch damit waren
der König und der Bürger ihrer Zeit vorausgeeilt/")



(Fortsetzung folgt)




*) Vergleiche den Aufsatz: „Zur Geschichte des Rettungswesens an der deutschen Küste"
in Nummer 24 des Jahrgangs 1903 der GrenzSoten.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0216" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/295435"/>
          <fw type="header" place="top"> Die Sage von: Strandsegen und das Strandrecht an der deutschen Rüste</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_964" prev="#ID_963"> spricht er sein Befremden aus, daß in dein miteingereichten Reglement gar<lb/>
nichts von der Strandung, &#x201E;wenn nehmlich Schiffe, an einer Küste wie in<lb/>
Preussen stranden, und wie es dabey zu halten," erwähnt wird, und führt<lb/>
dann fort: &#x201E;Das ist aber eine nötige Sache und muß deren allerdings darm<lb/>
mit Erwehnnng geschehen. Denn Ich will die, an einigen Orten, gebräuchliche<lb/>
übele Gewohnheit, daß wenn ein Schiff das Unglük hat, zu stranden, die<lb/>
KttstenBewohner, sich dessen sammt der Ladung, soviel sie davon, nur retten<lb/>
können, ganz und gar zueignen, und das unglütliche Schiffs-Boll neckend<lb/>
und blos, fvrtschikeu, weder in Preussen noch in Pommern, gestatten; Viel¬<lb/>
mehr sollen die Leute an den Küsten schuldig und gehalten sehn, des solchen<lb/>
Vorfällen, dein verunglükten Schiff, auf das schleunigste zur Hülfe zu kommen,<lb/>
und alle Meuschmö gliche Mühe anzuwenden, und von deu Guebern und<lb/>
Waaren aus dem Schiff, so viel zu bergen und zu retten, wie sie uur können,<lb/>
ohne das mindeste davon sich zu zueignen, sie sollen auch hiernächst, für die<lb/>
geleistete Hülfe, keine übermäßige Forderungen machen, sondern mit einer<lb/>
billigmäßigcn Bezahlung für die Arbeit, sich begnügen, die vbengedachteS<lb/>
tüolleMiin, rsAuliren kann."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_965"> Die Erhebungen, die darauf der Kanzler von Carmer durch die ost¬<lb/>
preußische Regierung, das Kvmmerzien- und Admiralitätskollegium und den<lb/>
Königsberger Magistrat verunstaltete, ergaben, daß Schweden, Dänemark,<lb/>
Schleswig-Holstein, Kurland und Ostfriesland, trotz seiner Zugehörigkeit zu<lb/>
Preußen, noch das Strandrecht handhabten und durch preußische Nctvrsions-<lb/>
maßregeln getroffen werden konnten. Auf die von der pommerschen Regierung<lb/>
gestellte Frage, ob der König durch seine Kabinettsorder die in seiner Deklara¬<lb/>
tion der Strandungsordnung erwähnten Netorsionsmaßregeln aufgehoben wissen<lb/>
wollte, scheint jedoch keine Antwort mehr erfolgt zu sein. Auch ob und wie<lb/>
der Magistrat von Königsberg auf seinen Antrag, das Strandrecht in Kur¬<lb/>
land durch eine Konvention zu beseitigen, beschieden wurde, konnte ich nicht<lb/>
feststellen. Der müde König schloß die Augen. Am Strande des vom Stamm-<lb/>
lande so weit entfernten Gebiets an der Eins Ordnung zu schaffen, blieb<lb/>
andern Kräften und Zeiten vorbehalten. Doch ragt in die letzten Jahre des<lb/>
Königs noch der Beginn einer höhern Auffassung der Pflichten gegenüber<lb/>
dem mit der See ringenden Nächsten. Fast schien es, als sollte die muster¬<lb/>
hafte Strandungsordnung Friedrich Wilhelms des Ersten von seinem Sohne<lb/>
durch die Schaffung von Nettungseinrichtungen auf die Stufe unsrer Zeit er¬<lb/>
hoben werden, als der Kolberger Tuchmachermeister Ehrgott Friedrich Schaefer<lb/>
im Jahre 1784 seinem König ein Verfahren zur Rettung Schiffbrüchiger vor¬<lb/>
legte und der greise Herrscher die Erfindung prüfen ließ. Doch damit waren<lb/>
der König und der Bürger ihrer Zeit vorausgeeilt/")</p><lb/>
          <note xml:id="FID_11" place="foot"> *) Vergleiche den Aufsatz: &#x201E;Zur Geschichte des Rettungswesens an der deutschen Küste"<lb/>
in Nummer 24 des Jahrgangs 1903 der GrenzSoten.</note><lb/>
          <p xml:id="ID_966"> (Fortsetzung folgt)</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0216] Die Sage von: Strandsegen und das Strandrecht an der deutschen Rüste spricht er sein Befremden aus, daß in dein miteingereichten Reglement gar nichts von der Strandung, „wenn nehmlich Schiffe, an einer Küste wie in Preussen stranden, und wie es dabey zu halten," erwähnt wird, und führt dann fort: „Das ist aber eine nötige Sache und muß deren allerdings darm mit Erwehnnng geschehen. Denn Ich will die, an einigen Orten, gebräuchliche übele Gewohnheit, daß wenn ein Schiff das Unglük hat, zu stranden, die KttstenBewohner, sich dessen sammt der Ladung, soviel sie davon, nur retten können, ganz und gar zueignen, und das unglütliche Schiffs-Boll neckend und blos, fvrtschikeu, weder in Preussen noch in Pommern, gestatten; Viel¬ mehr sollen die Leute an den Küsten schuldig und gehalten sehn, des solchen Vorfällen, dein verunglükten Schiff, auf das schleunigste zur Hülfe zu kommen, und alle Meuschmö gliche Mühe anzuwenden, und von deu Guebern und Waaren aus dem Schiff, so viel zu bergen und zu retten, wie sie uur können, ohne das mindeste davon sich zu zueignen, sie sollen auch hiernächst, für die geleistete Hülfe, keine übermäßige Forderungen machen, sondern mit einer billigmäßigcn Bezahlung für die Arbeit, sich begnügen, die vbengedachteS tüolleMiin, rsAuliren kann." Die Erhebungen, die darauf der Kanzler von Carmer durch die ost¬ preußische Regierung, das Kvmmerzien- und Admiralitätskollegium und den Königsberger Magistrat verunstaltete, ergaben, daß Schweden, Dänemark, Schleswig-Holstein, Kurland und Ostfriesland, trotz seiner Zugehörigkeit zu Preußen, noch das Strandrecht handhabten und durch preußische Nctvrsions- maßregeln getroffen werden konnten. Auf die von der pommerschen Regierung gestellte Frage, ob der König durch seine Kabinettsorder die in seiner Deklara¬ tion der Strandungsordnung erwähnten Netorsionsmaßregeln aufgehoben wissen wollte, scheint jedoch keine Antwort mehr erfolgt zu sein. Auch ob und wie der Magistrat von Königsberg auf seinen Antrag, das Strandrecht in Kur¬ land durch eine Konvention zu beseitigen, beschieden wurde, konnte ich nicht feststellen. Der müde König schloß die Augen. Am Strande des vom Stamm- lande so weit entfernten Gebiets an der Eins Ordnung zu schaffen, blieb andern Kräften und Zeiten vorbehalten. Doch ragt in die letzten Jahre des Königs noch der Beginn einer höhern Auffassung der Pflichten gegenüber dem mit der See ringenden Nächsten. Fast schien es, als sollte die muster¬ hafte Strandungsordnung Friedrich Wilhelms des Ersten von seinem Sohne durch die Schaffung von Nettungseinrichtungen auf die Stufe unsrer Zeit er¬ hoben werden, als der Kolberger Tuchmachermeister Ehrgott Friedrich Schaefer im Jahre 1784 seinem König ein Verfahren zur Rettung Schiffbrüchiger vor¬ legte und der greise Herrscher die Erfindung prüfen ließ. Doch damit waren der König und der Bürger ihrer Zeit vorausgeeilt/") (Fortsetzung folgt) *) Vergleiche den Aufsatz: „Zur Geschichte des Rettungswesens an der deutschen Küste" in Nummer 24 des Jahrgangs 1903 der GrenzSoten.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_295218
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_295218/216
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_295218/216>, abgerufen am 23.07.2024.