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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

aus italienischen Quellen geschöpft hat, seinem Gedächtnis eine bessere Huldigung
darbringen, als die ist, die ihm Deutschland gewidmet hat. Das wird ein Kranz
auf dem Grabe des Meisters sein, ein Kranz aus Blumen gewunden, wie sie nur
in unserm Vaterlande, der Wiege der Kunst und der Wissenschaft, sprießen."

Eine solche Huldigung wäre in der Tat an der Zeit; sagt der Berichterstatter
doch selbst, daß man Mozart in Italien eigentlich nur dem Namen nach kenne,
und daß höchstens einmal der Don Juan, und zwar fast immer in moäo xossiino
aufgeführt werde. Das möchte ja nun anders werden. Die Zauberflöte soll der
italienischen Bühne freilich auch jetzt noch fern bleiben. Der Fanfnllakorrespondent
hat zwar Worte der Anerkennung für die markige Wucht dieser Musik, für die
meisterhafte Behandlung der Jnstrumentation und den modernen Zug, der in den
Chören zutage tritt, aber die Handlung findet er wegen ihrer eigentümlichen
Phantastik geschmacklos und langweilig, und er billigt deshalb durchaus, daß die
in München anwesenden Vertreter der Direktion des Scalatheaters den Entschluß
gefaßt hätten, auf die geplante Aufführung der Zauberflöte lieber zu verzichten.
Über das abfällige Urteil, das der italienische Berichterstatter über den deutschen
Gesang fällt, werden sich die Sänger wohl zu trösten wissen, es erinnert ein
wenig an ein Wort des Kaisers Julian, der einmal den deutschen Gesang mit dem
Gekrächze wilder Vögel verglichen hat. Aber ganz grundlos ist die Kundgebung
des Jtalieners doch wohl nicht; ist es doch eine alte Klage, daß die in Deutschland
herrschende Pflege der Wagnermusik Stimmgebung und Vortragsweise der Sänger
F. Auntze zuungunsten Mozarts mehr oder weniger stark beeinflußt hat.




Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig -- Druck von Karl Marquart in Leipzig


Maßgebliches und Unmaßgebliches

aus italienischen Quellen geschöpft hat, seinem Gedächtnis eine bessere Huldigung
darbringen, als die ist, die ihm Deutschland gewidmet hat. Das wird ein Kranz
auf dem Grabe des Meisters sein, ein Kranz aus Blumen gewunden, wie sie nur
in unserm Vaterlande, der Wiege der Kunst und der Wissenschaft, sprießen."

Eine solche Huldigung wäre in der Tat an der Zeit; sagt der Berichterstatter
doch selbst, daß man Mozart in Italien eigentlich nur dem Namen nach kenne,
und daß höchstens einmal der Don Juan, und zwar fast immer in moäo xossiino
aufgeführt werde. Das möchte ja nun anders werden. Die Zauberflöte soll der
italienischen Bühne freilich auch jetzt noch fern bleiben. Der Fanfnllakorrespondent
hat zwar Worte der Anerkennung für die markige Wucht dieser Musik, für die
meisterhafte Behandlung der Jnstrumentation und den modernen Zug, der in den
Chören zutage tritt, aber die Handlung findet er wegen ihrer eigentümlichen
Phantastik geschmacklos und langweilig, und er billigt deshalb durchaus, daß die
in München anwesenden Vertreter der Direktion des Scalatheaters den Entschluß
gefaßt hätten, auf die geplante Aufführung der Zauberflöte lieber zu verzichten.
Über das abfällige Urteil, das der italienische Berichterstatter über den deutschen
Gesang fällt, werden sich die Sänger wohl zu trösten wissen, es erinnert ein
wenig an ein Wort des Kaisers Julian, der einmal den deutschen Gesang mit dem
Gekrächze wilder Vögel verglichen hat. Aber ganz grundlos ist die Kundgebung
des Jtalieners doch wohl nicht; ist es doch eine alte Klage, daß die in Deutschland
herrschende Pflege der Wagnermusik Stimmgebung und Vortragsweise der Sänger
F. Auntze zuungunsten Mozarts mehr oder weniger stark beeinflußt hat.




Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig — Druck von Karl Marquart in Leipzig


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[0186] Maßgebliches und Unmaßgebliches aus italienischen Quellen geschöpft hat, seinem Gedächtnis eine bessere Huldigung darbringen, als die ist, die ihm Deutschland gewidmet hat. Das wird ein Kranz auf dem Grabe des Meisters sein, ein Kranz aus Blumen gewunden, wie sie nur in unserm Vaterlande, der Wiege der Kunst und der Wissenschaft, sprießen." Eine solche Huldigung wäre in der Tat an der Zeit; sagt der Berichterstatter doch selbst, daß man Mozart in Italien eigentlich nur dem Namen nach kenne, und daß höchstens einmal der Don Juan, und zwar fast immer in moäo xossiino aufgeführt werde. Das möchte ja nun anders werden. Die Zauberflöte soll der italienischen Bühne freilich auch jetzt noch fern bleiben. Der Fanfnllakorrespondent hat zwar Worte der Anerkennung für die markige Wucht dieser Musik, für die meisterhafte Behandlung der Jnstrumentation und den modernen Zug, der in den Chören zutage tritt, aber die Handlung findet er wegen ihrer eigentümlichen Phantastik geschmacklos und langweilig, und er billigt deshalb durchaus, daß die in München anwesenden Vertreter der Direktion des Scalatheaters den Entschluß gefaßt hätten, auf die geplante Aufführung der Zauberflöte lieber zu verzichten. Über das abfällige Urteil, das der italienische Berichterstatter über den deutschen Gesang fällt, werden sich die Sänger wohl zu trösten wissen, es erinnert ein wenig an ein Wort des Kaisers Julian, der einmal den deutschen Gesang mit dem Gekrächze wilder Vögel verglichen hat. Aber ganz grundlos ist die Kundgebung des Jtalieners doch wohl nicht; ist es doch eine alte Klage, daß die in Deutschland herrschende Pflege der Wagnermusik Stimmgebung und Vortragsweise der Sänger F. Auntze zuungunsten Mozarts mehr oder weniger stark beeinflußt hat. Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig — Druck von Karl Marquart in Leipzig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_295218/186>, abgerufen am 23.07.2024.