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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Sperrung verfügt hatte, sprach die Strafkammer den Angeklagten frei. In der Be¬
gründung des Urteils heißt es, es sei gar nicht an die Möglichkeit zu denken, daß
de Jonges Einsperrung notwendig oder zulässig sei; Bär habe sich einer groben
Fahrlässigkeit schuldig gemacht. De Jorge arbeitete ein paar Jahre an antisemitischen
Blättern mit, studierte aber zugleich eifrig Bibelkunde und kam dabei zu der Er¬
kenntnis, daß sein Übertritt zum Christentum auf irrigen Ansichten beruht habe;
er bereute diesen Schritt sowie die Beleidigungen, die er seinen frühern Glaubens¬
genossen und seiner Familie zugefügt hatte. Namentlich, was er seinen Eltern an¬
getan hat, schmerzt ihn sehr, doch meint er, seine Glaubensgenossen trügen an dem
ausgebrochnen Konflikt ebensoviel Schuld wie er, nur daß den Eltern der geringste
Teil von dieser Schuld zufalle. Vor zwei Jahren hat er sich wieder in die
jüdische Kultusgemeinde aufnehmen lassen. Das Ergebnis seiner Bibel- und
Talmudstudien will er in 26 Schriften veröffentlichen, von denen fünf erschienen
sind (eigentlich nur vier, von denen er die eine als Doppelheft rechnet). Zwei
dieser im Verlag von Hugo Schiltberger in Berlin herausgegebnen "Jüdischen
Schriften" liegen mir vor: Heft III und IV: "Messias, der kommende jüdische
Mann. Sturz der kirchlichen, Stabilierung der jüdischen Messiaslehre," und
Heft V: "Jeschuah der klassische jüdische Mann. Zerstörung des kirchlichen, Ent¬
hüllung des jüdischen Jesusbildes." Er beginnt mit einer Polemik gegen Graetz,
der im Messias nur die Personifizierung des Volkes Israel gesehen hat (wie
heute der bremische Prediger Kalthoff in Jesus die legendenhafte Personifizierung
des römischen Proletariats sieht), und entwickelt folgende wirklich neue Ansicht.

Der Messias ist nicht ein Sinnbild oder eine Personifikation, sondern eine
wirkliche Person, die binnen wenig Jahren öffentlich auftreten und das Reich Gottes
in Jerusalem aufrichten wird. Die Patriarchen. Moses, die Propheten und Jesus
haben ihn geweissagt. Denn wenn Jesus vom Messias oder Christus spricht, so meint
er nicht sich selbst. Er war mehr als der Messias: eine Inkarnation der Gott¬
heit; der Messias wird nur ein Mensch sein, und zwar ein sündiger Mensch, der
seine Sünden bereut und Buße tut. Die Apokalypse malt in einer Reihe von
Bildern die Geburt, die Jugendgeschichte, die Entwicklung des Messias. Seine
Mutter hat den Mond unter ihren Füßen und ist mit der Sonne bekleidet, d. h.
sie hat zu der Zeit, wo sich ihr Sohn als Messias offenbart, die silberne Hoch¬
zeit längst hinter sich und steht in dem Alter, wo man die goldne Hochzeit feiert.
Der Drache mit den sieben Köpfen und den zehn Hörnern, der das Kind fressen
will, ist die Kirche, die sich in mehrere große Kirchen und viele kleine Sekten
gliedert und den dritten Teil der Menschen sich Untertan gemacht hat (der Drache
fegt mit seinem Schwänze den dritten Teil der Sterne vom Himmel); und wenn
die Schlange einen Wasserstrom gegen das Weib ausspeit, den die Erde auffängt
und einsaugt, so ist damit gemeint, der Vater des Messias werde alle Angriffe
auf diesen abwenden; "er muß zwar viel hinunterschlucken und ausfressen, aber er
verdaut alles Gift ohne Schaden für feine Gesundheit; seine unverwüstliche Kraft
hält das Weib und die ganze Familie aufrecht." Daniel 7, 13 kommt der Menschen-
sohn auf einer Wolke zum Alten der Tage, und ebenso Apokalypse 14, 14; in
demselben Buche 19, 11 sitzt er auf einem Schimmel. Der Messias wird nämlich, auf
einem Schimmel im lenkbarem Luftschiff sitzend, zuerst seinen Vater begrüßen (das
ist der Alte der Tage) und dann einen Triumphzug um die ganze Erde halten,
um sich huldigen zu lassen. Im vierzehnten Kapitel der Apokalypse wird die
Krönungsparade beschrieben, die der Messias bei Jerusalem abhalten wird; die
144000 Gezeichneten sind "ein Elitekorps von noch völlig enthaltsamen Jüng¬
lingen." Ein zufällig durchreisender Berliner Journalist sagt mir, daß de Jorge
sich selbst für den Messias halte, und viele Stellen der Schrift "Messias" machen
das sehr wahrscheinlich; einige andre freilich sind geeignet, Zweifel an der Be¬
rechtigung dieses Verdachts zu erregen. Jedenfalls werden die vier Ärzte, wenn
sie noch leben, jetzt sagen: Wir haben doch Recht gehabt!


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Sperrung verfügt hatte, sprach die Strafkammer den Angeklagten frei. In der Be¬
gründung des Urteils heißt es, es sei gar nicht an die Möglichkeit zu denken, daß
de Jonges Einsperrung notwendig oder zulässig sei; Bär habe sich einer groben
Fahrlässigkeit schuldig gemacht. De Jorge arbeitete ein paar Jahre an antisemitischen
Blättern mit, studierte aber zugleich eifrig Bibelkunde und kam dabei zu der Er¬
kenntnis, daß sein Übertritt zum Christentum auf irrigen Ansichten beruht habe;
er bereute diesen Schritt sowie die Beleidigungen, die er seinen frühern Glaubens¬
genossen und seiner Familie zugefügt hatte. Namentlich, was er seinen Eltern an¬
getan hat, schmerzt ihn sehr, doch meint er, seine Glaubensgenossen trügen an dem
ausgebrochnen Konflikt ebensoviel Schuld wie er, nur daß den Eltern der geringste
Teil von dieser Schuld zufalle. Vor zwei Jahren hat er sich wieder in die
jüdische Kultusgemeinde aufnehmen lassen. Das Ergebnis seiner Bibel- und
Talmudstudien will er in 26 Schriften veröffentlichen, von denen fünf erschienen
sind (eigentlich nur vier, von denen er die eine als Doppelheft rechnet). Zwei
dieser im Verlag von Hugo Schiltberger in Berlin herausgegebnen „Jüdischen
Schriften" liegen mir vor: Heft III und IV: „Messias, der kommende jüdische
Mann. Sturz der kirchlichen, Stabilierung der jüdischen Messiaslehre," und
Heft V: „Jeschuah der klassische jüdische Mann. Zerstörung des kirchlichen, Ent¬
hüllung des jüdischen Jesusbildes." Er beginnt mit einer Polemik gegen Graetz,
der im Messias nur die Personifizierung des Volkes Israel gesehen hat (wie
heute der bremische Prediger Kalthoff in Jesus die legendenhafte Personifizierung
des römischen Proletariats sieht), und entwickelt folgende wirklich neue Ansicht.

Der Messias ist nicht ein Sinnbild oder eine Personifikation, sondern eine
wirkliche Person, die binnen wenig Jahren öffentlich auftreten und das Reich Gottes
in Jerusalem aufrichten wird. Die Patriarchen. Moses, die Propheten und Jesus
haben ihn geweissagt. Denn wenn Jesus vom Messias oder Christus spricht, so meint
er nicht sich selbst. Er war mehr als der Messias: eine Inkarnation der Gott¬
heit; der Messias wird nur ein Mensch sein, und zwar ein sündiger Mensch, der
seine Sünden bereut und Buße tut. Die Apokalypse malt in einer Reihe von
Bildern die Geburt, die Jugendgeschichte, die Entwicklung des Messias. Seine
Mutter hat den Mond unter ihren Füßen und ist mit der Sonne bekleidet, d. h.
sie hat zu der Zeit, wo sich ihr Sohn als Messias offenbart, die silberne Hoch¬
zeit längst hinter sich und steht in dem Alter, wo man die goldne Hochzeit feiert.
Der Drache mit den sieben Köpfen und den zehn Hörnern, der das Kind fressen
will, ist die Kirche, die sich in mehrere große Kirchen und viele kleine Sekten
gliedert und den dritten Teil der Menschen sich Untertan gemacht hat (der Drache
fegt mit seinem Schwänze den dritten Teil der Sterne vom Himmel); und wenn
die Schlange einen Wasserstrom gegen das Weib ausspeit, den die Erde auffängt
und einsaugt, so ist damit gemeint, der Vater des Messias werde alle Angriffe
auf diesen abwenden; „er muß zwar viel hinunterschlucken und ausfressen, aber er
verdaut alles Gift ohne Schaden für feine Gesundheit; seine unverwüstliche Kraft
hält das Weib und die ganze Familie aufrecht." Daniel 7, 13 kommt der Menschen-
sohn auf einer Wolke zum Alten der Tage, und ebenso Apokalypse 14, 14; in
demselben Buche 19, 11 sitzt er auf einem Schimmel. Der Messias wird nämlich, auf
einem Schimmel im lenkbarem Luftschiff sitzend, zuerst seinen Vater begrüßen (das
ist der Alte der Tage) und dann einen Triumphzug um die ganze Erde halten,
um sich huldigen zu lassen. Im vierzehnten Kapitel der Apokalypse wird die
Krönungsparade beschrieben, die der Messias bei Jerusalem abhalten wird; die
144000 Gezeichneten sind „ein Elitekorps von noch völlig enthaltsamen Jüng¬
lingen." Ein zufällig durchreisender Berliner Journalist sagt mir, daß de Jorge
sich selbst für den Messias halte, und viele Stellen der Schrift „Messias" machen
das sehr wahrscheinlich; einige andre freilich sind geeignet, Zweifel an der Be¬
rechtigung dieses Verdachts zu erregen. Jedenfalls werden die vier Ärzte, wenn
sie noch leben, jetzt sagen: Wir haben doch Recht gehabt!


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[0734] Maßgebliches und Unmaßgebliches Sperrung verfügt hatte, sprach die Strafkammer den Angeklagten frei. In der Be¬ gründung des Urteils heißt es, es sei gar nicht an die Möglichkeit zu denken, daß de Jonges Einsperrung notwendig oder zulässig sei; Bär habe sich einer groben Fahrlässigkeit schuldig gemacht. De Jorge arbeitete ein paar Jahre an antisemitischen Blättern mit, studierte aber zugleich eifrig Bibelkunde und kam dabei zu der Er¬ kenntnis, daß sein Übertritt zum Christentum auf irrigen Ansichten beruht habe; er bereute diesen Schritt sowie die Beleidigungen, die er seinen frühern Glaubens¬ genossen und seiner Familie zugefügt hatte. Namentlich, was er seinen Eltern an¬ getan hat, schmerzt ihn sehr, doch meint er, seine Glaubensgenossen trügen an dem ausgebrochnen Konflikt ebensoviel Schuld wie er, nur daß den Eltern der geringste Teil von dieser Schuld zufalle. Vor zwei Jahren hat er sich wieder in die jüdische Kultusgemeinde aufnehmen lassen. Das Ergebnis seiner Bibel- und Talmudstudien will er in 26 Schriften veröffentlichen, von denen fünf erschienen sind (eigentlich nur vier, von denen er die eine als Doppelheft rechnet). Zwei dieser im Verlag von Hugo Schiltberger in Berlin herausgegebnen „Jüdischen Schriften" liegen mir vor: Heft III und IV: „Messias, der kommende jüdische Mann. Sturz der kirchlichen, Stabilierung der jüdischen Messiaslehre," und Heft V: „Jeschuah der klassische jüdische Mann. Zerstörung des kirchlichen, Ent¬ hüllung des jüdischen Jesusbildes." Er beginnt mit einer Polemik gegen Graetz, der im Messias nur die Personifizierung des Volkes Israel gesehen hat (wie heute der bremische Prediger Kalthoff in Jesus die legendenhafte Personifizierung des römischen Proletariats sieht), und entwickelt folgende wirklich neue Ansicht. Der Messias ist nicht ein Sinnbild oder eine Personifikation, sondern eine wirkliche Person, die binnen wenig Jahren öffentlich auftreten und das Reich Gottes in Jerusalem aufrichten wird. Die Patriarchen. Moses, die Propheten und Jesus haben ihn geweissagt. Denn wenn Jesus vom Messias oder Christus spricht, so meint er nicht sich selbst. Er war mehr als der Messias: eine Inkarnation der Gott¬ heit; der Messias wird nur ein Mensch sein, und zwar ein sündiger Mensch, der seine Sünden bereut und Buße tut. Die Apokalypse malt in einer Reihe von Bildern die Geburt, die Jugendgeschichte, die Entwicklung des Messias. Seine Mutter hat den Mond unter ihren Füßen und ist mit der Sonne bekleidet, d. h. sie hat zu der Zeit, wo sich ihr Sohn als Messias offenbart, die silberne Hoch¬ zeit längst hinter sich und steht in dem Alter, wo man die goldne Hochzeit feiert. Der Drache mit den sieben Köpfen und den zehn Hörnern, der das Kind fressen will, ist die Kirche, die sich in mehrere große Kirchen und viele kleine Sekten gliedert und den dritten Teil der Menschen sich Untertan gemacht hat (der Drache fegt mit seinem Schwänze den dritten Teil der Sterne vom Himmel); und wenn die Schlange einen Wasserstrom gegen das Weib ausspeit, den die Erde auffängt und einsaugt, so ist damit gemeint, der Vater des Messias werde alle Angriffe auf diesen abwenden; „er muß zwar viel hinunterschlucken und ausfressen, aber er verdaut alles Gift ohne Schaden für feine Gesundheit; seine unverwüstliche Kraft hält das Weib und die ganze Familie aufrecht." Daniel 7, 13 kommt der Menschen- sohn auf einer Wolke zum Alten der Tage, und ebenso Apokalypse 14, 14; in demselben Buche 19, 11 sitzt er auf einem Schimmel. Der Messias wird nämlich, auf einem Schimmel im lenkbarem Luftschiff sitzend, zuerst seinen Vater begrüßen (das ist der Alte der Tage) und dann einen Triumphzug um die ganze Erde halten, um sich huldigen zu lassen. Im vierzehnten Kapitel der Apokalypse wird die Krönungsparade beschrieben, die der Messias bei Jerusalem abhalten wird; die 144000 Gezeichneten sind „ein Elitekorps von noch völlig enthaltsamen Jüng¬ lingen." Ein zufällig durchreisender Berliner Journalist sagt mir, daß de Jorge sich selbst für den Messias halte, und viele Stellen der Schrift „Messias" machen das sehr wahrscheinlich; einige andre freilich sind geeignet, Zweifel an der Be¬ rechtigung dieses Verdachts zu erregen. Jedenfalls werden die vier Ärzte, wenn sie noch leben, jetzt sagen: Wir haben doch Recht gehabt!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_294416/734>, abgerufen am 23.07.2024.