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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

noch zahlreich und stark genug waren, daß sie mit Erfolg an die gesinnungsver-
wandten Elemente im Volk appellieren konnten, in denen das schone Wort: Der
König rief, und alle, alle kamen! doch noch in der alten Fülle und Kraft lebendig
war. Den prägnantesten Ausdruck haben die Verhältnisse jener Tage wohl in den
Worten des mutigen Wrangel gefunden, als er bei der Abmeldung bei der Königin
Elisabeth auf Schloß Sanssouci vor dem Einmarsch in Berlin im November 1848
der hohen Frau, die ihn unter Tränen bat, kein Blut zu vergießen, erwiderte:
"Halten Eure Majestät mir den König nur stramm, das andre wollen wir schou
machen!" Heute eine Katastrophe herbeisehne", heißt mit dem Feuer spielen. So
leicht wiederholt sich die Weltgeschichte nicht. Um in eiuer Katastrophe obzusiegen,
muß man der Mittel und der Entschlußkraft sicher sein. Die Verhältnisse im Lande
liegen nicht mehr wie im Jahre 1848 beim Übergang vom absoluten zum konsti¬
tutionellen Staat auf dem immer noch hellglänzenden Hintergrunde der glorreichen
Erhebung von 1813. Wenn wir jetzt einer neuen Katastrophe zutreiben, haben
wir damit zu rechne", daß die Nation vierzig bis fünfzig Jahre des allgemeinen
Stimmrechts und einer recht demokratischen Verfassung hinter sich haben wird, und
daß alle zersetzenden Elemente, die Verbündeten jeder Revolution -- man denke
ein die Polen --, stärker als je sind. Weiser ist es jedenfalls, die Dinge so zu
leiten, daß wir einer läuternden Katastrophe nicht erst bedürfen und uns ein Ex¬
periment ersparen, dessen Ausgang jedenfalls ungewiß ist. Auch der Erfolg würde
immerhin manches in Trümmer fallen sehen. Der kluge Mann baut vor. Unter
der Herrschaft unsers Wahlrechts und unsrer Verfassung wird jede Regierung allen
Parteien immer einen viel breitern Spielraum einräumen müssen, als z. B. nnter
der Herrschaft der preußischen Verfassung und des preußischen Wahlrechts nötig
Ware. Aber was sie den Parteien des eignen Landes an freier Bewegung ein¬
räumt, braucht sie doch noch nicht der internationalen Revolution zuzugestehn.
Das Deutsche Reich darf Parteitage wie den Dresdner dulden, Kongresse wie den
Amsterdamer -- nicht.

Der schlechte Scherz, den sich ein welfisches Blatt in Form einer "Satire"
auf den Thronwechsel in Mecklenburg-Strelitz erlaubt hatte, ist hie und da auf
vierundzwanzig Stunden ernst genommen worden. Die in dem angeblichen braun-
schweigischen "Protest" verlangten Kautelen gegen eine vom Standpunkt des Reichs-
iutcresses bedenkliche Thronnachfvlge in irgend einen, deutschen Bundesstaate sind
durch die Gesamtheit der deutschen Verhältnisse längst gegeben. Ein Einfluß der
Reichsgewalt auf die Thronfolge in den Einzelstaaten liegt schon in der Bestimmung
des Artikels 1t) der Reichsverfassung, wonach der Kaiser den Mitgliedern des
Bundesrath den üblichen diplomatischen Schutz zu gewähren hat. Damit ist imxlioirs
dem Kaiser das Recht zur Prüfung der Legitimation der Buudesratsmitglieder
gegeben und somit auch das Recht zur Beanstandung ihrer Vollmacht und zur Ver¬
legung dieses Schutzes, falls er, der Kaiser, gegen einen Thronwechsel Bedenken
haben sollte. Die etwa für diesen Fall nötigen Vorkehrungen werden selbstver¬
ständlich nicht erst im letzten Augenblick getroffen, sondern werden wie beim Hin¬
scheiden des letzten Herzogs von Braunschweig von langer Hand her vorbereitet
sein. Es ist aus diesem Grunde auch eine voreilige und zu beanstandende Ver¬
eidigung der Truppen nicht zu befürchten. Die Kommandeure werden in Fällen,
in denen Nechtsbedeukeu oder politische Bedenken in Betracht kämen, jedesmal
rechtzeitig vou Berlin aus mit Instruktion versehen sein. Denn da alle deutschen
Truppen den Fahneneid nicht nur an ihren Landesherrn, sondern auch an den
Kaiser zu leisten haben -- Bayern in bedingter Form --, so kaun es ja selbst¬
verständlich für den Kaiser nicht gleichgiltig sein, ob der betreffende Landesherr
Reichs wegen als zulässig gilt oder nicht. In dem letzten Falle würde die
Ableistung des Fahneneides an ihn sicherlich rechtzeitig verhindert werden. Man
ersieht hieraus, daß die Reichsgewalt hinreichend Mittel und Wege hat, der Be¬
anstandung einer Thronfolge den etwa nötigen Nachdruck zu geben, neuer reichs-


Maßgebliches und Unmaßgebliches

noch zahlreich und stark genug waren, daß sie mit Erfolg an die gesinnungsver-
wandten Elemente im Volk appellieren konnten, in denen das schone Wort: Der
König rief, und alle, alle kamen! doch noch in der alten Fülle und Kraft lebendig
war. Den prägnantesten Ausdruck haben die Verhältnisse jener Tage wohl in den
Worten des mutigen Wrangel gefunden, als er bei der Abmeldung bei der Königin
Elisabeth auf Schloß Sanssouci vor dem Einmarsch in Berlin im November 1848
der hohen Frau, die ihn unter Tränen bat, kein Blut zu vergießen, erwiderte:
„Halten Eure Majestät mir den König nur stramm, das andre wollen wir schou
machen!" Heute eine Katastrophe herbeisehne», heißt mit dem Feuer spielen. So
leicht wiederholt sich die Weltgeschichte nicht. Um in eiuer Katastrophe obzusiegen,
muß man der Mittel und der Entschlußkraft sicher sein. Die Verhältnisse im Lande
liegen nicht mehr wie im Jahre 1848 beim Übergang vom absoluten zum konsti¬
tutionellen Staat auf dem immer noch hellglänzenden Hintergrunde der glorreichen
Erhebung von 1813. Wenn wir jetzt einer neuen Katastrophe zutreiben, haben
wir damit zu rechne», daß die Nation vierzig bis fünfzig Jahre des allgemeinen
Stimmrechts und einer recht demokratischen Verfassung hinter sich haben wird, und
daß alle zersetzenden Elemente, die Verbündeten jeder Revolution — man denke
ein die Polen —, stärker als je sind. Weiser ist es jedenfalls, die Dinge so zu
leiten, daß wir einer läuternden Katastrophe nicht erst bedürfen und uns ein Ex¬
periment ersparen, dessen Ausgang jedenfalls ungewiß ist. Auch der Erfolg würde
immerhin manches in Trümmer fallen sehen. Der kluge Mann baut vor. Unter
der Herrschaft unsers Wahlrechts und unsrer Verfassung wird jede Regierung allen
Parteien immer einen viel breitern Spielraum einräumen müssen, als z. B. nnter
der Herrschaft der preußischen Verfassung und des preußischen Wahlrechts nötig
Ware. Aber was sie den Parteien des eignen Landes an freier Bewegung ein¬
räumt, braucht sie doch noch nicht der internationalen Revolution zuzugestehn.
Das Deutsche Reich darf Parteitage wie den Dresdner dulden, Kongresse wie den
Amsterdamer — nicht.

Der schlechte Scherz, den sich ein welfisches Blatt in Form einer „Satire"
auf den Thronwechsel in Mecklenburg-Strelitz erlaubt hatte, ist hie und da auf
vierundzwanzig Stunden ernst genommen worden. Die in dem angeblichen braun-
schweigischen „Protest" verlangten Kautelen gegen eine vom Standpunkt des Reichs-
iutcresses bedenkliche Thronnachfvlge in irgend einen, deutschen Bundesstaate sind
durch die Gesamtheit der deutschen Verhältnisse längst gegeben. Ein Einfluß der
Reichsgewalt auf die Thronfolge in den Einzelstaaten liegt schon in der Bestimmung
des Artikels 1t) der Reichsverfassung, wonach der Kaiser den Mitgliedern des
Bundesrath den üblichen diplomatischen Schutz zu gewähren hat. Damit ist imxlioirs
dem Kaiser das Recht zur Prüfung der Legitimation der Buudesratsmitglieder
gegeben und somit auch das Recht zur Beanstandung ihrer Vollmacht und zur Ver¬
legung dieses Schutzes, falls er, der Kaiser, gegen einen Thronwechsel Bedenken
haben sollte. Die etwa für diesen Fall nötigen Vorkehrungen werden selbstver¬
ständlich nicht erst im letzten Augenblick getroffen, sondern werden wie beim Hin¬
scheiden des letzten Herzogs von Braunschweig von langer Hand her vorbereitet
sein. Es ist aus diesem Grunde auch eine voreilige und zu beanstandende Ver¬
eidigung der Truppen nicht zu befürchten. Die Kommandeure werden in Fällen,
in denen Nechtsbedeukeu oder politische Bedenken in Betracht kämen, jedesmal
rechtzeitig vou Berlin aus mit Instruktion versehen sein. Denn da alle deutschen
Truppen den Fahneneid nicht nur an ihren Landesherrn, sondern auch an den
Kaiser zu leisten haben — Bayern in bedingter Form —, so kaun es ja selbst¬
verständlich für den Kaiser nicht gleichgiltig sein, ob der betreffende Landesherr
Reichs wegen als zulässig gilt oder nicht. In dem letzten Falle würde die
Ableistung des Fahneneides an ihn sicherlich rechtzeitig verhindert werden. Man
ersieht hieraus, daß die Reichsgewalt hinreichend Mittel und Wege hat, der Be¬
anstandung einer Thronfolge den etwa nötigen Nachdruck zu geben, neuer reichs-


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[0551] Maßgebliches und Unmaßgebliches noch zahlreich und stark genug waren, daß sie mit Erfolg an die gesinnungsver- wandten Elemente im Volk appellieren konnten, in denen das schone Wort: Der König rief, und alle, alle kamen! doch noch in der alten Fülle und Kraft lebendig war. Den prägnantesten Ausdruck haben die Verhältnisse jener Tage wohl in den Worten des mutigen Wrangel gefunden, als er bei der Abmeldung bei der Königin Elisabeth auf Schloß Sanssouci vor dem Einmarsch in Berlin im November 1848 der hohen Frau, die ihn unter Tränen bat, kein Blut zu vergießen, erwiderte: „Halten Eure Majestät mir den König nur stramm, das andre wollen wir schou machen!" Heute eine Katastrophe herbeisehne», heißt mit dem Feuer spielen. So leicht wiederholt sich die Weltgeschichte nicht. Um in eiuer Katastrophe obzusiegen, muß man der Mittel und der Entschlußkraft sicher sein. Die Verhältnisse im Lande liegen nicht mehr wie im Jahre 1848 beim Übergang vom absoluten zum konsti¬ tutionellen Staat auf dem immer noch hellglänzenden Hintergrunde der glorreichen Erhebung von 1813. Wenn wir jetzt einer neuen Katastrophe zutreiben, haben wir damit zu rechne», daß die Nation vierzig bis fünfzig Jahre des allgemeinen Stimmrechts und einer recht demokratischen Verfassung hinter sich haben wird, und daß alle zersetzenden Elemente, die Verbündeten jeder Revolution — man denke ein die Polen —, stärker als je sind. Weiser ist es jedenfalls, die Dinge so zu leiten, daß wir einer läuternden Katastrophe nicht erst bedürfen und uns ein Ex¬ periment ersparen, dessen Ausgang jedenfalls ungewiß ist. Auch der Erfolg würde immerhin manches in Trümmer fallen sehen. Der kluge Mann baut vor. Unter der Herrschaft unsers Wahlrechts und unsrer Verfassung wird jede Regierung allen Parteien immer einen viel breitern Spielraum einräumen müssen, als z. B. nnter der Herrschaft der preußischen Verfassung und des preußischen Wahlrechts nötig Ware. Aber was sie den Parteien des eignen Landes an freier Bewegung ein¬ räumt, braucht sie doch noch nicht der internationalen Revolution zuzugestehn. Das Deutsche Reich darf Parteitage wie den Dresdner dulden, Kongresse wie den Amsterdamer — nicht. Der schlechte Scherz, den sich ein welfisches Blatt in Form einer „Satire" auf den Thronwechsel in Mecklenburg-Strelitz erlaubt hatte, ist hie und da auf vierundzwanzig Stunden ernst genommen worden. Die in dem angeblichen braun- schweigischen „Protest" verlangten Kautelen gegen eine vom Standpunkt des Reichs- iutcresses bedenkliche Thronnachfvlge in irgend einen, deutschen Bundesstaate sind durch die Gesamtheit der deutschen Verhältnisse längst gegeben. Ein Einfluß der Reichsgewalt auf die Thronfolge in den Einzelstaaten liegt schon in der Bestimmung des Artikels 1t) der Reichsverfassung, wonach der Kaiser den Mitgliedern des Bundesrath den üblichen diplomatischen Schutz zu gewähren hat. Damit ist imxlioirs dem Kaiser das Recht zur Prüfung der Legitimation der Buudesratsmitglieder gegeben und somit auch das Recht zur Beanstandung ihrer Vollmacht und zur Ver¬ legung dieses Schutzes, falls er, der Kaiser, gegen einen Thronwechsel Bedenken haben sollte. Die etwa für diesen Fall nötigen Vorkehrungen werden selbstver¬ ständlich nicht erst im letzten Augenblick getroffen, sondern werden wie beim Hin¬ scheiden des letzten Herzogs von Braunschweig von langer Hand her vorbereitet sein. Es ist aus diesem Grunde auch eine voreilige und zu beanstandende Ver¬ eidigung der Truppen nicht zu befürchten. Die Kommandeure werden in Fällen, in denen Nechtsbedeukeu oder politische Bedenken in Betracht kämen, jedesmal rechtzeitig vou Berlin aus mit Instruktion versehen sein. Denn da alle deutschen Truppen den Fahneneid nicht nur an ihren Landesherrn, sondern auch an den Kaiser zu leisten haben — Bayern in bedingter Form —, so kaun es ja selbst¬ verständlich für den Kaiser nicht gleichgiltig sein, ob der betreffende Landesherr Reichs wegen als zulässig gilt oder nicht. In dem letzten Falle würde die Ableistung des Fahneneides an ihn sicherlich rechtzeitig verhindert werden. Man ersieht hieraus, daß die Reichsgewalt hinreichend Mittel und Wege hat, der Be¬ anstandung einer Thronfolge den etwa nötigen Nachdruck zu geben, neuer reichs-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_294416/551>, abgerufen am 25.08.2024.