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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr.

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Die kleine Marina und ihr Gemahl

einen tiefen Respekt vor ihrer ausgezeichneten und begabten Schwester, die mit dem
Gesandten des heiligen römischen Reichs am Hofe des allerchristlichsten Königs
vermählt war, und nahm ihren Rat gern an. Zu Bruder Emanuel, der weit
mehr von der Welt gesehen hatte als sie selbst, hatte sie ebenfalls großes Zutrauen,
und sie wie ihr Gatte waren ihm aufrichtig dankbar für die freundliche und gut¬
mütige Weise, in der er mit ihren Kindern verkehrte. Die Herzogin hatte selbst
keine Kenntnis von den deutschen Büchern, die ihr Bruder Marien studieren ließ,
aber sie wußte, daß sie "modern" waren, und sie hatte nichts dagegen, daß ihre
Tochter mit alle" den vielen sonderbaren Dingen vertraut wurde, die eine Dame der
feinen Welt in der jetzigen Zeit wissen mußte, um eine Rolle in den Pariser Salons
spielen zu können. Natürlich mit Maßen! . . . Aber der Marquis von Santa
Cruz, Dona Marias Schwiegervater, war ja selbst "Philosoph," ein "Freund des
Volks" und ein großer Bewundrer ausländischer Kultur -- das Mädchen mußte
ja auch ihm gefallen und den Forderungen entsprechen, die er an sie stellen würde.
Dona Marias Mutter verstand sehr wohl den Wink, den Santa Cruz ihr gegeben
hatte, als er vor der Abreise in ihrer Gegenwart wiederholt seinem eignen Sohn ans
Herz gelegt hatte, seinen Aufenthalt in Paris vor allen Dingen zum Studium zu
verwenden. Und während dieses ganzen Jahres, das der junge Manu mit der
Familie seiner Frau in Frankreich verbracht hatte, hatte er fleißig die Vorlesungen
der berühmten Gelehrten Sigcmd de Lafond und Sahe besucht, wie auch mit aller-
gnädigster Erlaubnis mancherlei chemische Experimente bei Monsieur Mittouart,
dem Leibapothekcr Seiner Majestät König Ludwigs des Sechzehnten, ausgeführt.
Dona Maria Leopoldina de Toledo von Salm-Sulu, Marquise von El Viso -- und
künftig von Santa Cruz -- war ja ausersehen, einen so hohen Platz in der aller-
vornehmsten Sozietät Europas einzunehmen, vielleicht einmal Seiner katholischen
Majestät Ambassadriee in London, ja vielleicht sogar in Wien zu werden, daß sie
-- so begabt, wie Gott in seiner Gnade sie erschaffen hatte! -- weder an Talenten
noch in Kenntnissen hinter irgend jemand zurückstehn durfte. Es entsprach also
dem bestimmten Wunsche ihres Schwiegervaters wie ihrer Eltern, daß das junge
Mädchen jetzt zur "Virtuosin" erzogen wurde, und die Herzogin wachte mit mütter¬
licher Sorgfalt darüber, daß die Tochter in dieser Hinsicht Nutzen zog aus der Zeit,
die sie noch in ihrer Eltern Hause zuzubringen hatte. Der Hanskaplan, Don
Antonio Caranilles, unterrichtete sie täglich in Religion und machte sie vertraut
mit dem Leben der seligen Heiligen und ihren frommen Werken. Unter seiner
Leitung studierte sie auch Botanik und gewann eine gründliche Kenntnis des wohl¬
geordneten, mit seltnen Kvnchylien ausgestatteten Mineralienkabinetts, das sie von
ihrem aufgeklärten Schwiegervater zum Geschenk erhalten hatte. Es war so pittoresk
und so zierlich, daß es großes Aufsehen erregte und sogar in der gelehrten Stadt
Paris viel bewundert wurde. Für deu Geschichtsunterricht -- es handelte sich
natürlich nur um die Geschichte Spaniens und Frankreichs -- hatte man bei einem
bekannten Maler eine ganze Serie wohlkomponierter Genrebilder bestellt, auf die
die Lehrerin Mademoiselle Thouin (die sogar die Herzogin von Chartres in dem¬
selben Fach und nach derselben Methode unterrichtet hatte!) in Schönschrift den
Text geschrieben hatte. Darunter waren Bilder von Karl dem Großen, mit den
französischen Königsinsignien bekleidet; Ferdinand und Jsabella auf einem Thron
scheut, während Kolumbus vor ihnen kniend die Karte von Amerika entrollte;
Karl der Fii"ste im Kloster zu Se. Just (als Lehre und schönes Beispiel irdischer
Große, die sich freiwillig demütigt); Philipp der Fünfte zu Füßen seines ehr¬
würdigen Großvaters, wie er aus seiner Hand die Krone Spaniens empfängt, und
zum Schluß eine Apotheose des bourbonischen Familientraltats und der spanischen
Inschrift: ?"r sanFis 5 amistac! honos nnos -- sowie viele andre, die ebenso schön
Wie lehrreich waren. Grammatik und Orthographie lernte sie nicht -- alle Menschen
schrieben ja, wie sie sprachen, und Dona Maria sprach und schrieb schon fließend
Spanisch und Französisch. Außer Frankreich und Spanien hielt man nur Österreich


Die kleine Marina und ihr Gemahl

einen tiefen Respekt vor ihrer ausgezeichneten und begabten Schwester, die mit dem
Gesandten des heiligen römischen Reichs am Hofe des allerchristlichsten Königs
vermählt war, und nahm ihren Rat gern an. Zu Bruder Emanuel, der weit
mehr von der Welt gesehen hatte als sie selbst, hatte sie ebenfalls großes Zutrauen,
und sie wie ihr Gatte waren ihm aufrichtig dankbar für die freundliche und gut¬
mütige Weise, in der er mit ihren Kindern verkehrte. Die Herzogin hatte selbst
keine Kenntnis von den deutschen Büchern, die ihr Bruder Marien studieren ließ,
aber sie wußte, daß sie „modern" waren, und sie hatte nichts dagegen, daß ihre
Tochter mit alle» den vielen sonderbaren Dingen vertraut wurde, die eine Dame der
feinen Welt in der jetzigen Zeit wissen mußte, um eine Rolle in den Pariser Salons
spielen zu können. Natürlich mit Maßen! . . . Aber der Marquis von Santa
Cruz, Dona Marias Schwiegervater, war ja selbst „Philosoph," ein „Freund des
Volks" und ein großer Bewundrer ausländischer Kultur — das Mädchen mußte
ja auch ihm gefallen und den Forderungen entsprechen, die er an sie stellen würde.
Dona Marias Mutter verstand sehr wohl den Wink, den Santa Cruz ihr gegeben
hatte, als er vor der Abreise in ihrer Gegenwart wiederholt seinem eignen Sohn ans
Herz gelegt hatte, seinen Aufenthalt in Paris vor allen Dingen zum Studium zu
verwenden. Und während dieses ganzen Jahres, das der junge Manu mit der
Familie seiner Frau in Frankreich verbracht hatte, hatte er fleißig die Vorlesungen
der berühmten Gelehrten Sigcmd de Lafond und Sahe besucht, wie auch mit aller-
gnädigster Erlaubnis mancherlei chemische Experimente bei Monsieur Mittouart,
dem Leibapothekcr Seiner Majestät König Ludwigs des Sechzehnten, ausgeführt.
Dona Maria Leopoldina de Toledo von Salm-Sulu, Marquise von El Viso — und
künftig von Santa Cruz — war ja ausersehen, einen so hohen Platz in der aller-
vornehmsten Sozietät Europas einzunehmen, vielleicht einmal Seiner katholischen
Majestät Ambassadriee in London, ja vielleicht sogar in Wien zu werden, daß sie
— so begabt, wie Gott in seiner Gnade sie erschaffen hatte! — weder an Talenten
noch in Kenntnissen hinter irgend jemand zurückstehn durfte. Es entsprach also
dem bestimmten Wunsche ihres Schwiegervaters wie ihrer Eltern, daß das junge
Mädchen jetzt zur „Virtuosin" erzogen wurde, und die Herzogin wachte mit mütter¬
licher Sorgfalt darüber, daß die Tochter in dieser Hinsicht Nutzen zog aus der Zeit,
die sie noch in ihrer Eltern Hause zuzubringen hatte. Der Hanskaplan, Don
Antonio Caranilles, unterrichtete sie täglich in Religion und machte sie vertraut
mit dem Leben der seligen Heiligen und ihren frommen Werken. Unter seiner
Leitung studierte sie auch Botanik und gewann eine gründliche Kenntnis des wohl¬
geordneten, mit seltnen Kvnchylien ausgestatteten Mineralienkabinetts, das sie von
ihrem aufgeklärten Schwiegervater zum Geschenk erhalten hatte. Es war so pittoresk
und so zierlich, daß es großes Aufsehen erregte und sogar in der gelehrten Stadt
Paris viel bewundert wurde. Für deu Geschichtsunterricht — es handelte sich
natürlich nur um die Geschichte Spaniens und Frankreichs — hatte man bei einem
bekannten Maler eine ganze Serie wohlkomponierter Genrebilder bestellt, auf die
die Lehrerin Mademoiselle Thouin (die sogar die Herzogin von Chartres in dem¬
selben Fach und nach derselben Methode unterrichtet hatte!) in Schönschrift den
Text geschrieben hatte. Darunter waren Bilder von Karl dem Großen, mit den
französischen Königsinsignien bekleidet; Ferdinand und Jsabella auf einem Thron
scheut, während Kolumbus vor ihnen kniend die Karte von Amerika entrollte;
Karl der Fii„ste im Kloster zu Se. Just (als Lehre und schönes Beispiel irdischer
Große, die sich freiwillig demütigt); Philipp der Fünfte zu Füßen seines ehr¬
würdigen Großvaters, wie er aus seiner Hand die Krone Spaniens empfängt, und
zum Schluß eine Apotheose des bourbonischen Familientraltats und der spanischen
Inschrift: ?»r sanFis 5 amistac! honos nnos — sowie viele andre, die ebenso schön
Wie lehrreich waren. Grammatik und Orthographie lernte sie nicht — alle Menschen
schrieben ja, wie sie sprachen, und Dona Maria sprach und schrieb schon fließend
Spanisch und Französisch. Außer Frankreich und Spanien hielt man nur Österreich


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[0055] Die kleine Marina und ihr Gemahl einen tiefen Respekt vor ihrer ausgezeichneten und begabten Schwester, die mit dem Gesandten des heiligen römischen Reichs am Hofe des allerchristlichsten Königs vermählt war, und nahm ihren Rat gern an. Zu Bruder Emanuel, der weit mehr von der Welt gesehen hatte als sie selbst, hatte sie ebenfalls großes Zutrauen, und sie wie ihr Gatte waren ihm aufrichtig dankbar für die freundliche und gut¬ mütige Weise, in der er mit ihren Kindern verkehrte. Die Herzogin hatte selbst keine Kenntnis von den deutschen Büchern, die ihr Bruder Marien studieren ließ, aber sie wußte, daß sie „modern" waren, und sie hatte nichts dagegen, daß ihre Tochter mit alle» den vielen sonderbaren Dingen vertraut wurde, die eine Dame der feinen Welt in der jetzigen Zeit wissen mußte, um eine Rolle in den Pariser Salons spielen zu können. Natürlich mit Maßen! . . . Aber der Marquis von Santa Cruz, Dona Marias Schwiegervater, war ja selbst „Philosoph," ein „Freund des Volks" und ein großer Bewundrer ausländischer Kultur — das Mädchen mußte ja auch ihm gefallen und den Forderungen entsprechen, die er an sie stellen würde. Dona Marias Mutter verstand sehr wohl den Wink, den Santa Cruz ihr gegeben hatte, als er vor der Abreise in ihrer Gegenwart wiederholt seinem eignen Sohn ans Herz gelegt hatte, seinen Aufenthalt in Paris vor allen Dingen zum Studium zu verwenden. Und während dieses ganzen Jahres, das der junge Manu mit der Familie seiner Frau in Frankreich verbracht hatte, hatte er fleißig die Vorlesungen der berühmten Gelehrten Sigcmd de Lafond und Sahe besucht, wie auch mit aller- gnädigster Erlaubnis mancherlei chemische Experimente bei Monsieur Mittouart, dem Leibapothekcr Seiner Majestät König Ludwigs des Sechzehnten, ausgeführt. Dona Maria Leopoldina de Toledo von Salm-Sulu, Marquise von El Viso — und künftig von Santa Cruz — war ja ausersehen, einen so hohen Platz in der aller- vornehmsten Sozietät Europas einzunehmen, vielleicht einmal Seiner katholischen Majestät Ambassadriee in London, ja vielleicht sogar in Wien zu werden, daß sie — so begabt, wie Gott in seiner Gnade sie erschaffen hatte! — weder an Talenten noch in Kenntnissen hinter irgend jemand zurückstehn durfte. Es entsprach also dem bestimmten Wunsche ihres Schwiegervaters wie ihrer Eltern, daß das junge Mädchen jetzt zur „Virtuosin" erzogen wurde, und die Herzogin wachte mit mütter¬ licher Sorgfalt darüber, daß die Tochter in dieser Hinsicht Nutzen zog aus der Zeit, die sie noch in ihrer Eltern Hause zuzubringen hatte. Der Hanskaplan, Don Antonio Caranilles, unterrichtete sie täglich in Religion und machte sie vertraut mit dem Leben der seligen Heiligen und ihren frommen Werken. Unter seiner Leitung studierte sie auch Botanik und gewann eine gründliche Kenntnis des wohl¬ geordneten, mit seltnen Kvnchylien ausgestatteten Mineralienkabinetts, das sie von ihrem aufgeklärten Schwiegervater zum Geschenk erhalten hatte. Es war so pittoresk und so zierlich, daß es großes Aufsehen erregte und sogar in der gelehrten Stadt Paris viel bewundert wurde. Für deu Geschichtsunterricht — es handelte sich natürlich nur um die Geschichte Spaniens und Frankreichs — hatte man bei einem bekannten Maler eine ganze Serie wohlkomponierter Genrebilder bestellt, auf die die Lehrerin Mademoiselle Thouin (die sogar die Herzogin von Chartres in dem¬ selben Fach und nach derselben Methode unterrichtet hatte!) in Schönschrift den Text geschrieben hatte. Darunter waren Bilder von Karl dem Großen, mit den französischen Königsinsignien bekleidet; Ferdinand und Jsabella auf einem Thron scheut, während Kolumbus vor ihnen kniend die Karte von Amerika entrollte; Karl der Fii„ste im Kloster zu Se. Just (als Lehre und schönes Beispiel irdischer Große, die sich freiwillig demütigt); Philipp der Fünfte zu Füßen seines ehr¬ würdigen Großvaters, wie er aus seiner Hand die Krone Spaniens empfängt, und zum Schluß eine Apotheose des bourbonischen Familientraltats und der spanischen Inschrift: ?»r sanFis 5 amistac! honos nnos — sowie viele andre, die ebenso schön Wie lehrreich waren. Grammatik und Orthographie lernte sie nicht — alle Menschen schrieben ja, wie sie sprachen, und Dona Maria sprach und schrieb schon fließend Spanisch und Französisch. Außer Frankreich und Spanien hielt man nur Österreich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_294416/55>, abgerufen am 23.07.2024.