Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr.hinweg zum niederdeutschen "Jochen" als Bezeichnung für den Wein vorkommt, jedoch Wenden wir uns von diesen, den etymologisch nicht geschulten Betrachter nur Gewisse Eigennamen, besonders die einst bei unsern Vorfahren so ziemlich am hinweg zum niederdeutschen „Jochen" als Bezeichnung für den Wein vorkommt, jedoch Wenden wir uns von diesen, den etymologisch nicht geschulten Betrachter nur Gewisse Eigennamen, besonders die einst bei unsern Vorfahren so ziemlich am <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0534" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/294951"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_2333" prev="#ID_2332"> hinweg zum niederdeutschen „Jochen" als Bezeichnung für den Wein vorkommt, jedoch<lb/> nur eine Umdeutschung aus dem hebräischen ^liM (in jüd. Aussprache ^Hin) ist (vgl.<lb/> auch „Fünkeljohann," „Finkeljochen" u. n. in. für Branntwein, von funkeln,<lb/> finkeln szu Funkej, sieden, kochen).</p><lb/> <p xml:id="ID_2334"> Wenden wir uns von diesen, den etymologisch nicht geschulten Betrachter nur<lb/> zu leicht irreleitenden Wortspielen zu den wirklichen Eigennamen, so finden wir auch<lb/> sie auf die mannigfachste Weise zur Bildung neuer Gaunerwörter verwertet. An<lb/> die Spitze mochte ich die Verallgemeinerung einzelner Vornamen zur Kennzeichnung<lb/> ganzer Personengruppen stellen, nach der Art etwa, wie unsre Offiziere von „feinen<lb/> Emils" sprechen, oder wie wir wohl allgemein „Jean" für den Kellner, „Louis" für<lb/> den Zuhälter gebrauchen. Dieser letzte Name entstammt der Gaunersprache, die<lb/> dafür zuweilen auch mit Alphons wechselt, während Laura für das Freuden¬<lb/> mädchen (vgl. französ. Gaunerargot: I-uro, Bordell), Trine (in neuerer Zeit)<lb/> schlechthin für Mädchen, Hanne(s), Hans oder Damian (mit Anklang an dämlich,<lb/> in der Kuudensprache) wohl für einen einfältigen Tölpel vorkommt; ja schon der I^ibsr<lb/> Vassatorum hat Christian für Jakobsbruder, d. h. den Pilger zu dem heiligen Jakob<lb/> von Campostella verzeichnet. Beliebter sind aber auch auf diesem Gebiete die zu¬<lb/> sammengesetzten Formen. Wie wir in der gewöhnlichen Unigangssprache zuweilen ge¬<lb/> wisse Eigenschaften unsrer Mitmenschen oder mich einzelne Berufe durch Anhängung<lb/> bestimmter Personennamen charakterisieren und danach zum Beispiel einen dummen<lb/> Peter, Trödel- oder Nölpeter (vgl. auch „Struwelpeter"), eine einfältige Trine<lb/> oder Suse, eine Heullise, einen Prahlhans, Faselhans oder Prozeßhansl, einen<lb/> Zornnickel (fübt. von Nikolaus) und Schmntzbarthel, dann auch einen Zigarren-<lb/> fritzen, Kahufriedel (nordd.) oder eine Harfenjule (herum.) kennen, so weist auch das<lb/> Notwelsch ähnliches auf. Hier begegnen wir u. a. einem „Achelverer," d. h. dem<lb/> alten, sozusagen arbeitsunfähig gewordnen Gauner, der nichts weiter mehr als<lb/> „anheim," essen, kann und daher auch wohl „Totesser" genannt wird, während der<lb/> beginnende, noch ungeschickte Vagabund „Linkmichel," der Verräter eines Genossen<lb/> aber „Zehkemhans" (neben: „Zehkemkatze") oder auch „Kapphans" (wohl vom<lb/> tat. eaxei'o, fangen) heißt. „Blechseppel" (Deminutivform von Joseph) findet sich<lb/> in einigen neuern Wörtersammlungen für dummer Gimpel. Die Berufsarten sind<lb/> vertreten zum Beispiel mit Nospelpeter, der Besenbinder, Flurmichel, der<lb/> Feldschütz, Postjokel, der Postknecht, Hans Hände, der Bauer, Stechhans, der<lb/> Schneider, Kappenhans, der Kapuziner (entsprechend dem fübt. Gugelfranz für<lb/> Franziskaner), GrillenHans, der Gelehrte. Endlich seien noch einige in neuerer<lb/> Zeit aufgekommene Zusammensetzungen mit Eigennamen für Polizisten, Gendarmen<lb/> usw. erwähnt, wie der sonderbare „Klempners Karl," der vielleicht als der<lb/> Mann (Kerl, Karl) zu deuten ist, der die Gauner klemmt, d. h. fängt oder in das<lb/> „Klemens" (Gefängnis) abführt (vgl. Klemscr — Schutze, Vogt) und übrigens<lb/> Seitenstücke in „Schallers Karl" für Lehrer, Kantor, sowie in dem „edarlv)'"<lb/> des englischen Cent für Polizist hat, ferner der „Lattenseppel," der wohl zuerst<lb/> in Berlin aufgekommene „blanke (auch weiße oder gelbe) August" (für den Gen¬<lb/> darm, je nachdem er weißes oder gelbes Riemenzeug trägt) und der „Schmier¬<lb/> michel" (für Kriminalbeamter in Hamburg), der nach dem „Schmiere stehn," für<lb/> Wache halten gebildet zu sein scheint (vgl. noch im saltem^ engl. Cent: Robin-<lb/> i-öäbröÄLt, Polizist, s^im neuern Slang: Robsr^ und ^vian^ vvrb^, verunstaltet aus<lb/> dem franz. Nsnclarmczs).</p><lb/> <p xml:id="ID_2335" next="#ID_2336"> Gewisse Eigennamen, besonders die einst bei unsern Vorfahren so ziemlich am<lb/> verbreitetsten gewesenen, Hans und Michel kommen dann auch zur Bezeichnung<lb/> von Tieren oder (öfter) von leblosen Gegenständen vor, und zwar zuweilen für sich<lb/> allein (wie z. B. Hansel für Kasten, Truhe, Michel für Säge, Messer, Degen,<lb/> Richtschwert, Jäckel, Wohl Deminutivform von Jakob, für Opferstock in der Ver¬<lb/> bindung „dem Jäckel das Eingeweide ausnehmen" für: die Opferstöcke plündern,<lb/> Uarjojline, modern für Schnapsflasche), häufiger aber in bestimmten Zusammen-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0534]
hinweg zum niederdeutschen „Jochen" als Bezeichnung für den Wein vorkommt, jedoch
nur eine Umdeutschung aus dem hebräischen ^liM (in jüd. Aussprache ^Hin) ist (vgl.
auch „Fünkeljohann," „Finkeljochen" u. n. in. für Branntwein, von funkeln,
finkeln szu Funkej, sieden, kochen).
Wenden wir uns von diesen, den etymologisch nicht geschulten Betrachter nur
zu leicht irreleitenden Wortspielen zu den wirklichen Eigennamen, so finden wir auch
sie auf die mannigfachste Weise zur Bildung neuer Gaunerwörter verwertet. An
die Spitze mochte ich die Verallgemeinerung einzelner Vornamen zur Kennzeichnung
ganzer Personengruppen stellen, nach der Art etwa, wie unsre Offiziere von „feinen
Emils" sprechen, oder wie wir wohl allgemein „Jean" für den Kellner, „Louis" für
den Zuhälter gebrauchen. Dieser letzte Name entstammt der Gaunersprache, die
dafür zuweilen auch mit Alphons wechselt, während Laura für das Freuden¬
mädchen (vgl. französ. Gaunerargot: I-uro, Bordell), Trine (in neuerer Zeit)
schlechthin für Mädchen, Hanne(s), Hans oder Damian (mit Anklang an dämlich,
in der Kuudensprache) wohl für einen einfältigen Tölpel vorkommt; ja schon der I^ibsr
Vassatorum hat Christian für Jakobsbruder, d. h. den Pilger zu dem heiligen Jakob
von Campostella verzeichnet. Beliebter sind aber auch auf diesem Gebiete die zu¬
sammengesetzten Formen. Wie wir in der gewöhnlichen Unigangssprache zuweilen ge¬
wisse Eigenschaften unsrer Mitmenschen oder mich einzelne Berufe durch Anhängung
bestimmter Personennamen charakterisieren und danach zum Beispiel einen dummen
Peter, Trödel- oder Nölpeter (vgl. auch „Struwelpeter"), eine einfältige Trine
oder Suse, eine Heullise, einen Prahlhans, Faselhans oder Prozeßhansl, einen
Zornnickel (fübt. von Nikolaus) und Schmntzbarthel, dann auch einen Zigarren-
fritzen, Kahufriedel (nordd.) oder eine Harfenjule (herum.) kennen, so weist auch das
Notwelsch ähnliches auf. Hier begegnen wir u. a. einem „Achelverer," d. h. dem
alten, sozusagen arbeitsunfähig gewordnen Gauner, der nichts weiter mehr als
„anheim," essen, kann und daher auch wohl „Totesser" genannt wird, während der
beginnende, noch ungeschickte Vagabund „Linkmichel," der Verräter eines Genossen
aber „Zehkemhans" (neben: „Zehkemkatze") oder auch „Kapphans" (wohl vom
tat. eaxei'o, fangen) heißt. „Blechseppel" (Deminutivform von Joseph) findet sich
in einigen neuern Wörtersammlungen für dummer Gimpel. Die Berufsarten sind
vertreten zum Beispiel mit Nospelpeter, der Besenbinder, Flurmichel, der
Feldschütz, Postjokel, der Postknecht, Hans Hände, der Bauer, Stechhans, der
Schneider, Kappenhans, der Kapuziner (entsprechend dem fübt. Gugelfranz für
Franziskaner), GrillenHans, der Gelehrte. Endlich seien noch einige in neuerer
Zeit aufgekommene Zusammensetzungen mit Eigennamen für Polizisten, Gendarmen
usw. erwähnt, wie der sonderbare „Klempners Karl," der vielleicht als der
Mann (Kerl, Karl) zu deuten ist, der die Gauner klemmt, d. h. fängt oder in das
„Klemens" (Gefängnis) abführt (vgl. Klemscr — Schutze, Vogt) und übrigens
Seitenstücke in „Schallers Karl" für Lehrer, Kantor, sowie in dem „edarlv)'"
des englischen Cent für Polizist hat, ferner der „Lattenseppel," der wohl zuerst
in Berlin aufgekommene „blanke (auch weiße oder gelbe) August" (für den Gen¬
darm, je nachdem er weißes oder gelbes Riemenzeug trägt) und der „Schmier¬
michel" (für Kriminalbeamter in Hamburg), der nach dem „Schmiere stehn," für
Wache halten gebildet zu sein scheint (vgl. noch im saltem^ engl. Cent: Robin-
i-öäbröÄLt, Polizist, s^im neuern Slang: Robsr^ und ^vian^ vvrb^, verunstaltet aus
dem franz. Nsnclarmczs).
Gewisse Eigennamen, besonders die einst bei unsern Vorfahren so ziemlich am
verbreitetsten gewesenen, Hans und Michel kommen dann auch zur Bezeichnung
von Tieren oder (öfter) von leblosen Gegenständen vor, und zwar zuweilen für sich
allein (wie z. B. Hansel für Kasten, Truhe, Michel für Säge, Messer, Degen,
Richtschwert, Jäckel, Wohl Deminutivform von Jakob, für Opferstock in der Ver¬
bindung „dem Jäckel das Eingeweide ausnehmen" für: die Opferstöcke plündern,
Uarjojline, modern für Schnapsflasche), häufiger aber in bestimmten Zusammen-
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