Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Maßgebliches und Unmaßgebliches

der beiden Dichter dargestellt, darin übrigens auch auf den genannten Grenzboten¬
artikel Bezug genommen. Jeder Hinweis auf Lauchstedts Bedeutung für Schiller
und Goethe ist mit Rücksicht auf diese neuesten Veröffentlichungen vollkommen über¬
flüssig, und es handelt sich nur um die Frage, ob die Vernichtung dieser geweihten
Stätten gerechtfertigt werden kann.

Seit Jahren sind die deutschen Bundesstaaten, die Geschichts- und Altertums¬
vereine und die Gelehrten bemüht, ein Denkmalschutzgesetz zustande zu bringen, um
endlich einmal den vielen unerhörten Zerstörungen wertvoller Kunst- und Bau¬
denkmäler Einhalt zu tun; es ist bisher noch nicht gelungen, ein solches einheit¬
liches Gesetz fertigzustellen; einige Staaten haben Sondergesetze geschaffen, zum
Beispiel Hessen, andre begnügen sich einstweilen mit den bestehenden Verordnungen
oder erlassen neue Bestimmungen für den Denkmalschutz. So behandelt ein gemein¬
samer Erlaß der preußische" Minister der geistlichen usw. Angelegenheiten und der
öffentlichen Arbeiten, der im Mai dieses Jahres an die preußischen Regierungs¬
präsidenten ergangen und zugleich den Oberpräsidenten, den Provinzialkonservatoren,
dem Evangelischen Oberkirchenrat und den königlichen Konsistorien mitgeteilt worden
ist, auf dessen Beachtung also großer Wert gelegt wird, die Förderung der
Denkmalpflege. Gleich im ersten Satze dieses Erlasses steht mit klaren Worten,
daß zu den Denkmälern alle Reste vergangner Kunstperioden gehören, wenn sie
entweder rein geschichtlich oder zum Verständnis der Kultur und der Kunstauffassuug
vergangner Zeitläufte wichtig, ebenso auch wenn sie von malerischer Bedeutung für
das Bild eines Ortes oder einer Landschaft sind. Es ist nicht schwer, unter diesen
Begriff der Denkmäler die Lauchstedter Badegebäude, besonders das Theater unter¬
zubringen, das zweifellos für die "Kunstauffassung vergangner Zeitläufte" wichtig
ist. Denn abgesehen davon, daß das einfache Gebäude im Gegensatz zu unsern
Theaterpalästen den Beweis bringt, daß große Stücke auch auf kleinen Bühnen
aufgeführt werden können und den Dichter und Zuschauer befriedigen, ist für das
Lauchstedter Theater noch zu bedenken, daß Goethe selbst im Jahre 1802 den Bau
geleitet und zu dessen Einweihung das Vorspiel: Was wir bringen -- eigens ge-
dichtet hat. Er hatte mit dem Bau große Mühe, da der weimarische Hof An¬
sprüche ans den Grund und Boden machte, der von Rechts wegen dem Kurfürsten
Friedrich August dem Dritten von Sachsen gehörte. Amt und Stadt Lauchstedt
waren von alters her ein Teil des Stifts Merseburg, fielen 1660 an das Herzog¬
tum Sachsen-Merseburg und 1738 an den Kurfürsten Friedrich August den Zweiten,
dessen Nachfolger Friedrich August der Dritte unter andern auch das Stift Merse¬
burg im Jahre 1815 an Preußen abtreten mußte. Fast fünf Jahre zogen sich die
Verhandlungen über den Grunderwerb hin, und Goethe als echter Hofmann ver¬
säumte zwar nicht, den beiden Fürsten bei der Einweihungsfeierlichkeit in einigen
Versen den schuldigen Dank auszusprechen, aber zugleich schrieb er an Zelter: "In
Lauchstedt hatte ich dem Bau eines neuen Theaters vorzustehn und die Eröffnung
desselben einzuleiten, wobei denn Wie gewöhnlich in solchen Fällen für das Ver¬
gnügen andrer mit wenig eignem Vergnügen zu sorgen war" (Nasemann S. 42).
In diesem Hause der Kunst, worin nach der heutigen Ausdrucksweise Schillersche
und Goethische Premieren aufgeführt wurden, die nebenbei die Theaterkasse so
herrlich füllten, daß Schiller gelegentlich äußerte: "Das ischt ja heute wieder eine
recht gute Einnahme! Ich habe an Goethe geschrieben, daß wir recht gute Ge¬
schäfte machen" -- in diesem Theater waren beide Dichter heimisch, mochten sie
vom Balkon dem Spiele zusehen oder auf der Bühne selbst in den Proben den
ihnen befreundeten weimarischen Schauspielern Anleitung geben. Von Halle, Leipzig
und aus der ganzen Umgegend strömte man herbei, den Vorstellungen beizuwohnen;
die Hallischen Studenten hatten im Lauchstedter Theater ein ähnliches Recht wie
die Jenaer in Weimar, wenn sie sich auch nicht immer ordnungsmäßig benahmen.
"Sobald das Theater in Lauchstedt eröffnet worden ist -- heißt es in einem Be¬
richt --, scheint die ganze Hallische Studenten- und Bürgerschaft von einem ciel-


Maßgebliches und Unmaßgebliches

der beiden Dichter dargestellt, darin übrigens auch auf den genannten Grenzboten¬
artikel Bezug genommen. Jeder Hinweis auf Lauchstedts Bedeutung für Schiller
und Goethe ist mit Rücksicht auf diese neuesten Veröffentlichungen vollkommen über¬
flüssig, und es handelt sich nur um die Frage, ob die Vernichtung dieser geweihten
Stätten gerechtfertigt werden kann.

Seit Jahren sind die deutschen Bundesstaaten, die Geschichts- und Altertums¬
vereine und die Gelehrten bemüht, ein Denkmalschutzgesetz zustande zu bringen, um
endlich einmal den vielen unerhörten Zerstörungen wertvoller Kunst- und Bau¬
denkmäler Einhalt zu tun; es ist bisher noch nicht gelungen, ein solches einheit¬
liches Gesetz fertigzustellen; einige Staaten haben Sondergesetze geschaffen, zum
Beispiel Hessen, andre begnügen sich einstweilen mit den bestehenden Verordnungen
oder erlassen neue Bestimmungen für den Denkmalschutz. So behandelt ein gemein¬
samer Erlaß der preußische» Minister der geistlichen usw. Angelegenheiten und der
öffentlichen Arbeiten, der im Mai dieses Jahres an die preußischen Regierungs¬
präsidenten ergangen und zugleich den Oberpräsidenten, den Provinzialkonservatoren,
dem Evangelischen Oberkirchenrat und den königlichen Konsistorien mitgeteilt worden
ist, auf dessen Beachtung also großer Wert gelegt wird, die Förderung der
Denkmalpflege. Gleich im ersten Satze dieses Erlasses steht mit klaren Worten,
daß zu den Denkmälern alle Reste vergangner Kunstperioden gehören, wenn sie
entweder rein geschichtlich oder zum Verständnis der Kultur und der Kunstauffassuug
vergangner Zeitläufte wichtig, ebenso auch wenn sie von malerischer Bedeutung für
das Bild eines Ortes oder einer Landschaft sind. Es ist nicht schwer, unter diesen
Begriff der Denkmäler die Lauchstedter Badegebäude, besonders das Theater unter¬
zubringen, das zweifellos für die „Kunstauffassung vergangner Zeitläufte" wichtig
ist. Denn abgesehen davon, daß das einfache Gebäude im Gegensatz zu unsern
Theaterpalästen den Beweis bringt, daß große Stücke auch auf kleinen Bühnen
aufgeführt werden können und den Dichter und Zuschauer befriedigen, ist für das
Lauchstedter Theater noch zu bedenken, daß Goethe selbst im Jahre 1802 den Bau
geleitet und zu dessen Einweihung das Vorspiel: Was wir bringen — eigens ge-
dichtet hat. Er hatte mit dem Bau große Mühe, da der weimarische Hof An¬
sprüche ans den Grund und Boden machte, der von Rechts wegen dem Kurfürsten
Friedrich August dem Dritten von Sachsen gehörte. Amt und Stadt Lauchstedt
waren von alters her ein Teil des Stifts Merseburg, fielen 1660 an das Herzog¬
tum Sachsen-Merseburg und 1738 an den Kurfürsten Friedrich August den Zweiten,
dessen Nachfolger Friedrich August der Dritte unter andern auch das Stift Merse¬
burg im Jahre 1815 an Preußen abtreten mußte. Fast fünf Jahre zogen sich die
Verhandlungen über den Grunderwerb hin, und Goethe als echter Hofmann ver¬
säumte zwar nicht, den beiden Fürsten bei der Einweihungsfeierlichkeit in einigen
Versen den schuldigen Dank auszusprechen, aber zugleich schrieb er an Zelter: „In
Lauchstedt hatte ich dem Bau eines neuen Theaters vorzustehn und die Eröffnung
desselben einzuleiten, wobei denn Wie gewöhnlich in solchen Fällen für das Ver¬
gnügen andrer mit wenig eignem Vergnügen zu sorgen war" (Nasemann S. 42).
In diesem Hause der Kunst, worin nach der heutigen Ausdrucksweise Schillersche
und Goethische Premieren aufgeführt wurden, die nebenbei die Theaterkasse so
herrlich füllten, daß Schiller gelegentlich äußerte: „Das ischt ja heute wieder eine
recht gute Einnahme! Ich habe an Goethe geschrieben, daß wir recht gute Ge¬
schäfte machen" — in diesem Theater waren beide Dichter heimisch, mochten sie
vom Balkon dem Spiele zusehen oder auf der Bühne selbst in den Proben den
ihnen befreundeten weimarischen Schauspielern Anleitung geben. Von Halle, Leipzig
und aus der ganzen Umgegend strömte man herbei, den Vorstellungen beizuwohnen;
die Hallischen Studenten hatten im Lauchstedter Theater ein ähnliches Recht wie
die Jenaer in Weimar, wenn sie sich auch nicht immer ordnungsmäßig benahmen.
„Sobald das Theater in Lauchstedt eröffnet worden ist — heißt es in einem Be¬
richt —, scheint die ganze Hallische Studenten- und Bürgerschaft von einem ciel-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0494" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/294911"/>
            <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_2223" prev="#ID_2222"> der beiden Dichter dargestellt, darin übrigens auch auf den genannten Grenzboten¬<lb/>
artikel Bezug genommen. Jeder Hinweis auf Lauchstedts Bedeutung für Schiller<lb/>
und Goethe ist mit Rücksicht auf diese neuesten Veröffentlichungen vollkommen über¬<lb/>
flüssig, und es handelt sich nur um die Frage, ob die Vernichtung dieser geweihten<lb/>
Stätten gerechtfertigt werden kann.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2224" next="#ID_2225"> Seit Jahren sind die deutschen Bundesstaaten, die Geschichts- und Altertums¬<lb/>
vereine und die Gelehrten bemüht, ein Denkmalschutzgesetz zustande zu bringen, um<lb/>
endlich einmal den vielen unerhörten Zerstörungen wertvoller Kunst- und Bau¬<lb/>
denkmäler Einhalt zu tun; es ist bisher noch nicht gelungen, ein solches einheit¬<lb/>
liches Gesetz fertigzustellen; einige Staaten haben Sondergesetze geschaffen, zum<lb/>
Beispiel Hessen, andre begnügen sich einstweilen mit den bestehenden Verordnungen<lb/>
oder erlassen neue Bestimmungen für den Denkmalschutz. So behandelt ein gemein¬<lb/>
samer Erlaß der preußische» Minister der geistlichen usw. Angelegenheiten und der<lb/>
öffentlichen Arbeiten, der im Mai dieses Jahres an die preußischen Regierungs¬<lb/>
präsidenten ergangen und zugleich den Oberpräsidenten, den Provinzialkonservatoren,<lb/>
dem Evangelischen Oberkirchenrat und den königlichen Konsistorien mitgeteilt worden<lb/>
ist, auf dessen Beachtung also großer Wert gelegt wird, die Förderung der<lb/>
Denkmalpflege.  Gleich im ersten Satze dieses Erlasses steht mit klaren Worten,<lb/>
daß zu den Denkmälern alle Reste vergangner Kunstperioden gehören, wenn sie<lb/>
entweder rein geschichtlich oder zum Verständnis der Kultur und der Kunstauffassuug<lb/>
vergangner Zeitläufte wichtig, ebenso auch wenn sie von malerischer Bedeutung für<lb/>
das Bild eines Ortes oder einer Landschaft sind. Es ist nicht schwer, unter diesen<lb/>
Begriff der Denkmäler die Lauchstedter Badegebäude, besonders das Theater unter¬<lb/>
zubringen, das zweifellos für die &#x201E;Kunstauffassung vergangner Zeitläufte" wichtig<lb/>
ist.  Denn abgesehen davon, daß das einfache Gebäude im Gegensatz zu unsern<lb/>
Theaterpalästen den Beweis bringt, daß große Stücke auch auf kleinen Bühnen<lb/>
aufgeführt werden können und den Dichter und Zuschauer befriedigen, ist für das<lb/>
Lauchstedter Theater noch zu bedenken, daß Goethe selbst im Jahre 1802 den Bau<lb/>
geleitet und zu dessen Einweihung das Vorspiel: Was wir bringen &#x2014; eigens ge-<lb/>
dichtet hat.  Er hatte mit dem Bau große Mühe, da der weimarische Hof An¬<lb/>
sprüche ans den Grund und Boden machte, der von Rechts wegen dem Kurfürsten<lb/>
Friedrich August dem Dritten von Sachsen gehörte.  Amt und Stadt Lauchstedt<lb/>
waren von alters her ein Teil des Stifts Merseburg, fielen 1660 an das Herzog¬<lb/>
tum Sachsen-Merseburg und 1738 an den Kurfürsten Friedrich August den Zweiten,<lb/>
dessen Nachfolger Friedrich August der Dritte unter andern auch das Stift Merse¬<lb/>
burg im Jahre 1815 an Preußen abtreten mußte. Fast fünf Jahre zogen sich die<lb/>
Verhandlungen über den Grunderwerb hin, und Goethe als echter Hofmann ver¬<lb/>
säumte zwar nicht, den beiden Fürsten bei der Einweihungsfeierlichkeit in einigen<lb/>
Versen den schuldigen Dank auszusprechen, aber zugleich schrieb er an Zelter: &#x201E;In<lb/>
Lauchstedt hatte ich dem Bau eines neuen Theaters vorzustehn und die Eröffnung<lb/>
desselben einzuleiten, wobei denn Wie gewöhnlich in solchen Fällen für das Ver¬<lb/>
gnügen andrer mit wenig eignem Vergnügen zu sorgen war" (Nasemann S. 42).<lb/>
In diesem Hause der Kunst, worin nach der heutigen Ausdrucksweise Schillersche<lb/>
und Goethische Premieren aufgeführt wurden, die nebenbei die Theaterkasse so<lb/>
herrlich füllten, daß Schiller gelegentlich äußerte: &#x201E;Das ischt ja heute wieder eine<lb/>
recht gute Einnahme!  Ich habe an Goethe geschrieben, daß wir recht gute Ge¬<lb/>
schäfte machen" &#x2014; in diesem Theater waren beide Dichter heimisch, mochten sie<lb/>
vom Balkon dem Spiele zusehen oder auf der Bühne selbst in den Proben den<lb/>
ihnen befreundeten weimarischen Schauspielern Anleitung geben. Von Halle, Leipzig<lb/>
und aus der ganzen Umgegend strömte man herbei, den Vorstellungen beizuwohnen;<lb/>
die Hallischen Studenten hatten im Lauchstedter Theater ein ähnliches Recht wie<lb/>
die Jenaer in Weimar, wenn sie sich auch nicht immer ordnungsmäßig benahmen.<lb/>
&#x201E;Sobald das Theater in Lauchstedt eröffnet worden ist &#x2014; heißt es in einem Be¬<lb/>
richt &#x2014;, scheint die ganze Hallische Studenten- und Bürgerschaft von einem ciel-</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0494] Maßgebliches und Unmaßgebliches der beiden Dichter dargestellt, darin übrigens auch auf den genannten Grenzboten¬ artikel Bezug genommen. Jeder Hinweis auf Lauchstedts Bedeutung für Schiller und Goethe ist mit Rücksicht auf diese neuesten Veröffentlichungen vollkommen über¬ flüssig, und es handelt sich nur um die Frage, ob die Vernichtung dieser geweihten Stätten gerechtfertigt werden kann. Seit Jahren sind die deutschen Bundesstaaten, die Geschichts- und Altertums¬ vereine und die Gelehrten bemüht, ein Denkmalschutzgesetz zustande zu bringen, um endlich einmal den vielen unerhörten Zerstörungen wertvoller Kunst- und Bau¬ denkmäler Einhalt zu tun; es ist bisher noch nicht gelungen, ein solches einheit¬ liches Gesetz fertigzustellen; einige Staaten haben Sondergesetze geschaffen, zum Beispiel Hessen, andre begnügen sich einstweilen mit den bestehenden Verordnungen oder erlassen neue Bestimmungen für den Denkmalschutz. So behandelt ein gemein¬ samer Erlaß der preußische» Minister der geistlichen usw. Angelegenheiten und der öffentlichen Arbeiten, der im Mai dieses Jahres an die preußischen Regierungs¬ präsidenten ergangen und zugleich den Oberpräsidenten, den Provinzialkonservatoren, dem Evangelischen Oberkirchenrat und den königlichen Konsistorien mitgeteilt worden ist, auf dessen Beachtung also großer Wert gelegt wird, die Förderung der Denkmalpflege. Gleich im ersten Satze dieses Erlasses steht mit klaren Worten, daß zu den Denkmälern alle Reste vergangner Kunstperioden gehören, wenn sie entweder rein geschichtlich oder zum Verständnis der Kultur und der Kunstauffassuug vergangner Zeitläufte wichtig, ebenso auch wenn sie von malerischer Bedeutung für das Bild eines Ortes oder einer Landschaft sind. Es ist nicht schwer, unter diesen Begriff der Denkmäler die Lauchstedter Badegebäude, besonders das Theater unter¬ zubringen, das zweifellos für die „Kunstauffassung vergangner Zeitläufte" wichtig ist. Denn abgesehen davon, daß das einfache Gebäude im Gegensatz zu unsern Theaterpalästen den Beweis bringt, daß große Stücke auch auf kleinen Bühnen aufgeführt werden können und den Dichter und Zuschauer befriedigen, ist für das Lauchstedter Theater noch zu bedenken, daß Goethe selbst im Jahre 1802 den Bau geleitet und zu dessen Einweihung das Vorspiel: Was wir bringen — eigens ge- dichtet hat. Er hatte mit dem Bau große Mühe, da der weimarische Hof An¬ sprüche ans den Grund und Boden machte, der von Rechts wegen dem Kurfürsten Friedrich August dem Dritten von Sachsen gehörte. Amt und Stadt Lauchstedt waren von alters her ein Teil des Stifts Merseburg, fielen 1660 an das Herzog¬ tum Sachsen-Merseburg und 1738 an den Kurfürsten Friedrich August den Zweiten, dessen Nachfolger Friedrich August der Dritte unter andern auch das Stift Merse¬ burg im Jahre 1815 an Preußen abtreten mußte. Fast fünf Jahre zogen sich die Verhandlungen über den Grunderwerb hin, und Goethe als echter Hofmann ver¬ säumte zwar nicht, den beiden Fürsten bei der Einweihungsfeierlichkeit in einigen Versen den schuldigen Dank auszusprechen, aber zugleich schrieb er an Zelter: „In Lauchstedt hatte ich dem Bau eines neuen Theaters vorzustehn und die Eröffnung desselben einzuleiten, wobei denn Wie gewöhnlich in solchen Fällen für das Ver¬ gnügen andrer mit wenig eignem Vergnügen zu sorgen war" (Nasemann S. 42). In diesem Hause der Kunst, worin nach der heutigen Ausdrucksweise Schillersche und Goethische Premieren aufgeführt wurden, die nebenbei die Theaterkasse so herrlich füllten, daß Schiller gelegentlich äußerte: „Das ischt ja heute wieder eine recht gute Einnahme! Ich habe an Goethe geschrieben, daß wir recht gute Ge¬ schäfte machen" — in diesem Theater waren beide Dichter heimisch, mochten sie vom Balkon dem Spiele zusehen oder auf der Bühne selbst in den Proben den ihnen befreundeten weimarischen Schauspielern Anleitung geben. Von Halle, Leipzig und aus der ganzen Umgegend strömte man herbei, den Vorstellungen beizuwohnen; die Hallischen Studenten hatten im Lauchstedter Theater ein ähnliches Recht wie die Jenaer in Weimar, wenn sie sich auch nicht immer ordnungsmäßig benahmen. „Sobald das Theater in Lauchstedt eröffnet worden ist — heißt es in einem Be¬ richt —, scheint die ganze Hallische Studenten- und Bürgerschaft von einem ciel-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_294416
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_294416/494
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_294416/494>, abgerufen am 23.07.2024.