Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr.Wanderungen in der Niederlausitz Tagen des Pförtner Glanzes vor dem siebenjährigen Kriege war das anders. Aber nicht immer liegt der Abglanz höfischer Feste ans den Gesichtern der in Das Schloß, das diese kaleidoskopartig wechselnden Bilder gesehen hat, besteht Es wurde uns nicht ganz leicht gemacht, ins Innere des Schlosses vorzu¬ Wanderungen in der Niederlausitz Tagen des Pförtner Glanzes vor dem siebenjährigen Kriege war das anders. Aber nicht immer liegt der Abglanz höfischer Feste ans den Gesichtern der in Das Schloß, das diese kaleidoskopartig wechselnden Bilder gesehen hat, besteht Es wurde uns nicht ganz leicht gemacht, ins Innere des Schlosses vorzu¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0415" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/294832"/> <fw type="header" place="top"> Wanderungen in der Niederlausitz</fw><lb/> <p xml:id="ID_1743" prev="#ID_1742"> Tagen des Pförtner Glanzes vor dem siebenjährigen Kriege war das anders.<lb/> Wir entnehmen die Figuren, den großen Hof zu beleben, einem Briefe der Frau<lb/> Gräfin, den sie bald nach der Vollendung des Schloßbaues an Heineken schrieb,<lb/> um den bevorstehenden Besuch des aus Polen zurückkehrenden Königs Friedrich<lb/> Augusts des Zweiten anzumelden. Sie selbst und ihr Gemahl sind beim Könige;<lb/> sie wäre aber gern uns vouxls Ah Mrs vor ihm in Pforten angekommen, um die<lb/> Empfangsvorbereitungen zu leiten, aber Brühl findet es angemessener, wenn sie erst<lb/> wenig Stunden vor dem königlichen Herrn eintrifft. So fällt die Hauptlast auf<lb/> Heineken und seinen Stab: den Schloßverwalter und Bettmeister Fiebiger, den<lb/> Fontanier Osten, der in allen Ecken des Hofes die monumentalen Brunnen rauschen<lb/> läßt, den Landschaftsgärtner Sparing, den Oberförster Haberland, den Kondukteur<lb/> Franke und die ganze Schar der zur Verfügung stehenden Köche und Lakaien.<lb/> Auch der junge Graf mit seinem Gouverneur kommt aus Dresden, mit ihm ein<lb/> Oberstleutnant Trützschler u. a. Jagdpavillons nach Art der Hubertusburger sollen<lb/> in den Wäldern gebaut werden. Bei sinkender Sonne trifft die Gräfin ein, in<lb/> den riesigen Küchen des Untergeschosses wird für die Hunderte von Personen, die<lb/> es zu beköstigen gilt, gesotten und gebraten, daß es eine Lust ist; die für den<lb/> König bestimmten Zimmer prangen im Schmuck eines besonders für ihn beschafften<lb/> Mobiliars, die Wachtstuben vor dem Schloßgarten sind angefüllt von der Pförtner<lb/> Bürgerwehr, die ihr bestes Zeug angelegt hat, alle Fenster schimmern von den<lb/> Kerzen, im Hofe brennen die Pechfackeln — endlich kommt der große Moment,<lb/> wo die königlichen Wagen, Spitzenreiter vorauf, durch die Einfahrt rasseln. Im Nu<lb/> füllt sich der ganze Schloßhof mit Karossen, stampfenden Pferden, aufsteigenden<lb/> Kavalieren und Damen — es sind zwischen dreißig und vierzig Wagen, die ihren<lb/> Inhalt entladen. Die vornehmern Gäste finden in den Kavalierhäusern Platz, die<lb/> geringern im „Weißen Adler."</p><lb/> <p xml:id="ID_1744"> Aber nicht immer liegt der Abglanz höfischer Feste ans den Gesichtern der in<lb/> Pforten Rastenden — auch am 20. Oktober 1756 — einige Monate nach Aus¬<lb/> bruch des siebenjährigen Krieges — kam der sächsische „Schäferkönig," vor dem<lb/> Preußischen „Tiger" flüchtend, der in die Hürden eingebrochen war, Nachts um<lb/> elf Uhr mit dreiunddreißig Wagen bei Fackelschein mit den Prinzen Xaver und Karl<lb/> und dem Minister Brühl nach Pforten, um einen Tag zu ruhn und am 22. die<lb/> Flucht nach Warschau fortzusetzen. Er hätte sich bei dem Gastgeber für die von<lb/> ihm geschaffne Situation mit bittern Worten bedanken können, aber der König war<lb/> damals in seiner Vereinsamung der Wirklichkeit schon zu weit entrückt, als daß er<lb/> die Ereignisse in ihrem wahren Verstände erfaßt hätte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1745"> Das Schloß, das diese kaleidoskopartig wechselnden Bilder gesehen hat, besteht<lb/> aus einem dreistöckigen Mittelbau mit zwei nach vorn ausgerückten Flügeln und<lb/> ist durch eine vornehme Freitreppe zugänglich, über der sich ein von männlichen<lb/> Gestalten getragner Balkon erhebt. Die Außenwände sind sehr einfach gehalten;<lb/> leider ist in den sechziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts das schöne<lb/> Mansardendach, das bis dahin den Bau bekrönte, durch ein plattes Zinkdach ersetzt<lb/> worden, sodaß nach oben zu jeder harmonische Abschluß der Linien fehlt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1746" next="#ID_1747"> Es wurde uns nicht ganz leicht gemacht, ins Innere des Schlosses vorzu¬<lb/> dringen, weil der jetzige Standesherr Graf Brühl den nicht unberechtigten Schmerz<lb/> über die Abtragung des Dresdner Palais seines Ahnherrn noch nicht überwunden<lb/> hat und auch sonst Grund zur Verstimmung gegen die Sachsen zu haben glaubt.<lb/> Schließlich aber war der Schloßherr doch bereit, uns einige Räume des Schlosses<lb/> und das in einem Kellergewölbe verwahrte, aus vierzehnhundert Stücken bestehende<lb/> Schwcmenservice, das einst in der Meißner Porzellanmanufaktur für den Minister<lb/> gemalt worden ist, teils selbst zu zeigen, teils zeigen zu lassen. Sogar eine mit<lb/> rotem Sammet gepolsterte und mit zierlicher Blumen- und Genienmalerei reich<lb/> verzierte und stark vergoldete Staatskutsche des Ministers wurde unsertwegen aus<lb/> der Remise gezogen. Im Schlosse erinnert die Wölbung der Decken des Erdge-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0415]
Wanderungen in der Niederlausitz
Tagen des Pförtner Glanzes vor dem siebenjährigen Kriege war das anders.
Wir entnehmen die Figuren, den großen Hof zu beleben, einem Briefe der Frau
Gräfin, den sie bald nach der Vollendung des Schloßbaues an Heineken schrieb,
um den bevorstehenden Besuch des aus Polen zurückkehrenden Königs Friedrich
Augusts des Zweiten anzumelden. Sie selbst und ihr Gemahl sind beim Könige;
sie wäre aber gern uns vouxls Ah Mrs vor ihm in Pforten angekommen, um die
Empfangsvorbereitungen zu leiten, aber Brühl findet es angemessener, wenn sie erst
wenig Stunden vor dem königlichen Herrn eintrifft. So fällt die Hauptlast auf
Heineken und seinen Stab: den Schloßverwalter und Bettmeister Fiebiger, den
Fontanier Osten, der in allen Ecken des Hofes die monumentalen Brunnen rauschen
läßt, den Landschaftsgärtner Sparing, den Oberförster Haberland, den Kondukteur
Franke und die ganze Schar der zur Verfügung stehenden Köche und Lakaien.
Auch der junge Graf mit seinem Gouverneur kommt aus Dresden, mit ihm ein
Oberstleutnant Trützschler u. a. Jagdpavillons nach Art der Hubertusburger sollen
in den Wäldern gebaut werden. Bei sinkender Sonne trifft die Gräfin ein, in
den riesigen Küchen des Untergeschosses wird für die Hunderte von Personen, die
es zu beköstigen gilt, gesotten und gebraten, daß es eine Lust ist; die für den
König bestimmten Zimmer prangen im Schmuck eines besonders für ihn beschafften
Mobiliars, die Wachtstuben vor dem Schloßgarten sind angefüllt von der Pförtner
Bürgerwehr, die ihr bestes Zeug angelegt hat, alle Fenster schimmern von den
Kerzen, im Hofe brennen die Pechfackeln — endlich kommt der große Moment,
wo die königlichen Wagen, Spitzenreiter vorauf, durch die Einfahrt rasseln. Im Nu
füllt sich der ganze Schloßhof mit Karossen, stampfenden Pferden, aufsteigenden
Kavalieren und Damen — es sind zwischen dreißig und vierzig Wagen, die ihren
Inhalt entladen. Die vornehmern Gäste finden in den Kavalierhäusern Platz, die
geringern im „Weißen Adler."
Aber nicht immer liegt der Abglanz höfischer Feste ans den Gesichtern der in
Pforten Rastenden — auch am 20. Oktober 1756 — einige Monate nach Aus¬
bruch des siebenjährigen Krieges — kam der sächsische „Schäferkönig," vor dem
Preußischen „Tiger" flüchtend, der in die Hürden eingebrochen war, Nachts um
elf Uhr mit dreiunddreißig Wagen bei Fackelschein mit den Prinzen Xaver und Karl
und dem Minister Brühl nach Pforten, um einen Tag zu ruhn und am 22. die
Flucht nach Warschau fortzusetzen. Er hätte sich bei dem Gastgeber für die von
ihm geschaffne Situation mit bittern Worten bedanken können, aber der König war
damals in seiner Vereinsamung der Wirklichkeit schon zu weit entrückt, als daß er
die Ereignisse in ihrem wahren Verstände erfaßt hätte.
Das Schloß, das diese kaleidoskopartig wechselnden Bilder gesehen hat, besteht
aus einem dreistöckigen Mittelbau mit zwei nach vorn ausgerückten Flügeln und
ist durch eine vornehme Freitreppe zugänglich, über der sich ein von männlichen
Gestalten getragner Balkon erhebt. Die Außenwände sind sehr einfach gehalten;
leider ist in den sechziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts das schöne
Mansardendach, das bis dahin den Bau bekrönte, durch ein plattes Zinkdach ersetzt
worden, sodaß nach oben zu jeder harmonische Abschluß der Linien fehlt.
Es wurde uns nicht ganz leicht gemacht, ins Innere des Schlosses vorzu¬
dringen, weil der jetzige Standesherr Graf Brühl den nicht unberechtigten Schmerz
über die Abtragung des Dresdner Palais seines Ahnherrn noch nicht überwunden
hat und auch sonst Grund zur Verstimmung gegen die Sachsen zu haben glaubt.
Schließlich aber war der Schloßherr doch bereit, uns einige Räume des Schlosses
und das in einem Kellergewölbe verwahrte, aus vierzehnhundert Stücken bestehende
Schwcmenservice, das einst in der Meißner Porzellanmanufaktur für den Minister
gemalt worden ist, teils selbst zu zeigen, teils zeigen zu lassen. Sogar eine mit
rotem Sammet gepolsterte und mit zierlicher Blumen- und Genienmalerei reich
verzierte und stark vergoldete Staatskutsche des Ministers wurde unsertwegen aus
der Remise gezogen. Im Schlosse erinnert die Wölbung der Decken des Erdge-
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