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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr.

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Wanderungen in der Niederlausitz

unter Leitung eines gewissen Ebig in Forst und in Pforten fabriziert, doch ließ
die Qualität manchmal zu wünschen übrig; eine Sendung, die die Gräfin Brühl
in Warschau erhielt, ging in Fetzen, sowie die Leute das Tuch am Leibe hatten.
Auch Töpferei, Kunsttischlerei und Kunstschlosserei wurden in Pforten betriebein
Kommoden, Tische und Parketts, Türschlösser und Fensterbeschläge für andre
Brühlsche Schlösser wurden hier angefertigt; die Gräfin selbst bekümmert sich
darum: alm ans esta no oouts M8 taut, it vauärait, touMrs misnx aus nos sujsts
tirasssnt, Is prout, "ins ass ötiansssrs, so bekäme doch die Stadt Nahrung, o'sse,
uns lass as wa xart. . . . Gegenstand einer besondern Fürsorge ist ein Stecknadel¬
macher, den man nach Pforten gezogen hat; anch ein Posamentier und andre Ge-
werbtreibende sollen veranlaßt werden, sich dort niederzulassen. Für solche Zwecke
sind die gleichmäßigen Wohnhäuser der langen, breiten Straße von der Herrschaft
gebaut worden. Auch eine Vorstadt, die Mariannenstadt -- nach der Gräfin be¬
nannt --, wird erwähnt: das sind, wenn ich nicht irre, die niedrigen Hänser, die
in der Verlängerung der Hauptstraße nach dem schloßähnlichen Landhause hin liegen.
Mitten im siebenjährigen Kriege wünscht die Gräfin, daß hier vier Häuser gebaut
werden, die man entweder gegen festen Zins vermietet oder so nutzbar macht, daß
"Handdienste" als Servitut darauf gelegt werden. Auch ausländische Nutzpflanzen
werden in Pforten angebaut, wie zum Beispiel der Tabak, und die Anlegung von
Maulbeerbaumpflanzungen deutet darauf, daß Brühl eine Seidenspinnerei einrichten
wollte. Ganz besonders sollte der Reichtum der Gegend an Seen und Teichen,
"n Nadel- und Laubhölzern ausgebeutet werden: deshalb wird die Fischzucht ge¬
hoben, Pechhütten, Schneidemühlen, Ziegelbrennereien, Hochöfen und Hammerwerke
werden eingerichtet. Und damit weder ein vorteilhafter Durchgangsverkehr noch
die Möglichkeit fehle, die Erzeugnisse der Forst-Pförtner Industrie gewinnreich
nach Westen und nach Osten abzusetzen, leitete Brühl die von Warschau nach
Dresden fahrende Eilpost über Pforten und versorgte seine Herrschaft mit Markt¬
gerechtigkeiten. Endlich war Brühl auch auf die Sicherheit in seinem Gebiete
bedacht: im Jahre 1745 ließ er der Pförtner Bürgerwehr aus dem Dresdner
Zeughause fünfundsiebzig Dragonerkarabiner und fünfundsiebzig Bajonetts nebst
Pulver, Kugeln und Flintensteinen überweisen; außerdem war er der Chef
eines in Pforten stehenden Regiments. So eigensüchtig diese Tätigkeit war.
würden wir uns doch freuen, bei diesem Manne neben so vielen Schattenseiten
seines Wesens ein tieferes wirtschaftliches Verständnis zu finden. Aber wenn man
genauer zusieht, so stehn hinter ihm als seine Berater die Grafen Bolzn und
Schimmelmann, die auch in der Finanzgeschichte des sächsischen Staats eine Rolle
spielen, und die ganze Ausführung besorgt und kontrolliert sein Intendant, der
schon genannte Geheime Kammerrat Karl Heinrich von Heineken, der sich übrigens
als Ordner der königlichen Kupferstichsammlung, als Herausgeber eines großartigen
Kupferstichwerkes über die Dresdner Galerie und als Kunstschriftsteller einen Namen
gemacht hat. Es ist nicht zufällig, daß dieser Kunstkenner und Wirtschaftsorgani¬
sator in einer Person 1746 ebenfalls in der Niederlausitz und zwar in Altdöbern an¬
gesiedelt wurde: es geschah durch Brühls unmittelbares Eingreifen, Heineken sollte hier
in kleinerm Maßstabe die Versuche machen, die er bei der Leitung der großen Herrschaft
Forst-Pforten verwerten sollte, ferner sollte er durch seinen eignen Besitz veranlaßt
werden, sich möglichst oft in der Niederlausitz aufzuhalten und dabei auch den des
Ministers im besten Stande zu erhalten. So erscheint denn Heineken bei allen Bauten
und wirtschaftlichen Anlagen Brühls als der Unternehmer und Bevollmächtigte, er
schließt wieder mit den Baumeistern und Künstlern die nötigen Verträge und überwacht
deren Ausführung. Brühl selbst tritt hinter Heineken, der zugleich sein künstlerischer
Mentor ist, sehr zurück. Anders steht es mit der Gräfin Franziska Maria Anna
Brühl, einer gebornen Gräfin Kolowrat-Kralowsky; diese war eine sehr selbständige
Natur, die auch in Kleinigkeiten ihren Willen durchzusetzen suchte. Hervorgegangen
aus einem alten slawischen, namentlich in Böhmen ansässigen Adelsgeschlecht, das


Grenzboten III 1904 54
Wanderungen in der Niederlausitz

unter Leitung eines gewissen Ebig in Forst und in Pforten fabriziert, doch ließ
die Qualität manchmal zu wünschen übrig; eine Sendung, die die Gräfin Brühl
in Warschau erhielt, ging in Fetzen, sowie die Leute das Tuch am Leibe hatten.
Auch Töpferei, Kunsttischlerei und Kunstschlosserei wurden in Pforten betriebein
Kommoden, Tische und Parketts, Türschlösser und Fensterbeschläge für andre
Brühlsche Schlösser wurden hier angefertigt; die Gräfin selbst bekümmert sich
darum: alm ans esta no oouts M8 taut, it vauärait, touMrs misnx aus nos sujsts
tirasssnt, Is prout, «ins ass ötiansssrs, so bekäme doch die Stadt Nahrung, o'sse,
uns lass as wa xart. . . . Gegenstand einer besondern Fürsorge ist ein Stecknadel¬
macher, den man nach Pforten gezogen hat; anch ein Posamentier und andre Ge-
werbtreibende sollen veranlaßt werden, sich dort niederzulassen. Für solche Zwecke
sind die gleichmäßigen Wohnhäuser der langen, breiten Straße von der Herrschaft
gebaut worden. Auch eine Vorstadt, die Mariannenstadt — nach der Gräfin be¬
nannt —, wird erwähnt: das sind, wenn ich nicht irre, die niedrigen Hänser, die
in der Verlängerung der Hauptstraße nach dem schloßähnlichen Landhause hin liegen.
Mitten im siebenjährigen Kriege wünscht die Gräfin, daß hier vier Häuser gebaut
werden, die man entweder gegen festen Zins vermietet oder so nutzbar macht, daß
„Handdienste" als Servitut darauf gelegt werden. Auch ausländische Nutzpflanzen
werden in Pforten angebaut, wie zum Beispiel der Tabak, und die Anlegung von
Maulbeerbaumpflanzungen deutet darauf, daß Brühl eine Seidenspinnerei einrichten
wollte. Ganz besonders sollte der Reichtum der Gegend an Seen und Teichen,
«n Nadel- und Laubhölzern ausgebeutet werden: deshalb wird die Fischzucht ge¬
hoben, Pechhütten, Schneidemühlen, Ziegelbrennereien, Hochöfen und Hammerwerke
werden eingerichtet. Und damit weder ein vorteilhafter Durchgangsverkehr noch
die Möglichkeit fehle, die Erzeugnisse der Forst-Pförtner Industrie gewinnreich
nach Westen und nach Osten abzusetzen, leitete Brühl die von Warschau nach
Dresden fahrende Eilpost über Pforten und versorgte seine Herrschaft mit Markt¬
gerechtigkeiten. Endlich war Brühl auch auf die Sicherheit in seinem Gebiete
bedacht: im Jahre 1745 ließ er der Pförtner Bürgerwehr aus dem Dresdner
Zeughause fünfundsiebzig Dragonerkarabiner und fünfundsiebzig Bajonetts nebst
Pulver, Kugeln und Flintensteinen überweisen; außerdem war er der Chef
eines in Pforten stehenden Regiments. So eigensüchtig diese Tätigkeit war.
würden wir uns doch freuen, bei diesem Manne neben so vielen Schattenseiten
seines Wesens ein tieferes wirtschaftliches Verständnis zu finden. Aber wenn man
genauer zusieht, so stehn hinter ihm als seine Berater die Grafen Bolzn und
Schimmelmann, die auch in der Finanzgeschichte des sächsischen Staats eine Rolle
spielen, und die ganze Ausführung besorgt und kontrolliert sein Intendant, der
schon genannte Geheime Kammerrat Karl Heinrich von Heineken, der sich übrigens
als Ordner der königlichen Kupferstichsammlung, als Herausgeber eines großartigen
Kupferstichwerkes über die Dresdner Galerie und als Kunstschriftsteller einen Namen
gemacht hat. Es ist nicht zufällig, daß dieser Kunstkenner und Wirtschaftsorgani¬
sator in einer Person 1746 ebenfalls in der Niederlausitz und zwar in Altdöbern an¬
gesiedelt wurde: es geschah durch Brühls unmittelbares Eingreifen, Heineken sollte hier
in kleinerm Maßstabe die Versuche machen, die er bei der Leitung der großen Herrschaft
Forst-Pforten verwerten sollte, ferner sollte er durch seinen eignen Besitz veranlaßt
werden, sich möglichst oft in der Niederlausitz aufzuhalten und dabei auch den des
Ministers im besten Stande zu erhalten. So erscheint denn Heineken bei allen Bauten
und wirtschaftlichen Anlagen Brühls als der Unternehmer und Bevollmächtigte, er
schließt wieder mit den Baumeistern und Künstlern die nötigen Verträge und überwacht
deren Ausführung. Brühl selbst tritt hinter Heineken, der zugleich sein künstlerischer
Mentor ist, sehr zurück. Anders steht es mit der Gräfin Franziska Maria Anna
Brühl, einer gebornen Gräfin Kolowrat-Kralowsky; diese war eine sehr selbständige
Natur, die auch in Kleinigkeiten ihren Willen durchzusetzen suchte. Hervorgegangen
aus einem alten slawischen, namentlich in Böhmen ansässigen Adelsgeschlecht, das


Grenzboten III 1904 54
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[0413] Wanderungen in der Niederlausitz unter Leitung eines gewissen Ebig in Forst und in Pforten fabriziert, doch ließ die Qualität manchmal zu wünschen übrig; eine Sendung, die die Gräfin Brühl in Warschau erhielt, ging in Fetzen, sowie die Leute das Tuch am Leibe hatten. Auch Töpferei, Kunsttischlerei und Kunstschlosserei wurden in Pforten betriebein Kommoden, Tische und Parketts, Türschlösser und Fensterbeschläge für andre Brühlsche Schlösser wurden hier angefertigt; die Gräfin selbst bekümmert sich darum: alm ans esta no oouts M8 taut, it vauärait, touMrs misnx aus nos sujsts tirasssnt, Is prout, «ins ass ötiansssrs, so bekäme doch die Stadt Nahrung, o'sse, uns lass as wa xart. . . . Gegenstand einer besondern Fürsorge ist ein Stecknadel¬ macher, den man nach Pforten gezogen hat; anch ein Posamentier und andre Ge- werbtreibende sollen veranlaßt werden, sich dort niederzulassen. Für solche Zwecke sind die gleichmäßigen Wohnhäuser der langen, breiten Straße von der Herrschaft gebaut worden. Auch eine Vorstadt, die Mariannenstadt — nach der Gräfin be¬ nannt —, wird erwähnt: das sind, wenn ich nicht irre, die niedrigen Hänser, die in der Verlängerung der Hauptstraße nach dem schloßähnlichen Landhause hin liegen. Mitten im siebenjährigen Kriege wünscht die Gräfin, daß hier vier Häuser gebaut werden, die man entweder gegen festen Zins vermietet oder so nutzbar macht, daß „Handdienste" als Servitut darauf gelegt werden. Auch ausländische Nutzpflanzen werden in Pforten angebaut, wie zum Beispiel der Tabak, und die Anlegung von Maulbeerbaumpflanzungen deutet darauf, daß Brühl eine Seidenspinnerei einrichten wollte. Ganz besonders sollte der Reichtum der Gegend an Seen und Teichen, «n Nadel- und Laubhölzern ausgebeutet werden: deshalb wird die Fischzucht ge¬ hoben, Pechhütten, Schneidemühlen, Ziegelbrennereien, Hochöfen und Hammerwerke werden eingerichtet. Und damit weder ein vorteilhafter Durchgangsverkehr noch die Möglichkeit fehle, die Erzeugnisse der Forst-Pförtner Industrie gewinnreich nach Westen und nach Osten abzusetzen, leitete Brühl die von Warschau nach Dresden fahrende Eilpost über Pforten und versorgte seine Herrschaft mit Markt¬ gerechtigkeiten. Endlich war Brühl auch auf die Sicherheit in seinem Gebiete bedacht: im Jahre 1745 ließ er der Pförtner Bürgerwehr aus dem Dresdner Zeughause fünfundsiebzig Dragonerkarabiner und fünfundsiebzig Bajonetts nebst Pulver, Kugeln und Flintensteinen überweisen; außerdem war er der Chef eines in Pforten stehenden Regiments. So eigensüchtig diese Tätigkeit war. würden wir uns doch freuen, bei diesem Manne neben so vielen Schattenseiten seines Wesens ein tieferes wirtschaftliches Verständnis zu finden. Aber wenn man genauer zusieht, so stehn hinter ihm als seine Berater die Grafen Bolzn und Schimmelmann, die auch in der Finanzgeschichte des sächsischen Staats eine Rolle spielen, und die ganze Ausführung besorgt und kontrolliert sein Intendant, der schon genannte Geheime Kammerrat Karl Heinrich von Heineken, der sich übrigens als Ordner der königlichen Kupferstichsammlung, als Herausgeber eines großartigen Kupferstichwerkes über die Dresdner Galerie und als Kunstschriftsteller einen Namen gemacht hat. Es ist nicht zufällig, daß dieser Kunstkenner und Wirtschaftsorgani¬ sator in einer Person 1746 ebenfalls in der Niederlausitz und zwar in Altdöbern an¬ gesiedelt wurde: es geschah durch Brühls unmittelbares Eingreifen, Heineken sollte hier in kleinerm Maßstabe die Versuche machen, die er bei der Leitung der großen Herrschaft Forst-Pforten verwerten sollte, ferner sollte er durch seinen eignen Besitz veranlaßt werden, sich möglichst oft in der Niederlausitz aufzuhalten und dabei auch den des Ministers im besten Stande zu erhalten. So erscheint denn Heineken bei allen Bauten und wirtschaftlichen Anlagen Brühls als der Unternehmer und Bevollmächtigte, er schließt wieder mit den Baumeistern und Künstlern die nötigen Verträge und überwacht deren Ausführung. Brühl selbst tritt hinter Heineken, der zugleich sein künstlerischer Mentor ist, sehr zurück. Anders steht es mit der Gräfin Franziska Maria Anna Brühl, einer gebornen Gräfin Kolowrat-Kralowsky; diese war eine sehr selbständige Natur, die auch in Kleinigkeiten ihren Willen durchzusetzen suchte. Hervorgegangen aus einem alten slawischen, namentlich in Böhmen ansässigen Adelsgeschlecht, das Grenzboten III 1904 54

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_294416/413>, abgerufen am 23.07.2024.