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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr.

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Gräfin Susanna

Hörnchen flüchtig empor und schielten ängstlich nach den eingebildeten Verfolgern
aus. Andre Vögel, dem Auge nicht erreichbar, ließen aus höhern Regionen ihre
Rufe und ihre Lieder ertönen. Spinnen hingen in ihren losen Netzen so regungs¬
los, daß man sie für tot halten mußte, aber sobald sich eine Mücke heranwagte,
sprangen sie geschmeidig zu und faßten sie. Manchmal brach ein Zweig oder ließ
sich eine Raupe an einem langen seidnen Faden von oben herab. Und die Luft
unter der Eiche war kräftig und von dem herrlichen Duft des Baumes erfüllt.

Von dem Zauber all dieses geheimen Lebens gefesselt lehnte Susanna am
Stamm des Baumes. Solche Bäume haben wir in Italien nicht, dachte sie
träumerisch vor sich hin. Bäume und Tiere treten einem dort nie so nahe wie
hier; man wird nie so vertraut mit ihnen; die Natur ist nicht so entgegenkommend
und gütig. Nun erinnerte sie sich dunkel, irgendwo gelesen zu haben, daß Genüsse
wie der, dem sie sich jetzt hingab, heidnisch und ganz unchristlich seien, und ihre
Seele empörte sich dagegen, und sie dachte: Nein! Denn man hätte ja gar keine
Freude daran, wenn man nicht wüßte, daß Gott im Himmel ist, und auf der
Erde alles wohlgetan!

Und nun wurde ihre Träumerei jäh unterbrochen.

Er ist angekommen! Ich habe ihn gesehen -- was man so sehen heißt --
mit meinen eignen Augen. Er ist zwei Aard lang, eine sehr stattliche, vornehm
aussehende, wohlgebildete und anziehende Erscheinung.

Also sprach Miß Sandus erregt mit ihrer angenehmen, frischen alten Stimme.
Miß Sandus: eine kleine, alte Dame in Schwarz. Sie war zierlich, mit fein
geschulteren Profil und einer niedlichen Gestalt. Sie trug ein schwarzes Straßen¬
kleid, das kurz genug war, ein paar kleiner, Hochspanniger, aber derber brauner
Schuhe zu zeigen. Miß Sandus war, wie sie versicherte, vierundsiebzig Jahre
alt, und in der Tat war auch ihr Vater als Seekadett mit Nelson in Trafalgar
gewesen und hatte als Leutnant zur See an Bord des "Bellerophon" dessen
historische Fahrt nach Sankt Helena mitgemacht. Trotz alledem sah sie aber mit
ihren lebhaften Augen, ihren festen, glatten Wangen, der frischen Gesichtsfarbe
und der aufrechten, rüstigen Haltung aus wie eine gut erhaltne Sechzigerin, und
in ihrem üppigen lichtbraunen Haar war kaum ein Silberfaden zu entdecken. Eilig
kam sie über das Gras getrippelt und schwang einen Spazierstock aus Malakka¬
nußbaum mit silberner Krücke in der Hand.

Er ist angekommen! Ich habe ihn gesehen!

So tönte ihre Stimme in Susannas Träumerei hinein und schreckte sie auf.
Sie trug heute ein Weißes Musselinkleid mit lilafarbnen Blumen überstreut; da
sie keinen Hut auf hatte, konnte man ihr schönes schwarzes Haar bewundern,
das tief in die Stirn hineingewachsen, in üppigen, natürlichen Wellen rückwärts
strebte und in reicher Fülle über den Rücken herabfiel. Als sie so regungslos
dastand und das Näherkommen von Miß Sandus erwartete, war ihr Antlitz er¬
blaßt, und ihre weitgeöffneten Augen starrten der Näherkommenden beinahe angst¬
voll entgegen.

Ach, liebes Kind, habe ich dich erschreckt? Das tut mir sehr leid, sagte Miß
Sandus, als sie zu ihr trat. Ja, Don Antonio ist angekommen! Ich habe ihn
gesehen, als er auf der Station ausstieg -- ich bin im Ort gewesen und habe
bei Smith ein Buch bestellt. Und ein solches Gepäck! Koffer und Reisetaschen,
Reisetaschen und Koffer -- ich konnte sie schließlich gar nicht mehr zählen! Und
alles in gutem braunen Leder -- so hübsch und so männlich und gediegen. Auch
er selbst sieht hübsch und männlich aus: groß, echt männlich angezogen, mit schönen
Augen und schöner brauner Gesichtsfarbe und mit einer Nase, liebes Kind, mit
einer Nase wie Julius Cäsar. Nun, am Sonntag wirst du ihn ja bei deinem
papistischen Gottesdienst sehen, falls er nicht vorher seinen Besuch macht, wozu er
sich, meiner Ansicht nach, verpflichtet fühlen wird.

O, liebe Feenpate, hauchte Susanna mühsam, hier fühle!


Gräfin Susanna

Hörnchen flüchtig empor und schielten ängstlich nach den eingebildeten Verfolgern
aus. Andre Vögel, dem Auge nicht erreichbar, ließen aus höhern Regionen ihre
Rufe und ihre Lieder ertönen. Spinnen hingen in ihren losen Netzen so regungs¬
los, daß man sie für tot halten mußte, aber sobald sich eine Mücke heranwagte,
sprangen sie geschmeidig zu und faßten sie. Manchmal brach ein Zweig oder ließ
sich eine Raupe an einem langen seidnen Faden von oben herab. Und die Luft
unter der Eiche war kräftig und von dem herrlichen Duft des Baumes erfüllt.

Von dem Zauber all dieses geheimen Lebens gefesselt lehnte Susanna am
Stamm des Baumes. Solche Bäume haben wir in Italien nicht, dachte sie
träumerisch vor sich hin. Bäume und Tiere treten einem dort nie so nahe wie
hier; man wird nie so vertraut mit ihnen; die Natur ist nicht so entgegenkommend
und gütig. Nun erinnerte sie sich dunkel, irgendwo gelesen zu haben, daß Genüsse
wie der, dem sie sich jetzt hingab, heidnisch und ganz unchristlich seien, und ihre
Seele empörte sich dagegen, und sie dachte: Nein! Denn man hätte ja gar keine
Freude daran, wenn man nicht wüßte, daß Gott im Himmel ist, und auf der
Erde alles wohlgetan!

Und nun wurde ihre Träumerei jäh unterbrochen.

Er ist angekommen! Ich habe ihn gesehen — was man so sehen heißt —
mit meinen eignen Augen. Er ist zwei Aard lang, eine sehr stattliche, vornehm
aussehende, wohlgebildete und anziehende Erscheinung.

Also sprach Miß Sandus erregt mit ihrer angenehmen, frischen alten Stimme.
Miß Sandus: eine kleine, alte Dame in Schwarz. Sie war zierlich, mit fein
geschulteren Profil und einer niedlichen Gestalt. Sie trug ein schwarzes Straßen¬
kleid, das kurz genug war, ein paar kleiner, Hochspanniger, aber derber brauner
Schuhe zu zeigen. Miß Sandus war, wie sie versicherte, vierundsiebzig Jahre
alt, und in der Tat war auch ihr Vater als Seekadett mit Nelson in Trafalgar
gewesen und hatte als Leutnant zur See an Bord des „Bellerophon" dessen
historische Fahrt nach Sankt Helena mitgemacht. Trotz alledem sah sie aber mit
ihren lebhaften Augen, ihren festen, glatten Wangen, der frischen Gesichtsfarbe
und der aufrechten, rüstigen Haltung aus wie eine gut erhaltne Sechzigerin, und
in ihrem üppigen lichtbraunen Haar war kaum ein Silberfaden zu entdecken. Eilig
kam sie über das Gras getrippelt und schwang einen Spazierstock aus Malakka¬
nußbaum mit silberner Krücke in der Hand.

Er ist angekommen! Ich habe ihn gesehen!

So tönte ihre Stimme in Susannas Träumerei hinein und schreckte sie auf.
Sie trug heute ein Weißes Musselinkleid mit lilafarbnen Blumen überstreut; da
sie keinen Hut auf hatte, konnte man ihr schönes schwarzes Haar bewundern,
das tief in die Stirn hineingewachsen, in üppigen, natürlichen Wellen rückwärts
strebte und in reicher Fülle über den Rücken herabfiel. Als sie so regungslos
dastand und das Näherkommen von Miß Sandus erwartete, war ihr Antlitz er¬
blaßt, und ihre weitgeöffneten Augen starrten der Näherkommenden beinahe angst¬
voll entgegen.

Ach, liebes Kind, habe ich dich erschreckt? Das tut mir sehr leid, sagte Miß
Sandus, als sie zu ihr trat. Ja, Don Antonio ist angekommen! Ich habe ihn
gesehen, als er auf der Station ausstieg — ich bin im Ort gewesen und habe
bei Smith ein Buch bestellt. Und ein solches Gepäck! Koffer und Reisetaschen,
Reisetaschen und Koffer — ich konnte sie schließlich gar nicht mehr zählen! Und
alles in gutem braunen Leder — so hübsch und so männlich und gediegen. Auch
er selbst sieht hübsch und männlich aus: groß, echt männlich angezogen, mit schönen
Augen und schöner brauner Gesichtsfarbe und mit einer Nase, liebes Kind, mit
einer Nase wie Julius Cäsar. Nun, am Sonntag wirst du ihn ja bei deinem
papistischen Gottesdienst sehen, falls er nicht vorher seinen Besuch macht, wozu er
sich, meiner Ansicht nach, verpflichtet fühlen wird.

O, liebe Feenpate, hauchte Susanna mühsam, hier fühle!


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[0366] Gräfin Susanna Hörnchen flüchtig empor und schielten ängstlich nach den eingebildeten Verfolgern aus. Andre Vögel, dem Auge nicht erreichbar, ließen aus höhern Regionen ihre Rufe und ihre Lieder ertönen. Spinnen hingen in ihren losen Netzen so regungs¬ los, daß man sie für tot halten mußte, aber sobald sich eine Mücke heranwagte, sprangen sie geschmeidig zu und faßten sie. Manchmal brach ein Zweig oder ließ sich eine Raupe an einem langen seidnen Faden von oben herab. Und die Luft unter der Eiche war kräftig und von dem herrlichen Duft des Baumes erfüllt. Von dem Zauber all dieses geheimen Lebens gefesselt lehnte Susanna am Stamm des Baumes. Solche Bäume haben wir in Italien nicht, dachte sie träumerisch vor sich hin. Bäume und Tiere treten einem dort nie so nahe wie hier; man wird nie so vertraut mit ihnen; die Natur ist nicht so entgegenkommend und gütig. Nun erinnerte sie sich dunkel, irgendwo gelesen zu haben, daß Genüsse wie der, dem sie sich jetzt hingab, heidnisch und ganz unchristlich seien, und ihre Seele empörte sich dagegen, und sie dachte: Nein! Denn man hätte ja gar keine Freude daran, wenn man nicht wüßte, daß Gott im Himmel ist, und auf der Erde alles wohlgetan! Und nun wurde ihre Träumerei jäh unterbrochen. Er ist angekommen! Ich habe ihn gesehen — was man so sehen heißt — mit meinen eignen Augen. Er ist zwei Aard lang, eine sehr stattliche, vornehm aussehende, wohlgebildete und anziehende Erscheinung. Also sprach Miß Sandus erregt mit ihrer angenehmen, frischen alten Stimme. Miß Sandus: eine kleine, alte Dame in Schwarz. Sie war zierlich, mit fein geschulteren Profil und einer niedlichen Gestalt. Sie trug ein schwarzes Straßen¬ kleid, das kurz genug war, ein paar kleiner, Hochspanniger, aber derber brauner Schuhe zu zeigen. Miß Sandus war, wie sie versicherte, vierundsiebzig Jahre alt, und in der Tat war auch ihr Vater als Seekadett mit Nelson in Trafalgar gewesen und hatte als Leutnant zur See an Bord des „Bellerophon" dessen historische Fahrt nach Sankt Helena mitgemacht. Trotz alledem sah sie aber mit ihren lebhaften Augen, ihren festen, glatten Wangen, der frischen Gesichtsfarbe und der aufrechten, rüstigen Haltung aus wie eine gut erhaltne Sechzigerin, und in ihrem üppigen lichtbraunen Haar war kaum ein Silberfaden zu entdecken. Eilig kam sie über das Gras getrippelt und schwang einen Spazierstock aus Malakka¬ nußbaum mit silberner Krücke in der Hand. Er ist angekommen! Ich habe ihn gesehen! So tönte ihre Stimme in Susannas Träumerei hinein und schreckte sie auf. Sie trug heute ein Weißes Musselinkleid mit lilafarbnen Blumen überstreut; da sie keinen Hut auf hatte, konnte man ihr schönes schwarzes Haar bewundern, das tief in die Stirn hineingewachsen, in üppigen, natürlichen Wellen rückwärts strebte und in reicher Fülle über den Rücken herabfiel. Als sie so regungslos dastand und das Näherkommen von Miß Sandus erwartete, war ihr Antlitz er¬ blaßt, und ihre weitgeöffneten Augen starrten der Näherkommenden beinahe angst¬ voll entgegen. Ach, liebes Kind, habe ich dich erschreckt? Das tut mir sehr leid, sagte Miß Sandus, als sie zu ihr trat. Ja, Don Antonio ist angekommen! Ich habe ihn gesehen, als er auf der Station ausstieg — ich bin im Ort gewesen und habe bei Smith ein Buch bestellt. Und ein solches Gepäck! Koffer und Reisetaschen, Reisetaschen und Koffer — ich konnte sie schließlich gar nicht mehr zählen! Und alles in gutem braunen Leder — so hübsch und so männlich und gediegen. Auch er selbst sieht hübsch und männlich aus: groß, echt männlich angezogen, mit schönen Augen und schöner brauner Gesichtsfarbe und mit einer Nase, liebes Kind, mit einer Nase wie Julius Cäsar. Nun, am Sonntag wirst du ihn ja bei deinem papistischen Gottesdienst sehen, falls er nicht vorher seinen Besuch macht, wozu er sich, meiner Ansicht nach, verpflichtet fühlen wird. O, liebe Feenpate, hauchte Susanna mühsam, hier fühle!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_294416/366>, abgerufen am 23.07.2024.