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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr.

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Das "Rotwelsch" des deutschen Gauners

u. a. das Auge und neuerdings auch das Zweipfennigstück, Häckerling (von hacken)
die Hacke, das Beil und Weißling -- wie noch unten mitzuteilen ist -- sehr Ver-
schiednes, nicht aber speziell den weißen Schmetterling. Andre, nur dem Rotwelsch
eigentümliche, zum Teil humoristisch gefärbte Schöpfungen aus dieser Gruppe sind
zum Beispiel noch von Eigenschaftswörtern: Sänftling, Bett (neuere Form neben
Sänfterich), Spitzling, Hafer (auch Ahle. Pfriemen), Längling, Wurst, Sü߬
ling, Zucker, Honig, Säuerling, Kirsche, Essig, Flachling, Teller, Weitlinge,
Hosen, Finsterling, Geistlicher; von Zeitwörtern: Schreiling, kleines Kind,
Jämmerling, Witwe. Stichling. Schneider, Nadel. Fletterling (Flatterling),
Vogel, Taube, Schwimmerling, Fisch. Brummerling, Wespe, Greifling oder
Griffling, Hand, Riechling (oder Schmelzung), Nase, Kikerling. Auge (vom
niederdeutschen litem -- gucken), Trittling, Schuh, Schreibung oder Schnittling,
Schere (dieses auch Haar); von Hauptwörtern: Blendling, Kreuzer, Eimerling
Eimer, Stieling. Birne, Rußlin g, Kessel. Küche, Härung(e), Haar, Wolle u. a. in.
Hervorzuheben ist schließlich noch, daß sonderbarerweise die drei typischen Endungen
zuweilen selbst an den Stamm gewisser Fremdwörter angehängt sind, wodurch dann
Gebilde entstanden, die zum Teil auf den ersten Blick ganz rätselhaft erscheinen,
wie Boßhart (Boshart, Posiert, Bosfer usw.) für Fleisch (vom jüd. do8ör, hebr.
dS,8Ar, Schohkert, Kaffee (vom jüd. soboouoi-, schwarz), Schwächer"!, Durst (von
schwächen, zu sciM^r), Terich (oder Theriak), Land (vom lat. tsrra), Chaperick, Hut
(vom franz. en^psau), Lo(h)wling, weiße Rübe (vom jüd. lonon, weiß), Bazing,
El (aus jüd. dWa), Ralling, Nacht (vom zigeun. rat) und die schon früher erwähnten
hälbfranzösischen Bezeichnungen Pommerling, Apfel, Bölling, Stiefel, Bläum-
ling (oder Pfäumling), Feder.

Eine besonders wichtige Rolle spielen bei Wortbildungen dieser Art erklärlicher¬
weise auch die Farben, da sie dem mehr äußerlich beobachtenden Menschen ja nur
zu leicht als das Wichtigste an einer Sache erscheinen. Deshalb heißt z. B. das
Feld oder die Wiese Grünhart (Grunert, Gronert), das Bier Braunert, der
Kaffee Schwcirzling. Freilich kann es dabei nicht ausbleiben, daß schließlich die¬
selbe Bezeichnung für eine ganze Reihe von Gegenständen wiederkehrt, die die gleiche
Farbe tragen. So wird Weißling sowohl für den Schnee, das El und die Milch als
auch für den "Silberzwanziger" und neuerdings für das Fünfpfennigstück gebraucht,
Grünling für Laub. Gras, Kraut, Kohl. Wiese und Zaun, Gelbling (oder
Gilberling) für Weizen, Hirse und Wachs, Rötting für Blut, Erdbeere und
Zwetsche, die aber auch als Bläuling (oder Blauerling) bezeichnet wird, ebenso
wie zuweilen die Milch.

Hiermit ist jedoch das Gebiet der "gaunerischen Farbenlehre" noch lange nicht
zu Ende. Man hat namentlich öfter die Farben bezeichnenden Eigenschaftswörter
durch Vorsetzung eines Artikels einfach substantiviert und sie so zur Bezeichnung von
Ländern, Personen (nach ihrer Nationalität oder ihrem Berufe), Sachen, ja sogar von
abstrakten Begriffen verwandt. In dem Glossar des Österreichers Karmayer (1835)
heißt z. B. Ungarn das Blaue, Jllyrien das Schwarze, Böhmen das Schwarze-
rische, Österreich das Weiße, und dementsprechend der Böhme der Schwarze,
der Österreicher der Weiße (wohl mit Rücksicht auf die früher vorwiegend weiße
Uniform der österreichischen Soldaten). Der "Blaue" (älter: Blaukragen; herum.:
Blnukopp) ist dagegen jetzt allgemein -- namentlich aber bei den Gaunern der
Reichshauptstadt -- der Polizist, der Schutzmann, womit dessen satirische Definition
nach dem Berliner Volkswitz als "blau anjestrichnes Abführmittel" übereinstimmt
(s. H. Meyer, Der richtige Berliner usw., S. 18 unter "Blau," Ur. 6; vgl. auch
im engl. Carl: bins und älter blue bvttls >oder Robim-rsaSbi-of^ für den Poli¬
zisten). "Weißes" schlechthin bedeutet auch wohl Papier, wie "Schwarz" oder
"Schwärze" die Tinte (vgl. "Black"), öfter dagegen die Nacht, während "der
Grüne" poetisch den Frühling umschreibt. Häufiger sind aber noch zusammen¬
gesetzte Begriffsbezeichnungen nach Farben, die auf Grund von allerlei Vergleichen


Das „Rotwelsch" des deutschen Gauners

u. a. das Auge und neuerdings auch das Zweipfennigstück, Häckerling (von hacken)
die Hacke, das Beil und Weißling — wie noch unten mitzuteilen ist — sehr Ver-
schiednes, nicht aber speziell den weißen Schmetterling. Andre, nur dem Rotwelsch
eigentümliche, zum Teil humoristisch gefärbte Schöpfungen aus dieser Gruppe sind
zum Beispiel noch von Eigenschaftswörtern: Sänftling, Bett (neuere Form neben
Sänfterich), Spitzling, Hafer (auch Ahle. Pfriemen), Längling, Wurst, Sü߬
ling, Zucker, Honig, Säuerling, Kirsche, Essig, Flachling, Teller, Weitlinge,
Hosen, Finsterling, Geistlicher; von Zeitwörtern: Schreiling, kleines Kind,
Jämmerling, Witwe. Stichling. Schneider, Nadel. Fletterling (Flatterling),
Vogel, Taube, Schwimmerling, Fisch. Brummerling, Wespe, Greifling oder
Griffling, Hand, Riechling (oder Schmelzung), Nase, Kikerling. Auge (vom
niederdeutschen litem — gucken), Trittling, Schuh, Schreibung oder Schnittling,
Schere (dieses auch Haar); von Hauptwörtern: Blendling, Kreuzer, Eimerling
Eimer, Stieling. Birne, Rußlin g, Kessel. Küche, Härung(e), Haar, Wolle u. a. in.
Hervorzuheben ist schließlich noch, daß sonderbarerweise die drei typischen Endungen
zuweilen selbst an den Stamm gewisser Fremdwörter angehängt sind, wodurch dann
Gebilde entstanden, die zum Teil auf den ersten Blick ganz rätselhaft erscheinen,
wie Boßhart (Boshart, Posiert, Bosfer usw.) für Fleisch (vom jüd. do8ör, hebr.
dS,8Ar, Schohkert, Kaffee (vom jüd. soboouoi-, schwarz), Schwächer«!, Durst (von
schwächen, zu sciM^r), Terich (oder Theriak), Land (vom lat. tsrra), Chaperick, Hut
(vom franz. en^psau), Lo(h)wling, weiße Rübe (vom jüd. lonon, weiß), Bazing,
El (aus jüd. dWa), Ralling, Nacht (vom zigeun. rat) und die schon früher erwähnten
hälbfranzösischen Bezeichnungen Pommerling, Apfel, Bölling, Stiefel, Bläum-
ling (oder Pfäumling), Feder.

Eine besonders wichtige Rolle spielen bei Wortbildungen dieser Art erklärlicher¬
weise auch die Farben, da sie dem mehr äußerlich beobachtenden Menschen ja nur
zu leicht als das Wichtigste an einer Sache erscheinen. Deshalb heißt z. B. das
Feld oder die Wiese Grünhart (Grunert, Gronert), das Bier Braunert, der
Kaffee Schwcirzling. Freilich kann es dabei nicht ausbleiben, daß schließlich die¬
selbe Bezeichnung für eine ganze Reihe von Gegenständen wiederkehrt, die die gleiche
Farbe tragen. So wird Weißling sowohl für den Schnee, das El und die Milch als
auch für den „Silberzwanziger" und neuerdings für das Fünfpfennigstück gebraucht,
Grünling für Laub. Gras, Kraut, Kohl. Wiese und Zaun, Gelbling (oder
Gilberling) für Weizen, Hirse und Wachs, Rötting für Blut, Erdbeere und
Zwetsche, die aber auch als Bläuling (oder Blauerling) bezeichnet wird, ebenso
wie zuweilen die Milch.

Hiermit ist jedoch das Gebiet der „gaunerischen Farbenlehre" noch lange nicht
zu Ende. Man hat namentlich öfter die Farben bezeichnenden Eigenschaftswörter
durch Vorsetzung eines Artikels einfach substantiviert und sie so zur Bezeichnung von
Ländern, Personen (nach ihrer Nationalität oder ihrem Berufe), Sachen, ja sogar von
abstrakten Begriffen verwandt. In dem Glossar des Österreichers Karmayer (1835)
heißt z. B. Ungarn das Blaue, Jllyrien das Schwarze, Böhmen das Schwarze-
rische, Österreich das Weiße, und dementsprechend der Böhme der Schwarze,
der Österreicher der Weiße (wohl mit Rücksicht auf die früher vorwiegend weiße
Uniform der österreichischen Soldaten). Der „Blaue" (älter: Blaukragen; herum.:
Blnukopp) ist dagegen jetzt allgemein — namentlich aber bei den Gaunern der
Reichshauptstadt — der Polizist, der Schutzmann, womit dessen satirische Definition
nach dem Berliner Volkswitz als „blau anjestrichnes Abführmittel" übereinstimmt
(s. H. Meyer, Der richtige Berliner usw., S. 18 unter „Blau," Ur. 6; vgl. auch
im engl. Carl: bins und älter blue bvttls >oder Robim-rsaSbi-of^ für den Poli¬
zisten). „Weißes" schlechthin bedeutet auch wohl Papier, wie „Schwarz" oder
„Schwärze" die Tinte (vgl. „Black"), öfter dagegen die Nacht, während „der
Grüne" poetisch den Frühling umschreibt. Häufiger sind aber noch zusammen¬
gesetzte Begriffsbezeichnungen nach Farben, die auf Grund von allerlei Vergleichen


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[0355] Das „Rotwelsch" des deutschen Gauners u. a. das Auge und neuerdings auch das Zweipfennigstück, Häckerling (von hacken) die Hacke, das Beil und Weißling — wie noch unten mitzuteilen ist — sehr Ver- schiednes, nicht aber speziell den weißen Schmetterling. Andre, nur dem Rotwelsch eigentümliche, zum Teil humoristisch gefärbte Schöpfungen aus dieser Gruppe sind zum Beispiel noch von Eigenschaftswörtern: Sänftling, Bett (neuere Form neben Sänfterich), Spitzling, Hafer (auch Ahle. Pfriemen), Längling, Wurst, Sü߬ ling, Zucker, Honig, Säuerling, Kirsche, Essig, Flachling, Teller, Weitlinge, Hosen, Finsterling, Geistlicher; von Zeitwörtern: Schreiling, kleines Kind, Jämmerling, Witwe. Stichling. Schneider, Nadel. Fletterling (Flatterling), Vogel, Taube, Schwimmerling, Fisch. Brummerling, Wespe, Greifling oder Griffling, Hand, Riechling (oder Schmelzung), Nase, Kikerling. Auge (vom niederdeutschen litem — gucken), Trittling, Schuh, Schreibung oder Schnittling, Schere (dieses auch Haar); von Hauptwörtern: Blendling, Kreuzer, Eimerling Eimer, Stieling. Birne, Rußlin g, Kessel. Küche, Härung(e), Haar, Wolle u. a. in. Hervorzuheben ist schließlich noch, daß sonderbarerweise die drei typischen Endungen zuweilen selbst an den Stamm gewisser Fremdwörter angehängt sind, wodurch dann Gebilde entstanden, die zum Teil auf den ersten Blick ganz rätselhaft erscheinen, wie Boßhart (Boshart, Posiert, Bosfer usw.) für Fleisch (vom jüd. do8ör, hebr. dS,8Ar, Schohkert, Kaffee (vom jüd. soboouoi-, schwarz), Schwächer«!, Durst (von schwächen, zu sciM^r), Terich (oder Theriak), Land (vom lat. tsrra), Chaperick, Hut (vom franz. en^psau), Lo(h)wling, weiße Rübe (vom jüd. lonon, weiß), Bazing, El (aus jüd. dWa), Ralling, Nacht (vom zigeun. rat) und die schon früher erwähnten hälbfranzösischen Bezeichnungen Pommerling, Apfel, Bölling, Stiefel, Bläum- ling (oder Pfäumling), Feder. Eine besonders wichtige Rolle spielen bei Wortbildungen dieser Art erklärlicher¬ weise auch die Farben, da sie dem mehr äußerlich beobachtenden Menschen ja nur zu leicht als das Wichtigste an einer Sache erscheinen. Deshalb heißt z. B. das Feld oder die Wiese Grünhart (Grunert, Gronert), das Bier Braunert, der Kaffee Schwcirzling. Freilich kann es dabei nicht ausbleiben, daß schließlich die¬ selbe Bezeichnung für eine ganze Reihe von Gegenständen wiederkehrt, die die gleiche Farbe tragen. So wird Weißling sowohl für den Schnee, das El und die Milch als auch für den „Silberzwanziger" und neuerdings für das Fünfpfennigstück gebraucht, Grünling für Laub. Gras, Kraut, Kohl. Wiese und Zaun, Gelbling (oder Gilberling) für Weizen, Hirse und Wachs, Rötting für Blut, Erdbeere und Zwetsche, die aber auch als Bläuling (oder Blauerling) bezeichnet wird, ebenso wie zuweilen die Milch. Hiermit ist jedoch das Gebiet der „gaunerischen Farbenlehre" noch lange nicht zu Ende. Man hat namentlich öfter die Farben bezeichnenden Eigenschaftswörter durch Vorsetzung eines Artikels einfach substantiviert und sie so zur Bezeichnung von Ländern, Personen (nach ihrer Nationalität oder ihrem Berufe), Sachen, ja sogar von abstrakten Begriffen verwandt. In dem Glossar des Österreichers Karmayer (1835) heißt z. B. Ungarn das Blaue, Jllyrien das Schwarze, Böhmen das Schwarze- rische, Österreich das Weiße, und dementsprechend der Böhme der Schwarze, der Österreicher der Weiße (wohl mit Rücksicht auf die früher vorwiegend weiße Uniform der österreichischen Soldaten). Der „Blaue" (älter: Blaukragen; herum.: Blnukopp) ist dagegen jetzt allgemein — namentlich aber bei den Gaunern der Reichshauptstadt — der Polizist, der Schutzmann, womit dessen satirische Definition nach dem Berliner Volkswitz als „blau anjestrichnes Abführmittel" übereinstimmt (s. H. Meyer, Der richtige Berliner usw., S. 18 unter „Blau," Ur. 6; vgl. auch im engl. Carl: bins und älter blue bvttls >oder Robim-rsaSbi-of^ für den Poli¬ zisten). „Weißes" schlechthin bedeutet auch wohl Papier, wie „Schwarz" oder „Schwärze" die Tinte (vgl. „Black"), öfter dagegen die Nacht, während „der Grüne" poetisch den Frühling umschreibt. Häufiger sind aber noch zusammen¬ gesetzte Begriffsbezeichnungen nach Farben, die auf Grund von allerlei Vergleichen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_294416/355>, abgerufen am 25.08.2024.