Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr.Lhamberlains britische Reichspolitik gar keine Vorteile gegen die ihm selbst zu gewährenden Zollbegünstigungen Das wichtigste Rüstzeug der modernen Handelpolitik, die Handelverträge, Diese unleugbare handelpolitische Ohnmacht, in die England durch seinen Lhamberlains britische Reichspolitik gar keine Vorteile gegen die ihm selbst zu gewährenden Zollbegünstigungen Das wichtigste Rüstzeug der modernen Handelpolitik, die Handelverträge, Diese unleugbare handelpolitische Ohnmacht, in die England durch seinen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0324" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/294741"/> <fw type="header" place="top"> Lhamberlains britische Reichspolitik</fw><lb/> <p xml:id="ID_1395" prev="#ID_1394"> gar keine Vorteile gegen die ihm selbst zu gewährenden Zollbegünstigungen<lb/> bieten. Dieser Grundfehler seiner Handelpolitik zeigte sich also sehr schnell.<lb/> Es ist wahrhaft erstaunlich und nur aus der großen politischen Macht Eng¬<lb/> lands und aus dem allgemeinen Mißtrauen, ob sich der Freihandel auf die<lb/> Dauer werde halten können, erklärlich, daß in der Tat solche Handelverträge,<lb/> zum Beispiel auch mit dem Deutschen Zollverein und Preußen, zustande kamen,<lb/> und dadurch hatte sich die Stellung des englischen Handels auf dem Kontinent<lb/> und im Auslande zunächst sehr gefestigt. Im weitern Verlauf der Dinge aber<lb/> unterlag England beim Abschluß neuer Handelvertrüge regelmäßig gegen die<lb/> Industriestaaten immer aus demselben Grunde, weil es ihnen keine Zoll¬<lb/> begünstigungen bieten konnte; nur durch die Meistbegünstigung und Ackerban¬<lb/> staaten gegenüber hatte es einigen Erfolg.</p><lb/> <p xml:id="ID_1396"> Das wichtigste Rüstzeug der modernen Handelpolitik, die Handelverträge,<lb/> konnte England also beim Freihandel nicht gebrauchen. England hat später<lb/> nur in drei Fällen Miene gemacht, mittelbar wenigstens schutzzöllnerische<lb/> Maßnahmen durchzusetzen. Einmal durch seine Vieheinfuhrverbote, die neben<lb/> dem sanitären auch einen wirtschaftlichen Schutz gewährten. Ferner durch das<lb/> Handelsmarkengesetz, das das berühmte IVIg-as in Ssrinan^ hervorbrachte.<lb/> Bekanntlich hat dieses Gesetz das Gegenteil der erwarteten Wirkung gehabt;<lb/> es ist zu einer Reklame für die deutsche Ware geworden, weshalb man neuer¬<lb/> dings eine Änderung des Gesetzes beabsichtigt, und zwar so, daß die fremden Er¬<lb/> zeugnisse nicht mehr die Bezeichnung des Ursprunglandes tragen, sondern ein¬<lb/> fach die Worte iivporwä oder macle. abroacl. In schutzzöllnerischer Richtung<lb/> bewegte sich auch das Verbot der Einfuhr ausländischer Gefängnisarbeit. Auf<lb/> die Frage der Ausgleichzölle, die ebenfalls hierher gehört, kommen wir nachher<lb/> zu sprechen. Die infolge des Burenkrieges eingeführten Zölle auf Getreide<lb/> waren reine Finanzzölle und sind inzwischen wieder aufgehoben worden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1397" next="#ID_1398"> Diese unleugbare handelpolitische Ohnmacht, in die England durch seinen<lb/> Freihandel versetzt worden war, blieb der englischen Industrie so wenig lange<lb/> verborgen, wie ihre Gründe, und bald setzte eine ziemlich lebhafte Opposition<lb/> gegen den absoluten Freihandel ein, die sich eine Organisation in der UMoiial<lb/> ?air Iraclö I^^us schuf. Diese hat folgendes Programm aufgestellt: 1. Abschluß<lb/> aller Handelvertrüge, die fiskalische Vereinbarungen betreffen, nur auf jährliche<lb/> Kündigung und mit der Klausel, daß die Meistbegünstigung nicht auf solche<lb/> Vorteile anwendbar sein soll, die zwischen England und seinen Kolonien ge¬<lb/> schaffen werden, damit durch Handelverträge die zweckdienliche Handelpolitik<lb/> zwischen England und seinen Kolonien nicht gehindert wird. 2. Freie Einfuhr<lb/> der Rohmaterialien für die einheimischen Industrien, um deren Wettbewerb-<lb/> fühigkeit zu stärken. 3. Einfuhrzölle auf die Erzeugnisse der Staaten, die die<lb/> englischen Waren nicht in trse oder tair sxvImnKö nehmen. 4. Einen müßigen<lb/> Zoll auf Nahrungsmittel aus fremden Ländern, dagegen deren freie Einfuhr<lb/> aus den Kolonien, um die Hilfsquellen des britischen Reiches zu entwickeln,<lb/> um den Strom von englischem Kapital, Geschicklichkeit und Arbeitskraft in die<lb/> eignen Besitzungen statt in fremde schutzzöllnerische Länder zu lenken. — Der<lb/> Gedanke war auch hier der, die britischen Kolonien möglichst auf der Stufe</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0324]
Lhamberlains britische Reichspolitik
gar keine Vorteile gegen die ihm selbst zu gewährenden Zollbegünstigungen
bieten. Dieser Grundfehler seiner Handelpolitik zeigte sich also sehr schnell.
Es ist wahrhaft erstaunlich und nur aus der großen politischen Macht Eng¬
lands und aus dem allgemeinen Mißtrauen, ob sich der Freihandel auf die
Dauer werde halten können, erklärlich, daß in der Tat solche Handelverträge,
zum Beispiel auch mit dem Deutschen Zollverein und Preußen, zustande kamen,
und dadurch hatte sich die Stellung des englischen Handels auf dem Kontinent
und im Auslande zunächst sehr gefestigt. Im weitern Verlauf der Dinge aber
unterlag England beim Abschluß neuer Handelvertrüge regelmäßig gegen die
Industriestaaten immer aus demselben Grunde, weil es ihnen keine Zoll¬
begünstigungen bieten konnte; nur durch die Meistbegünstigung und Ackerban¬
staaten gegenüber hatte es einigen Erfolg.
Das wichtigste Rüstzeug der modernen Handelpolitik, die Handelverträge,
konnte England also beim Freihandel nicht gebrauchen. England hat später
nur in drei Fällen Miene gemacht, mittelbar wenigstens schutzzöllnerische
Maßnahmen durchzusetzen. Einmal durch seine Vieheinfuhrverbote, die neben
dem sanitären auch einen wirtschaftlichen Schutz gewährten. Ferner durch das
Handelsmarkengesetz, das das berühmte IVIg-as in Ssrinan^ hervorbrachte.
Bekanntlich hat dieses Gesetz das Gegenteil der erwarteten Wirkung gehabt;
es ist zu einer Reklame für die deutsche Ware geworden, weshalb man neuer¬
dings eine Änderung des Gesetzes beabsichtigt, und zwar so, daß die fremden Er¬
zeugnisse nicht mehr die Bezeichnung des Ursprunglandes tragen, sondern ein¬
fach die Worte iivporwä oder macle. abroacl. In schutzzöllnerischer Richtung
bewegte sich auch das Verbot der Einfuhr ausländischer Gefängnisarbeit. Auf
die Frage der Ausgleichzölle, die ebenfalls hierher gehört, kommen wir nachher
zu sprechen. Die infolge des Burenkrieges eingeführten Zölle auf Getreide
waren reine Finanzzölle und sind inzwischen wieder aufgehoben worden.
Diese unleugbare handelpolitische Ohnmacht, in die England durch seinen
Freihandel versetzt worden war, blieb der englischen Industrie so wenig lange
verborgen, wie ihre Gründe, und bald setzte eine ziemlich lebhafte Opposition
gegen den absoluten Freihandel ein, die sich eine Organisation in der UMoiial
?air Iraclö I^^us schuf. Diese hat folgendes Programm aufgestellt: 1. Abschluß
aller Handelvertrüge, die fiskalische Vereinbarungen betreffen, nur auf jährliche
Kündigung und mit der Klausel, daß die Meistbegünstigung nicht auf solche
Vorteile anwendbar sein soll, die zwischen England und seinen Kolonien ge¬
schaffen werden, damit durch Handelverträge die zweckdienliche Handelpolitik
zwischen England und seinen Kolonien nicht gehindert wird. 2. Freie Einfuhr
der Rohmaterialien für die einheimischen Industrien, um deren Wettbewerb-
fühigkeit zu stärken. 3. Einfuhrzölle auf die Erzeugnisse der Staaten, die die
englischen Waren nicht in trse oder tair sxvImnKö nehmen. 4. Einen müßigen
Zoll auf Nahrungsmittel aus fremden Ländern, dagegen deren freie Einfuhr
aus den Kolonien, um die Hilfsquellen des britischen Reiches zu entwickeln,
um den Strom von englischem Kapital, Geschicklichkeit und Arbeitskraft in die
eignen Besitzungen statt in fremde schutzzöllnerische Länder zu lenken. — Der
Gedanke war auch hier der, die britischen Kolonien möglichst auf der Stufe
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