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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr.

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Das Hamburger volksheim

Pfennigen zu besorgen und zu verteilen (davon einzelne über zwanzigmal).
In einer spätern Ausstellung, einer Thomaausstellung, wurde z. B. Thomas
"Kinderreigen" zweiundzwanzigmal bestellt.

Es wäre sehr zu wünschen, daß diese Bilderausstellungen, die ab und zu
auch durch einen Vortrag oder eine Führung erläutert wurden, noch weiter
ausgebaut würden. Bei dem heutigen Stande der Reproduktionstechnik wäre
das leicht möglich, und es ist bedauerlich, daß von den verschiednen Bolks-
bildungsvereinen für die Verbreitung billiger Kunstblätter bisher so wenig ge¬
schehen ist: der Leipziger Lehrerverein hat mit seiner kürzlich veröffentlichten
"Ludwig-Richter-Gabe" (Einzelpreis eine Mark, Partiepreis für Vereine vierzig
Pfennige) etwas ganz Seltnes getan. Unsre Volksbibliotheken und Lesehallen
könnten durch ein paar gute und billige Kunstblätter ein viel freundlicheres
Aussehen erhalten, als sie meist bieten, und könnten dadurch für eine ge¬
schmackvollere Ausschmückung der Wohnungen vorbildlich wirken.

Wichtig scheint mir auch eine Ausdehnung der Ausstellungen auf Werke
der Bildhauerkunst zu sein. Skulpturen pflegen ein so großes Verständnis zu
finden -- oft ein größeres als Bilder --, daß es schon deswegen aussichts¬
voll erscheint, damit einen meines Wissens in Deutschland bisher noch nicht
gemachten Versuch zu wagen. Selbstverständlich müßte eine solche Ausstellung
nur Skulpturen enthalten, nicht auch Bilder, weil man sonst keine ganz be¬
stimmten Beobachtungen über ihren Wert sammeln kann. Sie ließe sich recht
billig einrichten, da zum Beispiel in München die Geschäfte, die antike, mittel¬
alterliche und auch moderne Bildhauerwerke zu billigem Preise nachbilden
(einige antike Köpfchen in Gips von fünfzig Pfennigen an!), geradezu aus
der Erde schießen, und da auch in norddeutschen Städten von Geschäften und
durch die Direktionen einzelner Museen billige Nachbildungen in den Handel
gebracht werden.

Neben den Bilderausftellungen wird im Sommer Ersatz für die auf den
Winter beschränkten Vorträge und Sonntagsunterhaltungen durch die Aus¬
flüge geboten, die sich als ein ausgezeichnetes Mittel erwiesen haben, die er¬
wünschte Fühlung zwischen den "Helfern" und den Arbeitern -- wenn man
die Besucher des Volksheims unter diesem Schlagworte zusammenfassen will --
herzustellen. Anschließend an einen Vortrag über die Volkskunst in den Vier¬
landen fand der erste Ausflug am 27. April 1902 statt, dem in jedem fol¬
genden Monat ein neuer folgte. Die Teilnehmerzahl betrug meist etwa
hundert, erreicht also nur einen Bruchteil der großen Volksausflüge des
Wiener Volksbildungsvereins. Da aber der Zweck der persönlichen Berührung
immer im Vordergrunde steht, würde ein Anwachsen der Zahl wohl sein Be¬
denken haben.

Die Einrichtung des Volksheims aber, die unzweifelhaft alle andern
(einzeln und zusammengenommen) an Bedeutung weit überragt, sind seine
Lehrlingsvereine. Nach dem trefflichen Vorbilde des Lehrlingsvereins des
Pastors Clemens Schultz in Se. Pauli hatte zuerst Kandidat Classen, dann
Dr. Ernst Jaques einen Lehrlingsverein gegründet. Später trat ein dritter
hinzu, weil die einzelnen Vereine nicht allzu sehr anschwellen und die person-


Das Hamburger volksheim

Pfennigen zu besorgen und zu verteilen (davon einzelne über zwanzigmal).
In einer spätern Ausstellung, einer Thomaausstellung, wurde z. B. Thomas
„Kinderreigen" zweiundzwanzigmal bestellt.

Es wäre sehr zu wünschen, daß diese Bilderausstellungen, die ab und zu
auch durch einen Vortrag oder eine Führung erläutert wurden, noch weiter
ausgebaut würden. Bei dem heutigen Stande der Reproduktionstechnik wäre
das leicht möglich, und es ist bedauerlich, daß von den verschiednen Bolks-
bildungsvereinen für die Verbreitung billiger Kunstblätter bisher so wenig ge¬
schehen ist: der Leipziger Lehrerverein hat mit seiner kürzlich veröffentlichten
„Ludwig-Richter-Gabe" (Einzelpreis eine Mark, Partiepreis für Vereine vierzig
Pfennige) etwas ganz Seltnes getan. Unsre Volksbibliotheken und Lesehallen
könnten durch ein paar gute und billige Kunstblätter ein viel freundlicheres
Aussehen erhalten, als sie meist bieten, und könnten dadurch für eine ge¬
schmackvollere Ausschmückung der Wohnungen vorbildlich wirken.

Wichtig scheint mir auch eine Ausdehnung der Ausstellungen auf Werke
der Bildhauerkunst zu sein. Skulpturen pflegen ein so großes Verständnis zu
finden — oft ein größeres als Bilder —, daß es schon deswegen aussichts¬
voll erscheint, damit einen meines Wissens in Deutschland bisher noch nicht
gemachten Versuch zu wagen. Selbstverständlich müßte eine solche Ausstellung
nur Skulpturen enthalten, nicht auch Bilder, weil man sonst keine ganz be¬
stimmten Beobachtungen über ihren Wert sammeln kann. Sie ließe sich recht
billig einrichten, da zum Beispiel in München die Geschäfte, die antike, mittel¬
alterliche und auch moderne Bildhauerwerke zu billigem Preise nachbilden
(einige antike Köpfchen in Gips von fünfzig Pfennigen an!), geradezu aus
der Erde schießen, und da auch in norddeutschen Städten von Geschäften und
durch die Direktionen einzelner Museen billige Nachbildungen in den Handel
gebracht werden.

Neben den Bilderausftellungen wird im Sommer Ersatz für die auf den
Winter beschränkten Vorträge und Sonntagsunterhaltungen durch die Aus¬
flüge geboten, die sich als ein ausgezeichnetes Mittel erwiesen haben, die er¬
wünschte Fühlung zwischen den „Helfern" und den Arbeitern — wenn man
die Besucher des Volksheims unter diesem Schlagworte zusammenfassen will —
herzustellen. Anschließend an einen Vortrag über die Volkskunst in den Vier¬
landen fand der erste Ausflug am 27. April 1902 statt, dem in jedem fol¬
genden Monat ein neuer folgte. Die Teilnehmerzahl betrug meist etwa
hundert, erreicht also nur einen Bruchteil der großen Volksausflüge des
Wiener Volksbildungsvereins. Da aber der Zweck der persönlichen Berührung
immer im Vordergrunde steht, würde ein Anwachsen der Zahl wohl sein Be¬
denken haben.

Die Einrichtung des Volksheims aber, die unzweifelhaft alle andern
(einzeln und zusammengenommen) an Bedeutung weit überragt, sind seine
Lehrlingsvereine. Nach dem trefflichen Vorbilde des Lehrlingsvereins des
Pastors Clemens Schultz in Se. Pauli hatte zuerst Kandidat Classen, dann
Dr. Ernst Jaques einen Lehrlingsverein gegründet. Später trat ein dritter
hinzu, weil die einzelnen Vereine nicht allzu sehr anschwellen und die person-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_294416/316>, abgerufen am 23.07.2024.