Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr.Lhamberlains britische Reichspolitik bis Florida. Es war die Zeit, wo die Völker von einer Welthandelsherrschaft Seine Industrie überflügelte seit dem Ende des achtzehnten Jahrhunderts Lhamberlains britische Reichspolitik bis Florida. Es war die Zeit, wo die Völker von einer Welthandelsherrschaft Seine Industrie überflügelte seit dem Ende des achtzehnten Jahrhunderts <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0251" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/294668"/> <fw type="header" place="top"> Lhamberlains britische Reichspolitik</fw><lb/> <p xml:id="ID_1076" prev="#ID_1075"> bis Florida. Es war die Zeit, wo die Völker von einer Welthandelsherrschaft<lb/> träumten und diesem nie zu verwirklichenden Phantom ihre besten Kräfte wenn<lb/> auch nicht nutzlos opferten. Dazu mußten aber alle Mittel aufgeboten werden,<lb/> und sie waren nur zu finden in einer straffen Volkswirtschaftpolitik, wie sie<lb/> Cromwell begonnen hatte, und wie sie zu derselben Zeit etwa auch Colbert in<lb/> Frankreich mit dem sogenannten Merkantilismus einführte. Colbert brachte<lb/> die durch die Mißwirtschaft Mazarins und Foucquets zerrütteten Staats¬<lb/> finanzen in Ordnung und beseitigte die französischen Binnenzölle ganz in der¬<lb/> selben Weise, wie etwa anderthalb Jahrhunderte später der Deutsche Zollverein<lb/> dies tat, schützte die inländischen Gewerbe gegen das Ausland durch Zölle und<lb/> rief künstlich Industrien ins Leben. Zuletzt richtete sich sowohl die Handel¬<lb/> politik Cromwells wie die Colberts gegen die Niederlande, nachdem diese aber<lb/> ihre dynastische Verbindung mit den Stuarts erneuert hatten, mußten notwendig<lb/> England und die Niederlande gegen Frankreich kämpfen. Und in diesem ge¬<lb/> waltigen hundertjährigen Ringen festigten sich durch eine merkwürdige Schicksals¬<lb/> fügung trotz oder vielmehr wegen der Feindschaft der beiden großen Parteien,<lb/> der Whigs und der Tones, die wirtschaftlichen Verhältnisse in England immer<lb/> mehr, während die französischen Finanzen bald trostloser als je in Unordnung<lb/> waren. Der tiefere Grund zum Spanischen Erbfolgekriege war die englisch-fran¬<lb/> zösische Nebenbuhlerschaft um den spanischen und den nordamerikanischen Waren¬<lb/> markt. Im Utrechter Frieden wurde die spanische Monarchie zerrissen, England<lb/> erhielt Neuschottland, Neufundland, die Hudsonbai, Gibraltar und Mensor auf<lb/> Menorea und hatte es verhindert, daß der spanisch-amerikanische Handel in<lb/> französische Hände kam; er blieb auch nach dem nordamerikanischen Unab¬<lb/> hängigkeitskriege, der 140 Millionen Pfund Sterling verschlang, Englands<lb/> Domäne. Im Nordischen Kriege erhält England zu Hannover Bremen und<lb/> Verden, der Pariser Frieden 1763 bringt ihm Kanada und Florida; 1795<lb/> bis 1797 gehn die holländischen Besitzungen an England verloren, 1786 wird<lb/> Australien in Besitz genommen. Der nordamerikanische Unabhängigkeitskrieg<lb/> brachte England freilich den einzigen aber gewaltigen Mißerfolg, den Verlust der<lb/> Vereinigten Staaten; aber dafür entwickelte sich das Niesenreich Ostindien um so<lb/> schneller, und es gewann an Australien einen allerdings nicht entsprechenden Ersatz<lb/> für jenen unermeßlichen Verlust und setzte sich in Singapore und Hongkong fest.</p><lb/> <p xml:id="ID_1077" next="#ID_1078"> Seine Industrie überflügelte seit dem Ende des achtzehnten Jahrhunderts<lb/> mit wunderbarer Gewalt die aller kontinentalen Völker, nachdem eine Reihe<lb/> Schlag auf Schlag folgender großer Erfindungen die Baumwollindustrie und<lb/> später die Eisenindustrie zu ungeahnter Leistungfähigkeit entwickelt hatte und<lb/> dem Großbetrieb durch die verbesserte Dampfmaschine James Watts ein voll-<lb/> kommnes Betriebsmittel zur Verfügung gestellt werden konnte. Am Anfang<lb/> des neunzehnten Jahrhunderts ist die koloniale Entwicklung im wesentlichen<lb/> schon beendet, England ist so ziemlich am Ziele seiner Wünsche. Seine Flotte<lb/> gebietet auf allen Meeren, sein Einfluß ist allmächtig, und vergebens stemmte<lb/> sich Napoleon, dessen Seemacht 1805 bei Trafalgar von den Engländern ver¬<lb/> nichtet worden war, mit dem gigantischen Plane der Kontinentalsperre gegen<lb/> diesen Nebenbuhler. Die Beschießung Kopenhagens mitten im Frieden und die</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0251]
Lhamberlains britische Reichspolitik
bis Florida. Es war die Zeit, wo die Völker von einer Welthandelsherrschaft
träumten und diesem nie zu verwirklichenden Phantom ihre besten Kräfte wenn
auch nicht nutzlos opferten. Dazu mußten aber alle Mittel aufgeboten werden,
und sie waren nur zu finden in einer straffen Volkswirtschaftpolitik, wie sie
Cromwell begonnen hatte, und wie sie zu derselben Zeit etwa auch Colbert in
Frankreich mit dem sogenannten Merkantilismus einführte. Colbert brachte
die durch die Mißwirtschaft Mazarins und Foucquets zerrütteten Staats¬
finanzen in Ordnung und beseitigte die französischen Binnenzölle ganz in der¬
selben Weise, wie etwa anderthalb Jahrhunderte später der Deutsche Zollverein
dies tat, schützte die inländischen Gewerbe gegen das Ausland durch Zölle und
rief künstlich Industrien ins Leben. Zuletzt richtete sich sowohl die Handel¬
politik Cromwells wie die Colberts gegen die Niederlande, nachdem diese aber
ihre dynastische Verbindung mit den Stuarts erneuert hatten, mußten notwendig
England und die Niederlande gegen Frankreich kämpfen. Und in diesem ge¬
waltigen hundertjährigen Ringen festigten sich durch eine merkwürdige Schicksals¬
fügung trotz oder vielmehr wegen der Feindschaft der beiden großen Parteien,
der Whigs und der Tones, die wirtschaftlichen Verhältnisse in England immer
mehr, während die französischen Finanzen bald trostloser als je in Unordnung
waren. Der tiefere Grund zum Spanischen Erbfolgekriege war die englisch-fran¬
zösische Nebenbuhlerschaft um den spanischen und den nordamerikanischen Waren¬
markt. Im Utrechter Frieden wurde die spanische Monarchie zerrissen, England
erhielt Neuschottland, Neufundland, die Hudsonbai, Gibraltar und Mensor auf
Menorea und hatte es verhindert, daß der spanisch-amerikanische Handel in
französische Hände kam; er blieb auch nach dem nordamerikanischen Unab¬
hängigkeitskriege, der 140 Millionen Pfund Sterling verschlang, Englands
Domäne. Im Nordischen Kriege erhält England zu Hannover Bremen und
Verden, der Pariser Frieden 1763 bringt ihm Kanada und Florida; 1795
bis 1797 gehn die holländischen Besitzungen an England verloren, 1786 wird
Australien in Besitz genommen. Der nordamerikanische Unabhängigkeitskrieg
brachte England freilich den einzigen aber gewaltigen Mißerfolg, den Verlust der
Vereinigten Staaten; aber dafür entwickelte sich das Niesenreich Ostindien um so
schneller, und es gewann an Australien einen allerdings nicht entsprechenden Ersatz
für jenen unermeßlichen Verlust und setzte sich in Singapore und Hongkong fest.
Seine Industrie überflügelte seit dem Ende des achtzehnten Jahrhunderts
mit wunderbarer Gewalt die aller kontinentalen Völker, nachdem eine Reihe
Schlag auf Schlag folgender großer Erfindungen die Baumwollindustrie und
später die Eisenindustrie zu ungeahnter Leistungfähigkeit entwickelt hatte und
dem Großbetrieb durch die verbesserte Dampfmaschine James Watts ein voll-
kommnes Betriebsmittel zur Verfügung gestellt werden konnte. Am Anfang
des neunzehnten Jahrhunderts ist die koloniale Entwicklung im wesentlichen
schon beendet, England ist so ziemlich am Ziele seiner Wünsche. Seine Flotte
gebietet auf allen Meeren, sein Einfluß ist allmächtig, und vergebens stemmte
sich Napoleon, dessen Seemacht 1805 bei Trafalgar von den Engländern ver¬
nichtet worden war, mit dem gigantischen Plane der Kontinentalsperre gegen
diesen Nebenbuhler. Die Beschießung Kopenhagens mitten im Frieden und die
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